Strahl der Wahrheit
Strahl der Wahrheit
London (-berg). Der weltberühmte Ayers Rock in Australien wird ab Oktober 2019 für Kletterer gesperrt. So ging es Anfang November durch die Medien. Mit der Entscheidung wollen die Verantwortlichen den Belangen der Aborigines Rechnung tragen. Der Uluru, wie der Ayers Rock in der Sprache der australischen Ureinwohner eigentlich heißt, gilt dem Volk der dort ansässigen Anangu als heiliger Berg.
Das Christentum kennt solche „natürlichen“ Heiligtümer nicht, keine heiligen Berge, keine heiligen Bäume. Die Natur verweist auf Gott als den Schöpfer, aber sie ist selbst nicht göttlich. Zu den bekannten Heiligenlegenden gehört diese Geschichte vom Apostel der Deutschen, dem heiligen Bonifatius: Um den noch nicht bekehrten Chatten, einem germanischen Volksstamm in Hessen, vorzuführen, dass ihre Götter machtlos sind, fällte er demonstrativ die Donareiche. Dieser Baum war dem Gott Donar geweiht. Eine Episode, die aus heutiger Sicht durchaus brutal ist. Und auch das Herumklettern auf dem Uluru, auf das in den letzten Jahren die meisten Touristen bereits verzichteten, hat etwas Ungehöriges, auch bzw. gerade aus katholischer Sicht. Denn auch wenn der Gott, den die Aborigines dort verehren, nicht der Gott der Christen ist, ist es sehr wohl christlich, die heiligen Orte anderer Religionen als solche zu ehren.
Das Zweite Vatikanische Konzil mahnt in seiner Erklärung Nostra Aetate zum Respekt vor anderen Religionen. Dort heißt es: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lässt, die alle Menschen erleuchtet.“
Die Grundannahme lautet, dass alle Menschen eine einzige Gemeinschaft bilden, dass sie denselben Ursprung haben und dass die Güte Gottes sich auf alle Menschen erstreckt. Die Hochachtung der Kirche gilt daher im Besonderen den Muslimen, so heißt es dort, Nostra Aetate formuliert zudem, dass alle Christgläubigen Kinder Abrahams sind und so eine besondere Beziehung zu den Juden besteht, die in dem Dokument noch ausführlicher begründet wird.
Die Schlussfolgerung also, die man am liebsten in Stein meißeln und irgendwo vor dem Bundestag aufstellen möchte, lautet: „Wir können Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern. Das Verhalten des Menschen zu Gott, dem Vater, und sein Verhalten zu den Menschenbrüdern stehen in so engem Zusammenhang, dass die Schrift sagt: Wer nicht liebt, kennt Gott nicht (1. Joh 4,8). So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bezüglich der Menschenwürde und der daraus fließenden Rechte einen Unterschied macht.“