Streit ums Kreuz
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Deutschland redet über das Kreuz – wie schön, möchte man sagen. Auseinandersetzungen um das Kreuz und mit ihm gibt es seit mindestens 1 700 Jahren. „In hoc signo vinces“, in diesem Zeichen wirst du siegen, hatte Kaiser Konstantin im Jahr 312 in einer Vision gehört und die Schlacht an der Milvischen Brücke gewonnen.
von Claudia Auffenberg
Wie genau das Kreuz ausgesehen hat, das ihm erschienen ist, weiß natürlich niemand, aber seitdem wird es gewissermaßen offiziell als christliches Logo geführt. Bis dahin waren die Christen mit der Darstellung des Kreuzes zögerlich, war es doch ein schimpfliches Marterinstrument. Auch die angebliche Auffindung des wahren Kreuzes Christi durch die Mutter des Kaisers, sorgte für eine neue Betrachtung dieses Symbols, das im Kern schon viel älter als das Christentum ist.
Durch die Jahrhunderte gab es immer wieder neue Formen des Kreuzes: Zunächst wurde es ohne Corpus dargestellt, dann in der Zeit der Romanik mit einem thronenden Christus, in der Gotik wurde es dann menschlicher. Gezeigt wurde ein echter Mensch mit Gefühlen, mit Schmerz und Angst, oder auch ein Toter mit geschlossenen Augen und angezogenen Knien. In der Kunst spricht man vom Drei-Nagel-Typus, weil in dieser Zeit die Füße Jesu übereinanderliegen und mit einem Nagel gehalten werden. Bei einem Vier-Nagel-Typus stehen sie parallel auf einer Art Sockel.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es besonders um das Kruzifix heftige Auseinandersetzungen. Widersprach es nicht dem Bilderverbot, den Herrn darzustellen? Bis heute ist in reformierten Kirchen häufig ein leeres Kreuz zu sehen, als Ausdruck der Hochachtung vor dem göttlichen Christus, den man nicht darstellen kann. Andere sahen in der Zwei-Naturen-Lehre, nach der Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott ist, die Möglichkeit, eben doch den Menschen Jesus darzustellen. Und natürlich musste irgendwann klargestellt werden, dass die Verehrung nicht dem konkreten Kreuz gilt, das der Beter vor Augen hat, sondern dem dargestellten Herrn.
Bis heute hat das Kreuz in der modernen Kunst einen Platz. Prof. Josef Meyer zu Schlochtern, Fundamentaltheologe an der Theologischen Fakultät in Paderborn, der in engem Kontakt zu vielen zeitgenössischen Künstlern steht, sagt, es sei für viele ein Anliegen oder ein Reiz, das Thema Kreuz in der eigenen Technik zu bewältigen – dies gilt nicht nur für Kirchenkünstler. Auch große Geister wie Joseph Beuys oder Gerhard Richter haben Kreuzesdarstellungen geschaffen. Manchmal bringe eigene Betroffenheit, etwa der Tod eines Nahestehenden, den Künstler zum Kreuz oder umgekehrt. In der Regel gehe es ihnen nicht um eine platte Gegnerschaft zur Kirche oder zum Glauben. Auch wenn viele nur eine diffuse Ahnung von der Bedeutung des Kreuzes haben, so sieht er doch eine große Ernsthaftigkeit bei den Künstlern.
Hinweis: Im gedruckten Dom Nr. 19 finden Sie auf S. 18 eine Abbildung des Sonnenkreuzes von Josef Beuys.