29.01.2022

Synodalversammlung – „Der Ernst der Lage ist allen klar“

„Dramatische Situation“: Gerade jetzt, sagen Georg Bätzing und Irme Stetter-Karp, sei es wichtig, am Prozess des Synodalen Weges festzuhalten. (Foto: Synodaler Weg)

Wie wird sich das Münchner Missbrauchsgutachten auf die dritte Synodalversammlung in der kommenden Woche auswirken? Im Interview sprechen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und ZdK-­Präsidentin Irme Stetter-Karp über ihre Erwartungen. Mit Georg Bätzing und Irme Stetter-­Karp sprachen Ludwig Ring-Eifel und Karin Wollschläger (KNA).

Frau Stetter-­Karp, Herr Bischof Bätzing, inwieweit werden die Ergebnisse des neuen Münchner Missbrauchsgutachtens die kommende Synodalversammlung beeinflussen? 

Stetter-Karp: Ich bin sicher, das wird ein Thema sein. Und ich kann mir gut vorstellen, dass manche auch zum Ausdruck bringen, dass es eine bittere Erkenntnis ist, dass wir in der Aufarbeitung nur schleppend voran­kommen. 

Bätzing: Die vergangene Syno­dalversammlung im Herbst war sehr stark atmosphärisch bestimmt vom Zurückhalten eines der beiden Kölner Gutachten und die dadurch entstandene Vertrauenskrise, die bis heute andauert. Das haben wir beim Münchner Gutachten nicht. Gleichwohl sind die Ergebnisse des Gutachtens desaströs. Aber es ist gut, dass es schonungslos und unabhängig veröffentlicht wurde. Die Wahrheiten der bereits veröffentlichten Missbrauchsgutachten sind alles andere als schön, aber es führt nichts an dieser Schonungslosigkeit vorbei. 

Ist der Syno­dale Weg angesichts all dessen, was da zutage gekommen ist, wirklich noch das richtige Mittel, um auf die Krise zu antworten? 

Bätzing: „Ja, davon bin ich überzeugt. Dort diskutieren wir die Fragestellungen zu den systemischen Ursachen und suchen zusammen nach Antworten. Alle Aufarbeitungsgutachten, so auch das Münchner, zeigen uns, dass im System die Gründe liegen.“

Stetter-Karp: „Ich verstehe die dramatische Lage so, dass es umso mehr notwendig ist, gemeinsam einen Weg zu suchen. Ich bin überzeugt, dass wir diesen Weg gehen können. Selbstverständlich brauchen wir dazu auch die notwendigen formalen Beschlüsse. Ich glaube schon, dass wir das können. Aber mir stellt sich auch neu die Frage, ob wir bei der ganzen Aufarbeitung nicht doch die Unterstützung Dritter brauchen. Ich denke etwa an den Bundestag.“

Eine Erkenntnis des Gutachtens ist, dass die Bischöfe über Jahrzehnte ihre Aufgabe als Aufseher, Richter und Personal-­Verantwortliche nicht wirklich wahrgenommen haben. Muss die Synodalversammlung auch das Problem der fehlenden Verantwortungsübernahme anpacken? 

Bätzing: „Das Syno­dalforum „Macht und Gewaltenteilung“ setzt da genau an der richtigen Stelle an und formuliert Handlungsempfehlungen. Zweifelsohne bedarf es Kontrolle, Transparenz und Verantwortung, die sich auch in Strukturen abbilden. Das muss die Zukunft sein. Deshalb haben wir Bischöfe uns bereits einstimmig für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgesprochen und eine Disziplinar­ordnung in Rom vorgelegt. Denn es muss konkret werden.“

Der Syno­dale Weg produziert viele Papiere. Dabei tut sich ein Dilemma auf: Sind die Dokumente zu theologisch formuliert, heißt es: Versteht kein Mensch. Sind sie allgemeinverständlich, heißt es: Das berücksichtigt nicht alle theologischen Argumente. Was tun? 

Stetter-Karp: „Eine hohe theologische Qualität ist für eine Akzeptanz der Texte, etwa im Vatikan, eine entscheidende Vo­raussetzung. Es braucht diese Fachlichkeit, um ernst genommen zu werden. Aber natürlich haben wir auch ganz andere Zielgruppen, für die wir ebenfalls verständlich sein müssen. Deshalb brauchen wir gleichermaßen Kurzfassungen der Texte wie auch Übersetzungen. Nicht nur in internationale Sprachen, sondern auch in ein Deutsch, das ohne theologische Vorbildung gut zu verstehen ist.“ 

In der kommenden Synodal­versammlung wird es gemäß der Satzung erstmals Abstimmungen mit gesonderten Bischofsvoten geben. Was passiert, wenn genügend Bischöfe gegen ein Papier stimmen – und es damit scheitert? 

Bätzing: „Uns Bischöfen allesamt ist die besondere Verantwortung bewusst, die wir haben. Auch für ein Gelingen dieses Syno­dalen Weges. Bei unserer kommenden Frühjahrsvollversammlung werden wir zwei Drittel der Zeit der Befassung mit den vorliegenden Texten widmen. Gleiches ist für den Herbst geplant. Der Ernst der Lage ist allen sehr deutlich.“

Wie viele von den Bischöfen mit Sperrminorität gekippte Abstimmungen hält der Syno­dale Weg denn aus? 

Stetter-Karp: „Ich bin keine Freundin davon, beim Gehen schon die Grenzen des Weges zu markieren. Ich habe das Zutrauen, dass wir gemeinsame Beschlüsse finden. Und wenn wir in eine kritische Situation kommen, müssen wir so gelassen sein, das anzunehmen. Das liegt in der Natur eines demokratischen Konstruktes – auch im Bundestag scheitern Beschlüsse.“

Sprechen Sie sich eigentlich so ein bisschen im Sinne „Good Cop / Bad Cop“ ab? Frau Stetter-­Karp, bei Ihnen kommt Unmut mitunter weniger durch die Blume – braucht es zuweilen auch mal eine deutlichere Ansprache? 

Stetter-Karp: „Ich bin noch nicht lange im Amt, aber ich versuche, mich als Person nicht zu verstellen. Klarheit und Authentizität, das gehört durchaus zu mir. Wir sind in keiner einfachen Situation, deshalb muss manchmal Klartext geredet werden.“

Das hat aber den Nachteil, dass man damit in Rom nicht unbedingt offene Türen findet. Wie sieht es denn da aus: Gibt es endlich einen Termin, an dem sie beide im Vatikan vorsprechen dürfen – oder zeigt man Ihnen dort weiter die kalte Schulter?  

Bätzing: „Kalte Schulter trifft nicht zu. Ich habe unlängst mit Papst Franziskus über den Syno­dalen Weg gesprochen, auch mit wichtigen Leuten im Vatikan. Mein Austausch mit Kardinal Mario Grech, dem Leiter des Weltsynodensekretariates, ist sehr intensiv. Tatsächlich gibt es noch keine Einladung des Präsidiums nach Rom. Aber wir werden eine Schnittstelle finden, die den Syno­dalen Weg in Deutschland mit dem der Weltkirche verbindet. Ich habe in den vergangenen Monaten wirklich viele Gespräche geführt, nicht nur in Rom. Etwa mit den Vorsitzenden der Polnischen, der Französischen und der Schweizer Bischofskonferenzen. Überall war der Syno­dale Weg Hauptthema.“

Was sagen Sie Menschen, die es für völlig verantwortungslos halten – angesichts der aktuellen Pandemielage – die Synodalversammlung in Präsenz abzuhalten?  

Bätzing: „Es ist eine Frage der Abwägung und wir haben uns im erweiterten Präsidium dafür entschieden. Selbstverständlich halten wir alle staatlichen Vorgaben ein. Die Rückläufe zeigen: Der allergrößte Teil möchte das – 208 Syno­dale haben sich für eine physische Teilnahme in Frankfurt angemeldet. Der Wert des Zusammenkommens gerade jetzt, wo wir auch Endabstimmungen haben, ist natürlich nicht zu unterschätzen. Aber auch, wer nicht in Frankfurt zugegen ist, kann natürlich virtuell an den Abstimmungen teilnehmen.“

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