05.05.2017

Tod einer Beziehung

Foto: dpa

Bei Attentaten sind es oft das Ausmaß oder die Auswahl der Opfer, die einen fassungslos machen. Beim Anschlag auf den BVB-Bus allerdings verschlug einem wohl am ehesten das Motiv des mutmaßlichen Täters die Sprache. Soweit bekannt, hat Sergej W. versucht, ein Aktiengeschäft erfolgreich abzuschließen, indem er drei Bomben am Weg des Dortmunder Mannschaftsbusses hochgehen ließ und hoffte, damit den Börsenkurs des Vereines zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Habgier, so sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, damit sei der Mordparagraf voll erfüllt.

von Claudia Auffenberg

Woher kommt das Entsetzen ausgerechnet über dieses Motiv? Was ist so schlimm an Habgier? Der Wunsch, etwas besitzen zu wollen, treibt doch jeden von uns an, letztlich ist das ein wichtiger Faktor des Wirtschaftssystems. Womöglich war es der Trainer von Eintracht Frankfurt, der Katholik Niko Kovacˇ, der die tiefsitzende Ahnung vom Bösen, das uns hier allen lauert, benannte und dafür einen theologischen Begriff nutzte: „Gier ist eine Todsünde“, sagte er, „in unserer Gesellschaft ist das immer weiter, immer schneller, immer höher weit verbreitet. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.“

Todsünde – ein Wort, das donnert und zugleich irritiert. Wieso ist Gier eine Todsünde und nicht der Anschlag selbst? Wieso sind Zorn, Wollust, Geiz, Neid, Völlerei und Trägheit Todsünden und nicht etwa Lüge oder Betrug oder Mord? Und um wessen Tod geht es eigentlich?

Einer, in dessen Ressort die Todsünde gewissermaßen fällt, ist der Paderborner Moraltheologe Prof. Peter Schallenberg. Er erläutert: „Todsünden bezeichnen Haltungen, nicht Verhalten. Es geht immer um die Motivation, die hinter einem kapitalen Verbrechen steht.“ Anders formuliert: Es geht nicht um die Tat, die schlechte Haltung allein ist schon von Übel. Auf dieses Denken trifft man schon in der Bibel. Die letzten beiden der zehn Gebote thematisieren das Begehren, vor dem man sich hüten soll. In der Bergpredigt bekräftigt Jesus dies: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. [] Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen.“ Das klingt streng, aber es zeigt doch, dass es Jesus ernst ist, weil es um eine existenzielle Angelegenheit geht: um die Beziehung zu Gott. Denn ihr genau droht der Tod. Die Todsünden sind Haltungen, die vom Leben, von der Liebe und von Gott wegführen.

Deswegen sind sie auch „die einzigen Sünden, die man beichten muss“, so Schallenberg. Zur Bewertung eines Verbrechens müsse man heute natürlich auch die Psychologie und Psychiatrie hinzufügen, etwa von „krankhaften Veranlagungen wussten die mittelalterlichen Theologen noch nichts“. Dennoch bleibe jeder aufgerufen, so wie es auch Fußballtrainer Kovacˇ fordert, über das nachzudenken, was einen antreibt. Von „innerer Disziplin“ spricht Schallenberg und empfiehlt, jeden Abend kurz über den Tag nachzudenken, darüber, was „mich antreibt oder einengt, in welchem zwielichtigen Wasser“ man womöglich he­rumwatet, sich also, wie er es formuliert: dem Blick Gottes auszusetzen.

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