26.05.2017

Unbekannte Berühmtheit

Joachim Neander. Foto: wikicommons

Im Lutherjahr kann man ja auch mal auf evangelische Persönlichkeiten schauen: Menschen, die nicht heiliggesprochen sind, aber immerhin doch – wenigstens offiziell – einen Gedenktag haben. Für den 31. Mai steht im ökumenischen (!) Heiligenkalender ein jung gestorbener pietistischer Lieddichter aus Bremen, dessen Namen alle kennen.

Der Grund dafür aber ist nun eine besondere Skurrilität der Geschichte. Man kennt ihn nicht in seiner Funktion als Lieddichter, obwohl er einen der „Schlager“ des Gotteslobes überhaupt getextet hat: „Lobe den Herren“, früher Nr. 258, heute Nr. 392. Aber das weiß kaum jemand. Seine Berühmtheit hat er jenem Menschen zu verdanken, der vor etwa 30 000 Jahren oder länger in der Nähe von Düsseldorf starb und dessen Leichnam dort wie auch immer zu liegen kam. Die Rede ist zum einen vom Neandertaler, zum anderen von Joachim Neander, der eigentlich Neumann hieß, aber aufgrund einer Mode seiner Zeit seinen Namen griechisch aufhübschte. Gräzisierung nennt man das.

Joachim Neander also wurde 1650 in Bremen in eine Lehrerfamilie geboren. In diesem akademischen Milieu sucht auch er sein Glück. Er studierte Theologie und besuchte irgendwann aus Neugier einen Gottesdienst des pietistischen Predigers Theodor Undereyck. Der Pietismus entsprang dem Trauma des 30-jährigen Krieges, der Suche nach Sinn, nach Halt, nach Frömmigkeit und ist gewissermaßen eine Reform der Reformation. Der Gottesdienst in seiner besonderen Art ergriff den jungen Joachim Neander, er wurde ein Schüler Undereycks. Über mehrere Stationen kam er im Mai 1674 als Rektor an die reformierte Lateinschule nach Düsseldorf. Es kam schon bald zum Zerwürfnis mit dem Presbyterium, denn Neander förderte Hauskreise, die sogenannten Konvertikel. Heute setzt man – auch katholischerseits – auf diese Idee große Hoffnungen, damals schien die Sache noch verdächtig. Heimliche Zusammenkünfte organisiere er, hieß es und verbot es ihm. Er fügte sich, aber das Vertrauensverhältnis war zerstört, Neander wechselte Pfingsten 1679 zurück in seine Heimatstadt Bremen. Nur ein Jahr später, am 31. Mai 1680, starb er – mit 30 Jahren.

Was hat er nun mit dem Neandertaler zu tun? Gar nichts, er wusste nicht einmal irgendetwas von ihm, aber um 1800 benannte man ein Tal zwischen Mettmann und Erkrath nach ihm, weil er, dessen Lieder nun inzwischen ziemlich populär geworden waren, in seiner Düsseldorfer Zeit dort regelmäßig spazieren gegangen war. Ob er dort das eine oder andere Lied gedichtet hat? Man weiß es nicht. In diesem Neandertal wurden jedenfalls 1856 Überreste gefunden, die zu einem Vorläufer des Homo sapiens gehören.

Ach, wenn sich Neander und der Neandertaler einmal begegnet wären: Was hätten der junge, irgendwie naturbewegte, schwärmerische und zugleich suchende Dichter und der Homo neanderthalensis, der sein Leben als Jäger und Sammler verbrachte, ei­nander zu sagen?

 

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