Und wieder heißt es: Netze raus!
Markus Freckmann, Dr.Annegret Meyer und Stephan Lange (v.l.) aus verschiedenen Abteilungen des Generalvikariates bilden das neue Leitungsteam des Prozesses „Diözesaner Weg 2030+“. Foto: Auffenberg
Erzbistum (-berg). Die Kirche denkt in Jahrhunderten, heißt es gemeinhin, das Erzbistum Paderborn macht es etwas kleiner und denkt in Jahrzehnten. 2004, damals war Erzbischof Hans-Josef Becker gerade ein Jahr im Amt und hatte sich zwölf Monate lang im Erzbistum umgehört, wurde die „Perspektive 2014“ veröffentlicht, ein pastorales Arbeitsprogramm für die damals nächsten zehn Jahre. 2014 gab es das Zukunftsbild, heute lautet das Zielgebiet 2030. Wie sieht das Erzbistum dann aus? Wie kann und soll es aussehen? Und was ist bis dahin zu tun? Gefragt ist vor allem Realismus.
2030, das klingt weit weg, aber es ist jetzt schon wieder Juni, das Jahr 2021 halb rum. Also: So weit ist das gar nicht mehr. Einen überschaubaren Zeitraum nennen die drei das, die diesen Prozess mit dem Namen „Diözesaner Weg 2030+“ seit Kurzem steuern: Dr. Annegret Meyer, Markus Freckmann und Stephan Lange. Überschaubar, weil viele jenes Jahr noch erleben werden, man wird also die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen noch spüren, das motiviert womöglich. Aber diese Entscheidungen müssen jetzt auch getroffen werden. Es geht darum, so sagt Annegret Meyer, den Kairos, den richtigen Moment, nicht zu verpassen: „Wir müssen eine Idee davon bekommen, wie wir in zehn Jahren realistisch und attraktiv Kirche sein können.“ Was ist dann und bis dahin wesentlich? Wird die Vergangenheit sehenden Auges zementiert und damit womöglich die Zukunft belastet oder gibt es den Mut, nach vorn zu blicken? Stephan Lange macht es konkret: „Werden die noch vorhandenen Ressourcen jetzt in Immobilien investiert, die in zehn Jahren nicht mehr gebraucht werden?“
Nicht nur der Zeitraum, auch die Themen, um die es geht, sollen überschaubar sein, damit es konkret bleiben kann: An sieben Schlüsselthemen arbeiten seit dem digitalen Diözesantag im vergangenen November haupt- und ehrenamtlich besetzte Arbeitsgruppen (siehe Kästen), zu denen es jeweils digitale Mitmachformate gab. Im Oktober wird es ein Diözesanes Forum geben, um dort die Fragen in großer Runde zu beraten. Welches Format Corona zulässt, ist derzeit noch offen. Stattfinden soll es auf jeden Fall.
Wenn die Pandemie eins gelehrt hat, dann, dass die Zukunft nur bedingt planbar ist. Zu den Fakten, die aber aus heutiger Sicht für das Jahr 2030 als sicher gelten können, ist, dass Erzbischof Becker nicht mehr im Amt sein wird. Seine Amtszeit endet nach Lage der Dinge 2023. „Wir wollen aber jetzt nicht zwei Jahre nichts tun“, so Markus Freckmann, „sondern die Dinge angehen, sodass ein neuer Erzbischof eine gute Entscheidungsgrundlage hat.“ Die Fragen seien zudem so grundsätzlich, damit werde man sich auch 2030 und danach noch beschäftigen. Erzbischof Becker hatte beim Diözesantag im vergangenen November betont, er wolle das Erzbistum gut vorbereitet seinem Nachfolger übergeben.
20 Jahre wird Becker dann Erzbischof von Paderborn gewesen sein, 20 Jahre, in denen sich das Erzbistum mit diesen Themen in diversen Prozessen befasst hat. Aber jetzt, zum Ende dieser Jahre, fordert die Realität Veränderungen dringender ein. Die Krise der Kirche hat Ausmaße angenommen, die damals, als Becker 2004 in der Katholischen Akademie in Schwerte die „Perspektive 2014“ vorstellte, noch nicht absehbar waren. Dass es mit der Kirche nicht aufwärts geht, war klar: der demografische Wandel, weniger Priester, weniger Taufen, weniger Gottesdienstbesucher, weniger Kirchensteuern. Doch von Austritten, gar Austrittswellen und einem dramatischen Vertrauensverlust war noch nicht die Rede. Beckers bischöflicher Wahlspruch lautet: „In verbo autem tuo“. Auf dein Wort hin werfen wir die Netze noch einmal aus. Und der wird, so scheint es, immer richtiger.