03.02.2017

Verfolgung eines Kritikers

Der Kirchveischeder Pfarrer Anton Ebers wurde wegen seiner Kritik am NS-Regime 1935 zu Gefängnis verurteilt.

Lennestadt-Kirchveischede. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 begann das NS-Regime sofort damit, missliebige Kritiker auszuschalten und rechtsstaatliche Strukturen zu beseitigen. Das bekamen auch viele Pfarrer und Kirchengemeinden zu spüren. In Kirchveischede wurde der damalige Pfarrer, Anton Ebers, wegen seiner Kritik an dem Regime 1935 vor Gericht zitiert und verurteilt. Den Ablauf des damaligen Verfahrens hat der Hobby-Heimatforscher Ulrich Rauchheld aus Bilstein erstmals erforscht.

von Ulrich Rauchheld

Wie schamlos und brutal das NS-Regime mit Kritikern umging, zeigt der Prozess gegen Anton Ebers, von 1930 bis 1937 Pfarrer in Kirchveischede, am 22. November 1935 vor dem Sondergericht Dortmund des Oberlandesgerichtsbezirkes, im Amtsgericht Olpe. Dem 1879 in Kloster Brunnen geborenen Pfarrer, wurde ein Verstoß gegen das „Heimtückegesetz“ vorgeworfen. Durch kritische Äußerungen im privaten Kreis sowie von der Kanzel – so der Vorwurf – soll er das Vertrauen in die politische Führung der Reichsregierung untergraben haben, indem er die von ihnen geschaffenen Einrichtungen „verächtlich“ machte.

Als Zeugen traten der Ortsgruppenleiter und Tabakfabrikant Franz Brill, der Lehrer Müller, die Lehrerin Poggel, Fräulein Müller und Fräulein Kaufmann auf und belasteten den Pfarrer in verschiedenster Weise. Ebers habe bei jeder Gelegenheit versucht, die Partei schlecht zu machen, hieß es. Böses Blut habe er in die Gemeinde gebracht, vor allem „durch die Herabwürdigung der Feiertage der nationalen Arbeit, der Saarfeier und des Heldengedenktages“.

Das politische Erbe Hindenburgs sei gefälscht, habe er gesagt, da nicht von Papen sondern Adolf Hitler Reichskanzler geworden sei. Durch ständige kritische Predigten soll Pfarrer Ebers die Parteiorganisationen HJ und Jungvolk geschwächt haben. So hätten diese nur noch wenige Mitglieder, klagen die Zeugen. Auf diese Weise sei die Arbeit von Lehrer Müller zunichte gemacht worden. Lehrer Mül-ler berichtete weiter: Er habe in mehreren Gesprächen versucht, Ebers davon abzubringen, mit scharfer Zunge von der Kanzel herunter zu predigen, „doch vergeblich“. Auch die Arbeit der NS-Frauenschaft sei ganz zum Erliegen gekommen. Pfarrer Ebers bestritt die Anschuldigungen. Nur gegen das Neuheidentum habe er gekämpft und gepredigt, so seine Verteidigung.

Küster Epe II dagegen sagte, dass es Ebers Wunsch gewesen sei, dass alle Kirchveischeder in die SA eintreten. Dies habe er ihm in einem Gespräch mitgeteilt. Staatsanwalt Wiebecke erklärte nach Schluss der Beweisaufnahme seinen Strafantrag. Aus dem Munde der Zeugen habe er gehört, in welchen Zwiespalt der Angeklagte seine Gemeindemitglieder gebracht habe. Er habe immer wieder versucht, die NS-Verbände in Misskredit zu bringen. So habe er am Heldengedenktag verhindern wollen, dass das Horst-Wessel-Lied gesungen werde. Am 1. Mai soll Ebers vor dem Festzug fortgelaufen sein, um die Fahnen der Partei nicht grüßen zu müssen. Stattdessen habe er von der Kanzel erklärt: „Wir wollen den Tag in der Stille unseres Herzens feiern und haben keine Veranlassung, himmelhoch zu jauchzen.“

Verteidiger Schürholz aus Olpe führte aus, der Angeklagte habe sich wiederholt für die nationalen Verbände und für den Staat, für die Reichsregierung und für den Führer ausgesprochen. Die Aussagen verschiedener Zeugen seien als persönliche Werturteile zu bewerten. Die Behauptung von einer Fälschung des politischen Erbes Hindenburgs hätten ausländische Zeitungen geschrieben und Ebers habe dies nur wiedergegeben. Gegen den Zeugen Müller beständen schwerste Bedenken bezüglich seiner Glaubwürdigkeit.

In den frühen Abendstunden verkündete der Vorsitzende des Sondergerichtes, Landesgerichtsdirektor Eckhardt, das Urteil. Er folgte in fast allem dem Staatsanwalt und verurteilte Pfarrer Anton Ebers zu sieben Monaten Gefängnis. Am 16. Dezember 1935 trat dieser in Hagen seine Haftstrafe an, aus der er am 16. Juli 1936 entlassen wurde. Nach einem Urlaub kehrte er im August 1936 nach Kirchveischede zurück. In der Zeit seiner Abwesenheit wurde er von ­Kaplan Josef Tempel aus Oes­treich vertreten.

Wer geglaubt hatte, Ebers hätte jetzt Ruhe vor dem NS-Regime, sah sich getäuscht. Er stand weiter unter Beobachtung. Sicher aus diesem Grund stellte er ein Versetzungsgesuch beim Erzbistum. Dieses wurde gewährt und so verließ er sein „geliebtes Kirchveischede“ und wurde Pfarrer in Welver. Seinen Ruhestand verbrachte er in Bonenburg im damaligen Kreis Warburg. Er starb am 22. März 1953.

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