Vorübergehend vergessen
Niels Stensen auf einem Altarbild im Paderborner Dom. Foto: Ansgar Hoffmann / Erzbistum Paderborn, Fachstelle Kunst
Mediziner von europäischem Ruf und Weihbischof in Paderborn – diese Kombination dürfte es in der Geschichte nicht allzuoft gegeben haben. Der, von dem man das sagen kann, ist Niels Stensen, den die Kirche von Paderborn am 25. November feiert.
Wenn man sich ein wenig mit seiner Biographie befasst, dann wird einem mal wieder deutlich, dass vieles heute zum Glück anders ist als früher, manches sich jedoch nie ändert.
Stensen wurde im Januar 1638 in Kopenhagen geboren und lutherisch getauft. Er studierte zunächst Medizin und Anatomie, sprach acht Sprachen und interessierte sich zudem für Gesteinskunde und Paläontologie, also die Erforschung von Fossilien. In der Medizin spricht man bis heute vom Ductus stenonianus, dem Gang zwischen Ohrspeicheldrüse und Mundhöhle, den er als erster beschrieben hat. 1666 wurde er Leibarzt bei den Medicis in Florenz. Hier beschäftigte er sich zunehmend mit theologischen Fragen und konvertierte 1667 zum katholischen Glauben. Ein paar Jahre später kehrte er nach Kopenhagen zurück, sein Konfessionswechsel war hier noch kein Problem.
Bald ging es wieder nach Florenz, wo er 1675 die Priesterweihe empfing. Zwei Jahre später wurde er in Rom zum Bischof geweiht und auf Vorschlag des katholischen Hannoveraner Herzogs zum Apostolischen Vikar für die Missionen in Skandinavien ernannt – mit Sitz in Hannover. Der Herzog starb 1679, sein Bruder erbte das Kurfürstentum. Der war nun allerdings evangelisch und jetzt war die Konfession ein Problem. Stensen konnte nicht bleiben und kam gewissermaßen als Glaubensflüchtling nach Paderborn, wo er für drei Jahre als Weihbischof wirkte. Wie die Historiker Hans Jürgen Brandt und Karl Hengst in ihrer Bistumsgeschichte beschreiben, gehörte zu seinen ersten Amtshandlungen „die öffentliche Degradierung des Buker Pastors Johann Georg Amelunxen. Dieser hatte, wie es heißt, mit ledigen Frauen vier Kinder gezeugt und letztere nach der Taufe umgebracht.“ Öffentliche Degradierung meint: Vor der Hinrichtung nahm ihm Stensen die geistlichen Gewänder ab.
Er war also ein strenger Mann und erwartete auch von seinen Mitbrüdern ein korrektes Leben. Diese Konsequenz kostete ihn bald das Amt: 1683 starb „sein“ Erzbischof Ferdinand von Fürstenberg und vor der Wahl sollte Stensen ein Hochamt zelebrieren. Doch er lehnte ab, denn es waren Bestechungsversuche bekannt geworden. Stensen verließ die Stadt, ging nach Hamburg und später nach Schwerin, wo er sich als einfacher Geistlicher um eine kleine Gemeinde kümmerte. Dort starb er verarmt und entkräftet mit nur 48 Jahren. Elf Jahre hatte er als Priester gewirkt.
Die wenigen Zeichnungen und Bilder aus dieser Zeit zeigen einen schmächtigen, besorgt schauenden und etwas ungekämmten Mann, einen Intellektuellen eben, dem die Sache wichtiger ist als die eigene Person. Dennoch oder deswegen hat er offenbar Weggefährten nachhaltig beeindruckt: Beerdigt wurde er in Florenz, die Medici ließen seinen Leichnam holen. 1988 wurde er seliggesprochen, nachdem man ihn quasi wiederentdeckt hatte. Inzwischen gibt es ein paar Gemeinden unter seinem Patronat und – das wäre ihm womöglich auch recht – im Raum Osnabrück trägt eine Krankenhaus GmbH seinen Namen.
Claudia Auffenberg