Was diese Glocke so besonders macht
Endlich wieder komplett: Auch Dombaumeister Björn Kastrup freut sich über die Glocke für die Bartholomäuskapelle. Foto: Schmid
Paderborn. Neu und doch alt ist die Glocke, die jetzt auf dem Dach der Paderborner Bartholomäuskapelle montiert wurde. Im Sommer 2018 wurde sie in mittelalterlicher Tradition gegossen. Nach der Weihe durch den damaligen Weihbischof Hubert Berenbrinker im Sommer 2019 erklingt sie jetzt an ihrem Bestimmungsort.
Seit 300 Jahren keine Glocke
Die Bartholomäuskapelle ist eine Besonderheit in Paderborn. Das über 1 000 Jahre alte Kleinod ist die älteste Hallenkirche nördlich der Alpen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie im Gegensatz zum Dom bei den Bombenangriffen nur wenig in Mitleidenschaft gezogen. Trotzdem fehlte ihr bereits seit rund 300 Jahren eine Glocke.
Selbst in alten Kupferstichen wird die Kapelle ohne Glocke dargestellt, obwohl der kleine Turm auf dem Dach nur diese Funktion haben kann. Man vermutet, dass die ursprüngliche Glocke der Bartholomäuskapelle mit dem Auszug der Jesuiten aus Paderborn entfernt wurde.
Paderborner Gemeinschaftswerk
Dr. Gerhard Best, einer der beiden Glockensachverständigen im Erzbistum Paderborn regte anlässlich des 1 000- jährigen Bestehens des kleinen Gotteshauses an, diese klangliche Lücke wieder zu schließen. Er hatte die Idee, eine Glocke einzubauen, die nach Methoden gefertigt wird, wie sie zur Zeit der Erbauung der Bartholomäus kapelle möglich waren. „Aus dieser Idee entstand ein Paderborner Gemeinschaftswerk“, fasst es Dom propst Monsignore Joachim Göbel zusammen. Finanziert wurde es von einem Spender, der anonym bleiben möchte.
Für den Guss konnte Dr. Bastian Asmus aus Südbaden verpflichtet werden. Er ist Archäologe, Spezialist für Archeometallurgie und Kunstgießer. Die große Menge Bienenwachs für den Bau der Gussform aus Ton beschaffte Bürgermeister Michael Dreier mit Unterstützung durch den Imkerverein Paderborn und die Schüler der Friedrich-von-Spee- Gesamtschule. Holzkohle zum Anschüren des Schmelzofens steuerten die Paderborner Köhler bei.
Schützen halten Brandwache
Schließlich hielt die Maspernkompanie der Paderborner Schützen Brandwache, damit der Ofen, aufgebaut im Atrium des Abdinghofklosters, Schmelztemperatur erreichen konnte. Die neue Glocke, die gerade einmal 45 Kilogramm wiegt, entspricht dem Vorbild einer romanischen Bienenkorbglocke. Der Guss muss laut Dr. Asmus so gelingen, dass die Glocke danach ohne umfangreiche Oberflächenbearbeitung klingt.
Nicht nur die Glocke selbst, sondern auch deren Aufhängung ist historisch korrekt. Das Joch ist als mittelalterlicher „Glockenkamm“ aus einem Stück Eichenbrett gefertigt. Schließlich gab es vor 1 000 Jahren noch keinen Leim. Dagegen schafft der Antrieb der Glocke eine deutliche Verbindung zur Moderne. Aus technischen Gründen entschied man sich gegen eine mechanische Betätigung per Seilzug. Da ein herkömmliches Läutwerk mit Kettenantrieb keinen Platz hatte, ist nun ein Linearmotor im Einsatz, der die Glocke berührungslos durch einen Magneten antreibt.
Mindestens einmal täglich läuten
Bastian Asmus hat als Kunstgießer schon eine ganze Reihe Glocken in mittelalterlicher Handwerkskunst gegossen. Viele seiner Werkstücke landeten in Museen – nicht so in Paderborn: Laut Dom propst Göbel soll die Glocke mindestens einmal am Tag läuten, nicht nur zu liturgischen Anlässen. Eine Möglichkeit, so Göbel, wäre ein Nachtläuten um 20.00 Uhr: „Eine Zeit, zu der viele klösterliche Gemeinschaften die abendliche Komplet beten.“ Zwar ist die Glocke, die in der Tonart d3 erklingt, nicht laut im Vergleich zu den anderen Geläuten in Paderborn, doch sei ihr „fröhlicher Klang“, wie ihn Dom propst Göbel beschreibt, „einzigartig“.