„Weihnachten ist wichtiger als Corona“
Streit in der Familie ist an Weihnachten keine Seltenheit. Gerade jetzt, wo polarisierende Themen, wie Corona und eine Impfpflicht, in der Gesellschaft diskutiert werden, gibt es zusätzliches Konfliktpotenzial. Prof. Dr. Christoph Jacobs von der theologischen Fakultät Paderborn gibt Tipps für ein friedliches Miteinander.
Muss das sein? Wortgefechte unterm Christbaum, böse Blicke beim Weihnachtsessen, Sticheleien innerhalb der Familie. Wenigstens einmal im Jahr könnten sich doch alle vertragen – die Kinder, der Partner, die Eltern und Großeltern. So sehr sich alle ein harmonisches Weihnachtsfest in Eintracht bei Kerzenschein wünschen, die Realität sieht oftmals anders aus: „Gerade wenn die Erwartungen an das Weihnachtsfest in der Familie so groß sind, werden sie oft enttäuscht. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns im Alltag häufig zu wenig Zeit füreinander und zum Reden miteinander nehmen, dann erhebt sich zu Weihnachten der Anspruch, dass es anders sein muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Wunsch dann in Erfüllung geht, ist jedoch nicht sehr hoch; schließlich haben wir es zuvor nicht ausreichend eingeübt“, sagt der Theologe, Pastoralpsychologe und Gesundheitswissenschaftler, Prof. Dr. Christoph Jacobs, von der Theologischen Fakultät in Paderborn.
Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie vielfach Spuren im Familienleben hinterlassen hat und die Gefahr in sich birgt, zusätzliches Konfliktpotenzial freizusetzen. Vor allem dann, wenn es um die Frage einer generellen Impfpflicht geht oder um die Frage: Mit wem darf und möchte ich mich mit Blick auf die gültigen Corona-Regelungen treffen?
Auf eine gemeinsame Basis kommt es an
Gibt es also Strategien, um entstehende Dispute zu vermeiden oder zu entschärfen? „Ja, die gibt es“, sagt Prof. Jacobs. Es brauche eine gefühlsmäßige Gelassenheit – gepaart mit einer rationalen Handlungsstrategie, um sich in die Gefühle der anderen hineinzuversetzen und deren Motivation zu verstehen. Es sei die Aufgabe der Kommunikation, dem Gegenüber wertschätzend zu begegnen. So werde es häufig möglich, die manchmal völlig entgegengesetzten Argumente zu verstehen: „Wenn es dann doch zu einem Konflikt in Familien und Beziehungen kommt, geht es nicht darum, Recht zu behalten. Es geht darum, in der Beziehung zu bleiben. Suchen Sie also nach einer gemeinsamen Basis, die tiefer geht als das, was einander trennt: z. B. die wertvolle gemeinsame Lebenszeit, gemeinsame Ideale, auch der gemeinsame Glaube. Das ist eine große Herausforderung, die sehr viel mit Weihnachten zu tun hat. Jesus ist Mensch geworden, um den großen Graben zwischen Gott und dem Menschen zu überwinden. Wir sind dazu eingeladen, auch unsere Differenzen zu überwinden. Ich glaube, die Corona-Pandemie könnte eine große Lernhilfe für uns sein, indem wir lernen, was wirklich wichtig ist“, sagt Prof. Jacobs.
Was ist wirklich wichtig? Weihnachten oder Corona?
Doch was ist wirklich wichtig? Für Prof. Jacobs gibt es eine feste Regel, die wichtiger sei als alle anderen: „Weihnachten ist wichtiger als Corona! Wir müssen dieses große Thema relativieren. Das heißt: Wir sollten jetzt nur das entscheiden, was wir entscheiden müssen, um Weihnachten ordentlich feiern zu können. Und wir müssen darüber reden, wie wir Weihnachten feiern wollen. Alle anderen Entscheidungen, beispielsweise über die Impfpflicht, fällen wir jetzt bitte nicht, die gehören in die Zeit nach Weihnachten.“ Für Prof. Jacobs bedeutet das jedoch nicht, dass die Vorsichtsmaßnahmen zur Reduzierung der Corona-Infektionen nicht beachtet werden sollten: „Weihnachten ist wichtiger als eine Familienfeier. Wir müssen uns und die anderen schützen.“
Prof. Jacobs hat einen weiteren Tipp zur Vermeidung von Konflikten an den Feiertagen. „Wenn ich weiß, dass es zu einem Konflikt kommen kann, dann können wichtige Gesprächsthemen auch festgelegt oder schwierige bewusst vorher ausgeklammert werden. Weihnachten ist ein emotionales Fest, daher ist es wahrscheinlich, dass auch Emotionen angesprochen werden. Stärken Sie also Ihre emotionale Verbindung und verstärken Sie positive Gefühle! Lassen Sie die Menschen so, wie sie sind: als Menschenkinder und Gotteskinder. So geht Gott mit uns um!“
(Patrick Kleibold)
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