Werler Ministranten – Beten in Blau
Von Jung bis Alt: Während Jüngere oder Berufstätige primär am Wochenende dienen könnten, haben Senioren auch unter der Woche Zeit. So kann in der Basilika jeden Tag Messe gefeiert werden. (Fotos: Patrick Kleibold)
Grün an Wochentagen, Violett in der Fastenzeit und Rot an Feiertagen – so kennt man es aus dem Gottesdienst in der eigenen Gemeinde. Die Wallfahrtsbasilika in Werl setzt auf ein anderes Konzept und kleidet ihre Ministranten in einer eher selten zu sehenden Farbe.
Werl. In der Sakristei der Wallfahrtsbasilika in Werl herrscht an diesem Freitagabend ausgelassene Stimmung. Menschen unterhalten sich, hin und wieder erfüllt lautes Lachen den Raum. Es ist Messdienerstunde. Betritt man den Raum, fällt direkt auf: Etwas ist anders in dieser Wallfahrtsbasilika. Statt lauter Kindern in Gewändern mit traditionellen liturgischen Farben wuseln hier Menschen jedes Alters herum. Teenager neben Senioren. Und sie alle tragen Gewänder in der gleichen, eher ungewöhnlichen Farbe: Blau.
Unterbrochen werden die Gespräche von einem Mann mit freundlichem Gesicht und Brille. Pastor Stephan Mockenhaupt ruft die Ministranten dazu auf, sich für den Einzug aufzustellen. Ein organisiertes Durcheinander geht los. Es werden Leuchter und Weihrauchfässer geholt, die 16 Ministranten reihen sich in den Zug ein, bis alle an richtiger Position stehen. „Wir benutzen das Bild der Lokomotive“, erklärt Mockenhaupt. Der Weihrauch stellt die Lok dar, der Rest soll jeweils der Person vor sich folgen.
Blau ist die Farbe der Gottesmutter
Sieht man die 16 Messdiener in die Basilika einziehen, bietet sich einem ein ungewöhnliches Bild. Durch den Mittelgang ziehen die hellblauen Gewänder in Richtung Altar. Kinder und Jugendliche gehen wie selbstverständlich neben Erwachsenen und Senioren. Voraus führen Weihrauch, Kreuz und Leuchter. Vorm Altar angekommen, begeben sich die Messdiener in eine Reihe und knien sich hin. Zwei ältere Damen bleiben stehen und verneigen sich. Eine Kniebeuge ist körperlich zu schwer.
Das Blau der Gewänder spiegelt sich in den drei großen Kirchenfenstern über dem Altar wider. So auch in den Fenstern über der Orgel und in einem der Beichtstühle, dem modernsten unter den insgesamt 13. Das Blau überall hängt zusammen mit der „Trösterin der Betrübten“, der Frau, dessen Gnadenbild unübersehbar auf einem Sockel vor dem Altar steht: Maria.
„Die Farbe Blau ist die Farbe der Gottesmutter“, erklärt Pastor Mockenhaupt, zurück in der Sakristei. Sie sei eine Farbe des Himmels und des Meeres. Maria selbst werde auch oft als „Himmelskönigin“ bezeichnet. Blau stelle zudem ein Zeichen des Gottvertrauens dar. „Maria reicht uns als Schwester im Glauben die Hand, diesen Weg des Vertrauens gemeinsam zu gehen“, sagt Mockenhaupt überzeugt. Deswegen würden viele hierherkommen: um Trost, Hilfe und Kraft bei der Gottesmutter zu finden.
Werl ist der größte Marienwallfahrtsort im Erzbistum
Die Basilika in Werl ist im Erzbistum Paderborn bekanntlich der größte Marienwallfahrtsort. Bereits 1661 gelangte das Gnadenbild der Maria durch die Vermittlung des damaligen Kölner Kurfürsten Maximilian Heinrich und des Werler Bürgermeisters Hermann Brandis aus St. Maria in Soest nach Werl. Seither ist das Gnadenbild Marias noch immer der Grund für viele, dorthin zu pilgern. Und auch für die blauen Ministrantengewänder.
Die Idee von den Gewändern gibt es schon lange. Aus Erzählungen weiß Pastor Mockenhaupt, dass es hier früher bereits blaue Messdienergewänder gab. Als dann im Jahr 2019 das Erzbistum Paderborn die Marienwallfahrt wieder übernahm, stand fest: Es soll wieder blaue Messdienergewänder geben. Geschneidert werden sie von der Paramentenwerkstatt Gaida. Teurer als andere Gewänder seien sie nicht. „Man muss schauen, wer so was überhaupt herstellt“, sagt Mockenhaupt. Dann lege man auf die Qualität wert. Kriterien wie robust, knitterarm, waschbar und leicht seien Voraussetzungen. Verfügbar sind die Gewänder in den Größen von 114 cm bis 162 cm. Doch etwas wirklich Außergewöhnliches sind sie in Werl nicht.
„Blaue Ministrantengewänder sind hier ganz normal“, sagt Pastor Mockenhaupt. Getragen werden sie zu allen Marienmessen. Auf das Jahr gerechnet sind das ganz schön viele. Allein in der Wallfahrtszeit zwischen dem 1. Mai und dem 1. November findet jeden Mittwoch und Sonntag eine Wallfahrtsmesse statt. An diesen Tagen können einzelne Pilger zur Basilika kommen. Doch zu besonderen Anlässen pilgern auch ganze Gruppen zur Basilika. Neben den klassischen Marienwallfahrten gebe es hier viele weitere Formen von Wallfahrten wie beispielsweise Traktor-, Oldtimer-, Großeltern- und Fahrradwallfahrten. „Der Höhepunkt des Wallfahrtsjahres ist das Patronatsfest , Mariä Heimsuchung’ Anfang Juli“, erzählt Sebastian Schlünder, einer der Messdiener. Schlünder stammt, wie auch alle anderen Ministranten, aus einer Gemeinde von außerhalb.
All Ministranten kommen aus unterschiedlichen Gemeinden
Die Basilika in Werl ist keine Pfarrkirche, in der Kinder zur Erstkommunion gehen, die man später für den Ministrantendienst gewinnen kann. Aus diesem Grund setzt die Basilika auf Unterstützung von außerhalb. Das erklärt auch die große Altersspanne. „Viele kommen erst später in der Rente dazu. Manche sind Ehrenamtliche, manche machen den Dienst zum ersten Mal“, sagt Schlünder.
Einer der Älteren ist Wolfgang Wiemhöfer. Der 70 Jahre alte Mann ist seit Anfang 2020 in der Basilika ehrenamtlich tätig. Er schätzt es sehr, den Dienst am Altar ausführen zu dürfen. „Es ist ein unwahrscheinlich tolles Gefühl, dass ich hier dienen darf“, berichtet er. „Das ist jedes Mal ein Erlebnis, das viel Freude macht.“
Auch wenn 70 Jahre für einen Ministranten ein stolzes Alter sind – der älteste in der Runde ist er nicht. Auf die Frage, wer das übertreffe, ruft eine Frau mit weißem Haar und Brille: „Ich bin die Älteste!“ 74 Jahre alt sei sie – „noch“, betont sie. Monika Siegert ist eine der Frauen, die früher keine Messdienerin werden durften. Sie arbeitete zusammen mit Linda Finger, auch Ministrantin, ehrenamtlich im Pilgerbüro, als sie angesprochen wurden, ob sie in der Basilika dienen wollen. „Früher durfte man nicht“, sagt Siegert, „da haben wir jetzt die Gelegenheit ergriffen und gesagt: Dann machen wir das noch im hohen Alter.“ Die Gemeinschaft motiviert sie besonders. Gerade mit den Jüngeren seien sie ein gut eingespieltes Team. Zu den jüngeren gehört Paul Kaup. Der Zwölfjährige findet vor allem die blauen Gewänder schön. „Die passen zu meiner Brille“, sagt er und zeigt auf sein blaues Brillengestell.
Ein Dienst in der Liturgie
Pastor Mockenhaupt ist dankbar über die große Altersspanne. „Der Ministrantendienst ist nicht nur eine Aufgabe für Kinder und Jugendliche, sondern ein Dienst in der Liturgie, der allen Christinnen und Christen zusteht“, betont er. Die Unterschiede am Altar hätten zudem einen entscheidenden Vorteil. Während Jüngere oder Berufstätige hauptsächlich am Wochenende dienen könnten, hätten Senioren auch unter der Woche Zeit. Auf diese Weise könne in der Basilika jeden Tag Messe gefeiert werden. Komplizierter werde es allerdings, wenn es um die Aufgabe der Ministranten ginge. Alle Ministranten kämen aus unterschiedlichen Gemeinden. Da eine einheitliche Version für den Ablauf zu finden sei nicht leicht.
Die Wallfahrtskirche in Werl ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Ganz allein mit der Idee der blauen Messdienergewänder ist sie allerdings nicht. „An anderen großen Wallfahrtsorten, wie beispielsweise in Neviges, wird auch blau getragen“, weiß Pastor Mockenhaupt.
Mittlerweile ist es später geworden. Für die Jugendlichen steht jetzt noch eine Messdienerstunde an. Jeden Freitag treffen sie sich. Die Erwachsenen einmal im Monat. Die Messdienergewänder sind ausgezogen, die Erwachsenen in Aufbruchstimmung. „Wir üben jetzt noch mal Einzug, Evangelienzug und Auszug“, kündigt Mockenhaupt den Ablauf für die Jugendlichen an, damit dann in der Messe auch alles sitzt.
Text: Helena Mälck / Fotos: Patrick Kleibold
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