Wie – das Auge rausreißen?
Wie – das Auge rausreißen?
Der Weg zum Gut-Sein führt über das Gute, das wir tun.
von Michaela Labudda
Auweia, das heutige Evangelium muss man aber wirklich zweimal lesen und selbst dann möchte ich am liebsten „Moment mal!“ rufen. Hand und Fuß abhauen, Auge ausreißen? Das sollen die Aufforderungen zur Nachfolge Jesu sein? Ich schüttele den Kopf, das passt mit meinem Bild vom Glauben nicht zusammen. Irritierende Worte sind das, aber Irritation ermöglicht mir Auseinandersetzung. Mein Widerspruch lässt mich genauer hingucken und so hat es wohl der Evangelist auch bezweckt, als er diese Worte aufschrieb …
Da gibt es zunächst diesen „falschen“ Wunderheiler. Die Jünger empören sich, sie möchten ihm verbieten, in Jesu Namen Dämonen auszutreiben. Natürlich lese ich den Text mit meinen heutigen Augen und meinem heutigen Verständnis. Und doch fallen mir sofort Parallelen zu den Anfragen der Jünger ein. Auch heute wird viel Gutes getan, das der „Sache Jesu“ dient, ohne dass es unter dem Namen des Christentums verankert ist: Nachbarschaftshilfe, Zuhören, Sozialprojekte … Manch einem fällt es schwer, wenn andere Anbieter die ureigenen christlichen Dienste übernehmen und die Gesellschaft sich auch im sozialen Miteinander verselbstständigt. Die Kirchen sind nur noch ein Anbieter auf dem Markt der Möglichkeiten. Auch heute sollte es um die Sache gehen, nicht um die Zugehörigkeit. Und ist nicht auch „in der Sache Jesu“ unterwegs, wer sich ohne Glauben sozial engagiert? Vielen fällt das Umdenken schwer. Und warum sollte ich umgekehrt Menschen helfen, die nicht „zu uns“ gehören? Mir hilft der Satz eines Paters aus einem Partnerschaftsprojekt: „Nicht weil du katholisch bist, helfe ich dir, sondern weil ich katholisch bin.“
So hält es offenbar auch Jesus: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns!“
Und in den folgenden Ausführungen geht es im übertragenen Sinne darum zu verstehen: „Ich muss mich an die eigene Nase fassen!“ Immer wieder beantwortet Jesus in dem Text die Frage, was besser ist. Nicht allgemein, nicht aufs Ganze gesehen, sondern schlicht: „Besser für dich“. „Moment mal!“, denke ich erneut: Es soll besser für mich sein, verstümmelt zu sein?
Besser als …
Beim Weiterlesen fällt mir dann auf: Es geht tatsächlich nicht darum, dass etwas dieser Art gut sein soll. Es ist stets „besser … als“. Jesus macht deutlich, dass es auf die Alternative ankommt. Es ist offenbar besser, „in das Leben zu gelangen“, „in das Reich Gottes“ zu kommen, als „in die Hölle“, ins nicht erlöschende „Feuer“. So weit verstehe ich das gut. Aber dennoch: Hand abhacken?
Nach und nach wird mir klar: Offenbar ist radikales Handeln von mir verlangt. Der Text zeigt ganz einfache „Wenn-dann“-Regeln auf. Jeder Computerprogrammierer kennt die einfache „If-then-Regel“, auf die alle komplizierten Aktionen eines Computers zurückzuführen sind. Sie sind die Grundlage der Programmierung. Nicht anders ist es in der Nachfolge Jesu. In jeder kleinen Entscheidung für oder gegen das Böse soll ich mich radikal auf die Seite des Guten stellen, auch wenn es mir zunächst weh tut oder Nachteile bringt. Durch das radikale Bild des Abhackens wird dies besonders deutlich.
Also: Konsequenz ist gefordert im eigenen Handeln. Und: Ich selbst habe es in der Hand.
Und damit ist auch die Eingangsfrage beantwortet, die sich beim Auftauchen des Wundertäters am Anfang des Textes gestellt hat: Was ist eigentlich echte Nachfolge? Die Antwort steckt im starken Bild: Wenn ich mich entscheiden soll, so stets für das Gute, selbst wenn es mir zunächst etwas abverlangt. Aufs Ganze gesehen führt mich dies zu dem, was wesentlich ist: in das Leben!
Zur Autorin:
Michaela Labudda ist Wissenschaftliche Referentin an der Katholischen Hochschule Paderborn und Gemeindereferentin in St. Katharina Unna.