Wie eine Wurlitzer-­Orgel in die Kirche kam

Kirchenmusiker Gregor Schwarz ist glücklich, die Wurlitzer-­Orgel in die Heilig-Geist-­Kirche in Lemgo geholt zu haben. (Fotos: Kirchengemeinde Heilig Geist)

In der Heilig-Geist-­Kirche in Lemgo ist seit Pfingsten etwas ganz Besonderes zu hören: eine ­amerikanische Wurlitzer-­Orgel aus dem Jahr 1924. Früher begleitete sie Stummfilme, heute erklingt sie zur Ehre Gottes – als einzige der nur vier verbliebenen Wurlitzer-­Orgeln in Deutschland.

Lemgo. „Wunderbar, dass Sie den Mut haben, ein solch außergewöhnliches Instrument der Musica sacra zu widmen und zu weihen“, schreibt Weihbischof Matthias König in der Festschrift zur Orgelweihe, die er am Pfingstsonntag auch selbst vornahm. Auch abseits gottesdienstlicher Feiern könne diese Kirchenorgel Menschen ein Stück näher heranführen „an das, wovon sich so viele entfremdet haben, nämlich, dass Gott in Musik und Klang zu uns Menschen sprechen möchte und dass er Herzen derer anrühren kann durch die Musik, die sonst wenig Bezug zu ihm haben“, schreibt der Weihbischof. „Dass Ihre neue Wurlitzer-­Orgel dazu ein wirkliches Instrument ist, das wünsche ich Ihnen von Herzen.“

In der Heilig-Geist-­Kirche in Lemgo ist seit Pfingsten etwas ganz Besonderes zu hören: eine ­amerikanische Wurlitzer-­Orgel aus dem Jahr 1924

Einzigartigkeit der Kirchenorgel lockte die Menschen

Dass das zumindest in der Festwoche nach der Weihe gelungen ist, davon geht der Kirchenmusiker Gregor Schwarz aus. Zwischen 1.000 und 1.500 Menschen seien wohl bei den acht großen Veranstaltungen aus Anlass der Orgelweihe dabei gewesen, davon vier Gottesdienste und vier kulturelle Veranstaltungen. „Es war eine bunte Mischung von Menschen aus dem Pastoralverbund, aus der Stadt Lemgo und auch von weiter her, etwa aus Holland oder Hamburg. Das war schon ein Erfolg.“

Vor allem die Einzigartigkeit der Kirchenorgel lockte auch Menschen von weiter her an. Denn es ist eine Kino-­Orgel aus den USA, eine „­Wurlitzer ­Style D“ aus dem Jahr 1924, die in der Lemgoer Kirche eingebaut wurde. Diese Orgeln gaben früher Stummfilmen eine ganz besondere Klangkulisse, die die Lemgoer Orgel heute noch zu bieten hat. Das neue Instrument stammt aus einem Restaurant in Los Angeles. Dort entdeckte sie Gregor Schwarz bei einer Orgelbaufirma. Dank seiner persönlichen Affinität zu Orgeln und Stummfilmen hatte er die Idee, die Orgel in die Heilig-Geist-­Kirche nach Lemgo zu holen, wo es bisher nur elektronische Orgeln gab.

Die Wurlitzer-­Orgel sei schließlich eine vollwertige „seriöse“ Pfeifenorgel, sagt der Kirchenmusiker. Wenn auch mit einem amerikanisch-­romantischen Klang, und sie verfüge darüber hinaus über eine Reihe von Zusatzinstrumenten, die bei Stummfilmen zum Einsatz kamen, etwa Glockenspiel, Schlagzeug und Effekt­instrumente, die Pferdegetrappel, Meeresrauschen, Sirenen oder eine Autohupe imitieren können. „Letztendlich ist es eine normale Orgel, aber mit so viel mehr Möglichkeiten“, sagt Gregor Schwarz.

Neues Gehäuse gebaut

Seit 2015 bereitete Gregor Schwarz den Transfer der Orgel nach Lemgo vor. Zunächst erstellte er ein Konzept, in dem die Umsetzung, die Ideen zur zukünftigen Nutzung in den Gottesdiensten und darüber hi­naus schriftlich fixiert wurden. Mit diesem Konzept sei es gelungen, entscheidende Menschen zu überzeugen, berichtet er. „Ein großer Dank gilt hierbei dem verstorbenen Dechant Klaus Fussy, der dabei entscheidende Weichen gestellt hat.“

Corona und der Denkmalschutz sorgten für Verzögerungen. Zudem musste ein Pfeifenkasten entworfen werden, da es kein originales Orgelgehäuse gab. Kino-­Orgeln waren oft unsichtbar in die Wände integriert. Das neue Gehäuse fügt sich nun – ganz in Weiß – gut in die Kirche ein. Die typischen Pfeifen sind bei dieser Orgel deshalb nicht zu sehen. Ein Jahr lang wurde die Heilig-Geist-­Kirche zudem renoviert und nun mit der Orgelweihe wieder ihrer Bestimmung übergeben.

Das Projekt erfordert eine nicht unerhebliche Summe, sei aber viel günstiger, als wenn eine neue Orgel angeschafft würde, betont Gregor Schwarz. Unterstützung erhielt die Gemeinde aus dem Fonds für innovative pastorale Projekte vom Erzbistum Paderborn sowie aus Spenden. Bei freiem Eintritt bei den ersten Veranstaltungen sei auch in der Kollekte einiges zusammengekommen. Für die Rest­finanzierung hofft er auf die Mithilfe vieler Menschen.

Die Schirmherrschaft über die Orgelweihe hatte übrigens Gudrun Wurlitzer übernommen, eine Nachfahrin des deutschen Zweiges der Familie Wurlitzer, die sich mit hochklassigen ­Klarinetten einen Namen machte. Dagegen war Rudolph Wurlitzer im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert. Seine ­Firma wurde zum größten Anbieter von Musikinstrumenten in den USA. Bekannt wurde die Firma zunächst durch seine ­gewaltigen Kino-­Orgeln und – nach Erfindung des Tonfilmes – durch ihre Musikboxen. Doch ­Transistorradios und Kassetten­rekorder machten auch diese ab den 1950ern zunehmend bedeutungslos. Nach mehreren Verkäufen ist das Unternehmen seit einigen Jahren Geschichte.

Einzigartige Orgel

Geblieben sind vier Wurlitzer-­Orgeln in Deutschland, zwei stehen in Museen, eine ist in ­Privatbesitz und eine nun regelmäßig in Lemgo zu hören. Die Orgel sei „ein wertvolles Kulturgut, das leider immer seltener zu hören ist“, schreibt Gudrun Wurlitzer, die ein Architekturbüro betreibt, in der Festschrift. „Sie verbindet Tradition und Moderne, Kunst und Unterhaltung, ­Sa­krales und Weltliches. Sie kann sowohl klassische als auch populäre ­Musik spielen, von Bach bis ­Beatles, von Händel bis ­Holly­wood. Sie kann auch Geräusche wie Glocken, Pfeifen, Vogelgezwitscher oder Donner erzeugen. Sie ist eine Orgel zum Staunen und ­Genießen, zum Lachen und Weinen, zum Beten und Feiern.“

Eine Kostprobe der einzigartigen Orgel gab es nicht nur im Gottesdienst, sondern auch am Abend nach der Weihe. Da wurde in der Heilig-Geist-­Kirche ein Bibelfilm aus dem Jahr 1914 gezeigt, mit standesgemäßer Begleitung durch die Wurlitzer-­Orgel. Gespielt wurde sie von Anna ­Vavilkina, der einzigen in Deutschland fest angestellten Hausorganistin im Kino Babylon in Berlin. Sie begleitete die alttestamentliche Geschichte von Joseph und seinen Brüdern im 109 Jahre alten Film „­Joseph in the Land of ­Egypt“. 

Vor allem aber soll die neue Orgel aber natürlich bei Gottesdiensten zum Einsatz kommen. Auch Gregor Schwarz, der im Pastoralverbund Lippe-­Detmold für die Kirchenmusik insgesamt zuständig, hauptsächlich aber in Detmold tätig ist, wird die Orgel in Lemgo immer wieder mal spielen. Schließlich ist die Heilig-Geist-­Kirche neben der Heilig-Kreuz-­Kirche Detmold die zweite Hauptkirche im Pastoralverbund.

Nach der Festwoche zur Einführung der Wurlitzer-­Orgel ist Gregor Schwarz nun erschöpft, aber glücklich, den einmaligen Transfer einer alten Kino-­Orgel aus einem profanen Bereich in die sakrale Nutzung geschafft zu haben.

In der Heilig-Geist-­Kirche in Lemgo ist seit Pfingsten etwas ganz Besonderes zu hören: eine ­amerikanische Wurlitzer-­Orgel aus dem Jahr 1924

Markus Jonas

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