Wir sind geimpft! Und ihr?
Die Dom-Redaktion ist bereits geimpft. Von links: Martin Schmid, Andreas Wiedenhaus, Claudia Auffenberg und Patrick Kleibold. (Foto: Silvia Unger)
Monatelang waren Corona-Impfstoffe Mangelware. Noch im April schien unsicher, ob bis zum Ende des Sommers jedem Impfwilligen ein Impfangebot gemacht werden könnte. Binnen weniger Wochen hat sich diese Situation grundlegend verändert. Bei zunehmendem Impfstoffüberschuss und abnehmender Impfbereitschaft wird weltweit über eine Impfpflicht diskutiert. Die politischen Lager scheinen gespalten zu sein. Vermehrt werden die Kirchen um Unterstützung gebeten, Position zu beziehen und sich der Impfkampagne zu stellen. Der Moraltheologe Peter Schallenberg setzt bei der Corona-Impfung auf die Vernunft und die Freiwilligkeit jedes Einzelnen.
„Von einem generellen Zwang zur Impfung oder einer allgemeinen Impfpflicht würde ich abraten. Das kann nur Ultima Ratio, also letzte Notmaßnahme sein. Provoziert würden mit solchen Maßnahmen meist unnötig Aggression und Polemik. Besser ist es, auf Anreize und Überzeugungsarbeit zu setzen, die zur freiwilligen Impfbereitschaft führen„, sagt Professor Schallenberg. Eine allgemeine Impfpflicht verstieße seines Erachtens gegen das allgemeine Gebot der Unverletzlichkeit der Person. Anders sehe das im Hinblick auf Berufe im Gesundheitswesen und im Pflegebereich aus, eventuell auch in Schulen. „Hier kann der Staat zum Schutz vulnerabler Gruppen und Menschen berechtigt sein, eine Impfung zu verlangen“, erklärt Schallenberg.
Auch der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung teilt die Meinung, dass eine Impfpflicht sicher nicht durchsetzbar sei, ist aber auch der Ansicht, Christen hätten die Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Wir sind als Christen verpflichtet, nicht nur uns, sondern auch unsere Mitmenschen zu schützen“, sagt der Vorsitzende des KKV-Bundesverbandes, Josef Ridders. Deshalb gebe es eine „moralische und ethische Impfpflicht“.
Man schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere
„Ich persönlich glaube schon, dass man sich im Gewissen ernsthaft befragen muss, wenn man sich nicht impfen lassen will.“ Denn man schütze mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur sich selbst, sondern auch andere gegen Ansteckung, sagt Schallenberg. Doch auch hier scheint es einen großen Spalt in der Gesellschaft zu geben. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey für den SPIEGEL spricht sich nur eine knappe Mehrheit für eine Impfpflicht aus: 52Prozent der Deutschen sind dafür; 43Prozent dagegen.
Weiterhin steht die Frage im Raum, wie sich die Impfbereitschaft erhöhen lässt. „Die Alternative ist, wie schon angedeutet, der Appell an die Freiwilligkeit und damit an die Vernunft. Der soziale Rechtsstaat lebt immer vom besseren und besten Argument, nicht zuerst vom blinden Autoritätszwang“, sagt Schallenberg.
Prämien für Geimpfte als Anreiz, sich impfen zu lassen
Es bedarf nur der richtigen Anreize. Eine Möglichkeit sei, Prämien für Geimpfte im Gesundheitswesen einzuführen. Solche Anreize seien hilfreich und manchmal auch nötig. Daneben gebe es weitere zulässige, aber indirekte Anreize: „Etwa wenn der Gesetzgeber verordnet, dass Großveranstaltungen wie Konzerte und sonstige Events nur von Geimpften besucht werden dürften. Ähnliches gilt beim Reisen. Das sind zunächst keine Diskriminierungen. Es gibt ja nicht das natürliche Menschenrecht oder Bürgerrecht auf Events und Reisen. Es handelt sich um Einschränkungen zum Schutz der Gesundheit aller, die indirekt als Anreiz zur Impfung dienen können, ein durchaus gewünschter, aber nicht vom Staat direkt angestrebter Nebeneffekt.“
„Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein– nicht nur als Einzelne, sondern eben auch als Gemeinschaft.“ Mit diesen Worten hat Kanzlerin Merkel in der vergangenen Woche erneut zum Impfen aufgerufen. Menschen, die bereits von der Impfung überzeugt sind, bittet sie, auch im privaten Umfeld für eine Corona-Schutzimpfung zu werben.
(klei)