Wozu sind Sie da, Heike Biermann?

Es war schon immer mein Traum, mit Kindern zu arbeiten und daran hat sich auch nach 30 Jahren als Erzieherin nichts geändert. Nach wie vor macht es mir Freude, die Schülerinnen und Schüler der ersten vier Schulklassen vor und nach der Schule zu betreuen. Das Schöne daran ist: Jeder Tag in der Betreuten Grundschule ist anders und jeder Tag ist immer ein kleines Abenteuer.

Als Erzieherin bin ich dazu da, die Kinder zu fördern, zu fordern und zu begleiten. Damit das gelingt, ist ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zum einen zu den Kindern, zu den Eltern und auch zu den Lehrern erforderlich. Doch um die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, braucht es noch mehr: Eine Erzieherin sollte empathisch, stress­resistent, kreativ, flexibel und kritikfähig sein. Unabdingbar ist natürlich die Freude daran, mit Kindern zu arbeiten. Nach all den Jahren kann ich eines mit Sicherheit sagen: Ich habe meinen Traumberuf gefunden.

Natürlich gibt es mal Tage, an denen ich das anders sehe. Ich denke da unter anderem an Stress­faktoren wie die enorme Lautstärke der Kinder, die manchmal schwer zu ertragen ist. Wenn die Kinder nicht ausgelastet sind – beispielsweise, wenn es regnet und wir nicht auf den Spielplatz können –, kann der Lautstärkepegel sogar noch weiter ansteigen. Wo viele Kinder zusammenkommen, da gibt es immer auch mal Streit und Tränen. Das gehört zum Alltag in dem Beruf dazu. Auch dann ist der enge und vertrauensvolle Austausch mit den Eltern wichtig, denn wir wollen stets familienergänzend arbeiten.

Derzeit spüren wir auch die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen in unserer täglichen Arbeit sehr deutlich. Immer mehr Elternteile sind berufstätig. Die Nachfrage nach Betreuung der Kinder wächst von Jahr zu Jahr. Des Weiteren steigen die Erwartungen der Eltern und des Trägers. Unseren Eltern ist vor allem Flexibilität bei den Betreuungszeiten wichtig. Waren es im Jahr 2001 12 Kinder, die von uns betreut wurden, sind es mittlerweile 63 Kinder und die Tendenz ist weiter steigend. Darauf muss sich unser Schulsystem einstellen. Es wird sicherlich nicht leichter werden.

Heike Biermann: „Es befindet sich vieles im Wandel“

Und als Erzieherin erlebe ich manchmal, dass bei einigen Kindern der Respekt vor Erwachsenen nicht sehr ausgeprägt ist. Einen Satz wie „Du bist nicht meine Mutter, du hast mir nichts zu sagen“, hören wir häufiger. Damit muss man umgehen können. Es befindet sich vieles im Wandel: Auch die Erwartungshaltung, beispielsweise mit Blick auf das Mittagessen, hat sich verändert. Die Eltern und die Kinder haben so viele verschiedene Vorstellungen, dass es für die Caterer unmöglich ist, es allen recht zu machen.

Täglich begegne ich neuen Herausforderungen. Es gibt Grenzen, aber als Erzieherin möchte ich den Kindern immer etwas auf ihrem Weg mitgeben. Jedes Kind hat andere Charaktermerkmale, auf die ich versuche, individuell einzugehen. Wie bereits gesagt, jeder Tag ist anders, aber eines haben alle Tage gemeinsam: Wenn man viel gibt, dann bekommt man sehr viel mehr zurück.

Heike Biermann

Zur Person

Heike Biermann (53) ist ausgebildete Erzieherin sowie Heilpädagogin und arbeitet in der Betreuten Grundschule am Standort Paderborn-­Neuenbeken. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Aufgezeichnet und fotografiert von Patrick Kleibold

Unsere Reihe Menschen im Erzbistum

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der emeritierte Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten.

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