Wozu sind Sie da, Herr Meyer-Ahlen?
Dr. Stefan Meyer-Ahlen
Aufgezeichnet von Claudia Auffenberg, fotografiert von Wolfgang Bullin
Wozu sind Sie da, Herr Meyer-Ahlen?
Um Freiheit zu ermöglichen und Menschen zu helfen, Freiheit für sich zu entdecken. Das ist jetzt ein ziemlicher großer Satz, aber ich meine den ernst. Denn nur dazu braucht es aus meiner Sicht ein Theologiestudium und unser Angebot Theologie im Fernkurs. Warum sollte ich sonst Theologie studieren, etwa, um kirchliche Strukturen besser kennenzulernen? Es braucht die Relevanz der Theologie für das eigene Leben und auch für die Gesellschaft.
Das Christentum schenkt uns einen Freiheitsraum
Aber Freiheit ist auch das, was mich persönlich ausmacht in meinem Glaubensleben, in meinem Weltleben, in meiner Weltverantwortung. Die christliche Botschaft ist eine gigantische Ressource, die ich nutzen kann, um mich auf mich selbst und auf andere einzulassen. Denn sie erzählt von einem Gott, der mir sagt: „Du bist angenommen, so wie du bist, vor aller Leistung, trotz aller Schuld und du kannst immer wieder anfangen, das Gute zu tun.“ Das ist doch ein unglaublicher Freiheitsraum, der uns geschenkt wird!
Egoismus ist das Gegenteil von Freiheit
Freiheit verstehe ich als gutes Handeln, das ich vor mir selbst und vor der Gemeinschaft verantworten kann. Und ganz klassisch: Meine Freiheit endet da, wo die des anderen beginnt. Als Gesellschaft müssen wir zudem herausfinden, wo der gemeinsame Freiheitsraum wächst. Wir kommen nicht weiter, wenn jeder nur an sich denkt und das „Hamstern“ anfängt, wie wir das in Zeiten der Corona-Pandemie z.B. erlebt haben. Das ist Egoismus und der ist das Gegenteil von Freiheit. Wenn ich immer den größeren Gartenzaun als mein Nachbar haben möchte, dann bin ich den ganzen Tag damit beschäftigt, zu zimmern und bin nicht wirklich frei.
Die christliche Botschaft macht Demokratie möglich
Die christliche Botschaft fordert uns dagegen auf, die Schwachen und Schwächsten im Blick zu behalten und regt dazu an, Strukturen zu schaffen, die keinen ausbeuten, sondern einen guten Rahmen darstellen für die je individuelle Lebensgestaltung. Das ist doch ein hervorragender Ansatz für eine gerechte Gesellschaft. Deswegen ist der Befreiungsaspekt der christlichen Botschaft für mich die Grundlage einer demokratischsten Gesellschaft; und bei dem Gedanken, dass zuweilen die Zustimmung zur Demokratie zurückgeht, kann einem schon mal schummerig werden. Denn was ist das für eine Welt, in der nur das Recht der Stärkeren zählt?
Die Kirche setzt zu wenig auf Freiheit und Demokratie
Ich glaube, auch die Kirche setzt zu wenig auf Freiheit und Demokratie oder vertraut ihr zu wenig. Das hat vor 500 Jahren im Zusammenhang mit den Reformanliegen von Martin Luther schon mal zur Spaltung geführt. Dabei ist die Bibel doch der Grundtext der Freiheit. Mein Lieblingsvers und der vieler meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Moraltheologie lautet: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1).
Deswegen freue ich mich über jeden, der an unseren Kursen teilnimmt und darüber nachdenken will. Das sind jedes Jahr 400 bis 500 Personen. Die begleiten zu dürfen, empfinde ich als hohe Verantwortung und zugleich als Geschenk.
Zur Person
Dr. Stefan Meyer-Ahlen leitet seit April dieses Jahres das Fernstudienangebot „Theologie im Fernkurs„. Er stammt aus dem Erzbistum Paderborn und ist in Nordborchen bei Paderborn aufgewachsen. Zum Studium wechselte er nach dem Abitur 1998 nach Würzburg, wo er sich schon bald der theologischen Ethik zuwandte. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Theologie im Fernkurs ist Teil der Akademie Domschule Würzburg und bietet mit Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz Kurse im Fernstudium für alle Interessierten an, die mehr vom christlichen Glauben wissen, sich argumentativ mit Glaubensfragen auseinandersetzen und Orientierung für das eigene Leben gewinnen wollen. Grundlage dafür ist die gegenwärtige Theologie im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus ermöglichen die Kurse eine Ausbildung für kirchliche Berufe in Schule und Gemeinde.
Dr. Stefan Meyer-Ahlen