Wozu sind Sie da, Johannes Hüwel?

Johannes Hüwel ist freiberuflicher Bildhauer. (Foto: Wiedenhaus)

Ich habe ein Bild vor Augen: Mein Vater schnitzt an genau der Holzfigur, die ich auf dem Foto in Händen halte. In seinen persönlichen Aufzeichnungen steht der Satz: „Am heiligen Antonius gearbeitet.“ Er hat ihn am letzten Tag seines Lebens geschrieben. Mein Vater wollte Bildhauer werden, doch das Schicksal stand dagegen. Genau wie bei seinem Onkel. Dieser konnte seine Arbeit als Steinbildhauer wegen einer Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg nicht wieder aufnehmen.  

Wahrscheinlich ist dies ein Grund dafür, dass mir mein Vater bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz so geholfen hat. Denn in mir steckte dieser Wunsch auch. Meine Eltern haben mir nie Steine in den Weg gelegt, im Gegenteil.

Johannes Hüwel: „Nicht nur auf das Vordergründige schauen“

Als ich am 7. April 1953 meine Ausbildung begonnen habe, hat meine Mutter dieses Blatt aus einem Abrisskalender aufgehoben. Ich habe es heute noch. An diesen ersten Tag in der Lehre bei dem Bildhauer Hubert Hartmann in Wiedenbrück kann ich mich noch genau erinnern. Ein Satz ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. „Du musst sehen lernen“, sagte Hartmann zu mir. Damals habe ich das nicht so recht verstanden, doch mit jedem Tag meiner Arbeit wurde mir klarer, was er damit meinte. Bis heute versuche ich, mir das zu eigen zu machen. Nicht nur auf das Vordergründige zu schauen, sondern das, was dahintersteckt, zu ergründen, zu erkennen und künstlerisch umzusetzen. Zehn Jahre blieb ich in Wiedenbrück, nach einer gesundheitsbedingten Pause konnte ich dann ein eigenes Atelier in Duisburg eröffnen. 

Hartmann stand in der Tradition der Wiedenbrücker Schule, eines Zusammenschlusses zahlreicher Werkstätten und Ateliers, der viele Kirchen ausstattete. Glauben durch Kunst zum Ausdruck zu bringen, war auch für mich immer eine starke Triebfeder. Bei vielen meiner Arbeiten konnte ich das umsetzen. Die Ausstellung „Ars Sacra“ mit christlicher Kunst 1975 in Köln hat mich in diesem Zusammenhang noch einmal zusätzlich motiviert. 1977 waren Werke von mir bei der „Ars Sacra“ im kanadischen Halifax ausgestellt. 

Johannes Hüwel: „Zurzeit beschäftige ich mich mit der Totenmaske meiner verstorbenen Frau“

Im Moment habe ich den Eindruck, als würde sich ein Kreis schließen. Ich beschäftige mich mit der Totenmaske meiner verstorbenen Frau. Meiner Mutter habe ich 1992 ebenfalls die Totenmaske abgenommen. Auch dies habe ich in meiner Ausbildung kennengelernt, als ein Mitarbeiter Hartmanns dies bei einer Verstorbenen machte und ich ihn begleitete.  

Sicherlich ist es ein Anspruch als Künstler, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen. Doch hier hat mich das Leben Bescheidenheit gelehrt: Die Werke Hartmanns sind heute noch geschätzt, aber von seinem Atelier ist so gut wie nichts mehr vorhanden, nur ein kleiner Anbau steht noch. Nach seinem Tod wurde sein Anwesen abgerissen. Genauso erging es dem Atelier eines anderen Künstlers genau gegenüber. Alles Materielle ist eben auch vergänglich, selbst die Kunst. Denn nichts hält ewig, wie wir wissen. Und trotzdem versuchen wir, uns dagegenzustemmen. Diese Idee lässt mich bis heute nicht los. 

Zur Person Johannes Hüwel


Johannes Hüwel wurde 1937 in Bad Wünnenberg-Fürstenberg geboren. Nach seiner Ausbildung zum Bildhauer arbeitete er freiberuflich, unter anderem in Duisburg. Heute lebt er wieder in seiner Heimatstadt.

Aufgezeichnet und fotografiert von Andreas Wiedenhaus

Unsere Reihe Menschen im Erzbistum

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der emeritierte Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten.

Logo_Zukunftsbild
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen