Wozu sind Sie da, Mechtild Winzenick?

Das kann ich problemlos beantworten: um die Welt etwas bunter und heller zu machen. Und auch ein bisschen verrückter. Das denke ich nämlich jedes Mal, wenn ich im Dom die Rubrik lese.

Ich hatte schon immer ein Händchen für Kinder und konnte auf Menschen zugehen. Das habe ich von meinen Eltern mitbekommen. In jungen Jahren wollte ich daher unbedingt Erzieherin werden, aber meine Eltern haben mir und meiner Schwester Mut gemacht, dass auch wir Mädchen Abitur machen und danach studieren konnten. So habe ich in Dortmund Pädagogik studiert und seither in Einrichtungen mit Kindern gearbeitet. Jetzt bin ich in einer Mutter-Kind-­Einrichtung, in die das Jugendamt Mütter vermittelt.

Die jungen Frauen sind aus ganz verschiedenen Gründen nicht in der Lage, sich allein um ihr Kind zu kümmern. Um das Wohl des Kindes nicht zu gefährden, dürfen sie nicht mit ihm allein leben. Deswegen kommen sie zu uns, manche schon während der Schwangerschaft. Viele unserer Mamas sind emotional gewissermaßen „unterernährt“. Sie haben zu Hause nie gelernt, was Liebe oder Vertrauen ist und können das nicht an ihre Kinder weitergeben. Wir nähren sie nach. Das heißt zum Beispiel: Wir nehmen sie in den Arm oder es gibt einfach mal eine Schokolade. Oder wir lassen uns im Advent etwas für die Kinder einfallen, das finden die Mütter natürlich auch toll, für die das oft neu ist. Ganz wichtig ist unser Ritual des Händeeincremens, das wir während oder nach einem Krisengespräch anwenden. Vorher fragen wir die Frauen, ob wir sie anfassen dürfen und dann cremen wir ihnen langsam beide Hände ein. Durch die sanfte Berührung werden Sensoren freigesetzt, die selbst eine tobende Border­linerin wieder in die Realität zurückbringen.

Mechtild Winzenick : „Es gibt Verlässlichkeit, es gibt Vertrauen und man kann sich streiten.“

Wir sind keine kirchliche Einrichtung, Kirche kommt hier also nicht vor, aber Gott schon – für mich jedenfalls. Ich arbeite in einem Bereich, den die Gesellschaft oft nicht sieht oder anerkennt. Gerade hier fühle ich mich dem biblischen Jesus ganz nah, der Menschen bei den Heilungen das Vertrauen in sie selbst zurückgegeben hat. Das ist hier unser Anliegen und es ist so schön zu sehen, wie Mütter sich entwickeln, wie sie Kraft finden, auch zu den eigenen Schwächen zu stehen. Die Gesellschaft hat ein viel zu hohes Mutterideal! Wir versuchen, den Müttern zu vermitteln, dass es eine Stärke ist, wenn sie erkennen, dass sie ihren Kindern gerade nicht oder gar nicht gerecht werden können und es besser ist, wenn jemand anderes die Erziehungsarbeit übernimmt. Und wir vermitteln ihnen, dass es im Leben noch etwas anderes gibt als das, was sie erlebt haben. Es gibt Verlässlichkeit, es gibt Vertrauen und man kann sich streiten und danach versöhnen und mit­einander weiterleben.

Madeleine Delbrêl fällt mir noch ein, die in Paris zu denen gegangen ist, die am Rand standen, um sie zu ermutigen – und das vor allem mit großer Wertschätzung. Mit dieser Haltung gehe ich zur Arbeit und durchs Leben. Zumindest versuche ich es.

Mechtild Winzenick (60) lebt in Winterberg-­Züschen, zehn Jahre war sie Salzkottener Franziskanerin und hat im Kinderheim der Ordens­gemeinschaft gearbeitet. Heute arbeitet sie im Mutter-Kind-­Haus Dr. Rolf Bluttner in Allendorf-­Bromskirchen, einer Einrichtung in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes.

Zur Person

Mechtild Winzenick (60) lebt in Winterberg-­Züschen, zehn Jahre war sie Salzkottener Franziskanerin und hat im Kinderheim der Ordens­gemeinschaft gearbeitet. Heute arbeitet sie im Mutter-Kind-­Haus Dr. Rolf Bluttner in Allendorf-­Bromskirchen, einer Einrichtung in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes. Das Bild zeigt sie mit „Klabauter“, einem wichtigen Ansprechpartner für die Kinder und manchmal auch für die Mütter.

Aufgezeichnet und fotografiert von Claudia Auffenberg

Unsere Reihe Menschen im Erzbistum

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der emeritierte Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten.

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