Wozu sind Sie da, Nina Koch?
Ein wichtiger Beweggrund für meine Kunst ist, diese Welt mit meinen Figuren ein bisschen menschlicher zu machen. Ich glaube, dass die Kunst das kann. Ich glaube, dass eine Welt mit Kunst nicht so brutal und so roh ist, wie sie ohne wäre. Daran möchte ich mitwirken, indem ich zeige, was Menschsein heißt. Ich möchte, dass wir genau hinsehen und den Blick auf den anderen richten, den wir doch oft übersehen.
Das hat mich die Kunst gelehrt und es war für mich eine echte Offenbarung: genau hinsehen, nicht wegzuschauen, sondern den Menschen vor mir wirklich wahrzunehmen und das, was ich sehe, vorurteilsfrei in mir arbeiten zu lassen. Vorurteilsfrei – das ist sehr wichtig. Denn das öffnet den Blick für die Feinheiten und für die Schönheit des Menschen. All meine Arbeiten zeigen Menschen. Denn nichts ist spannender und bedeutender als der Mensch.
Wir sind heute doch sehr von den Gesichtern geprägt, die uns die Werbung zeigt und denen man kaum ausweichen kann. Sie vermitteln ein völlig unrealistisches Schönheitsideal.
Nina Koch: „Ich bediene mich oft der christlichen Ikonografie“
Meine Figuren sind nicht idealisiert, sie sollen lebendig sein und lebendig werden sie nicht durch ein genaues Nachmodellieren der Natur. Dann könnte man auch einen Abdruck machen, aber dann hätte man gewissermaßen eine Leiche. Leben erhält das tote Material durch Abstraktion und durch die plastische Form, durch die Art, wie die Figur in der Welt steht. Sie drückt eine geistige Haltung, einen seelischen Zustand aus: Freude, Leid, Warten … Wenn die Figur zu mir „spricht“, dann entsteht eine Art Kommunikation, die auch auf den Betrachter überspringen kann, ihm Identifikation und Auseinandersetzung ermöglicht.
Ich bediene mich oft der christlichen Ikonografie. Darin findet sehr vieles von dem, was unser Menschsein, unser Hiersein ausmacht, Widerhall. Und sie ist mir vertraut, ich entdecke in ihr oft mein eigenes Erleben.
Der Gnadenstuhl ist ein Motiv, das ich schon oft modelliert habe. Darin geht es natürlich auch um Trauer, aber es ist doch etwas ganz anderes, als einen trauernden Menschen zu zeigen. Dieses Motiv öffnet den Raum für Transzendenz. Das ist mir ein wichtiges Anliegen: Es gibt etwas, das außerhalb des Körpers ist, etwas, das größer ist als wir. Man kann es eigentlich nicht darstellen, aber es ist irgendwie doch da. Darauf möchte ich mit meinen Figuren hinweisen.
Zur Person
Nina Koch, Jahrgang 1961, stammt aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis. Seit ihrem Studium lebt sie in Bielefeld, wo sie auch ihr Atelier hat und das Foto entstanden ist. Ihre Werke sind in vielen Kirchen zu sehen, auch im Erzbistum Paderborn.
Aufgezeichnet und fotografiert von Claudia Auffenberg
Unsere Reihe Menschen im Erzbistum
Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Diese Frage stellte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Zukunftsbild voran, auf dessen Basis das Erzbistum entwickelt wird. Wozu bist du da? Diese Frage kann sich auch jeder Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist eine biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten. Wir fragen nach, heute bei: Nina Koch