11.04.2019

Zukunft der Arbeit im Blick

Zukunft der Arbeit im Blick

Hamm. Vorträge und Diskussionen erlebten 40 Teilnehmer des Fachtages „Zukunft der Arbeit“ im Gemeindezentrum Liebfrauen. Der Bezirksverband Hellweg-Sauerland der KAB hatte kompetente Referenten eingeladen, die die praxisnahe Vermittlung aktueller Themen verständlich meisterten.

Obwohl Digitalisierung ein Modewort ist, waren die Auswirkungen der „Arbeit 4.0“ den meisten Anwesenden so nicht bekannt. Mitorganisator Josef Granseuer erklärte den erstaunten Teilnehmern schon bei der Begrüßung, dass die Digitalisierung bereits voll da sei. So wurde zuletzt in den Medien verkündet, dass Volkswagen in der Verwaltung 7 000 Stellen durch die Digitalisierung abbauen wird. Doch nicht nur dort, sondern auch in Bereichen der Arbeit, stünden elementare Veränderungen vor der Tür. Deshalb müssten auch dringend „Leitplanken“ von Politik und Gesellschaft entwickelt werden, um die Zukunft menschenwürdig zu gestalten.

Dr. Christian Bäumler, der als Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses der Christlich-­Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) die EU berät, nahm die Einführung direkt auf und ging auf die Veränderungen der Arbeitswelt sowie die Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung in Europa ein: „In allen Bereichen, in denen regelmäßig ähnliche Vorgänge anfallen, wird ein massiver Stellenabbau erfolgen“, so Dr. Bäumler. „Viele von uns machen die Steuererklärung inzwischen digital mit dem Elster-Programm der Finanzämter“, sagte Dr. Bäumler. Das bedeute im Umkehrschluss, dass nur noch wenige Sachbearbeiter abweichende Fälle in Augenschein nehmen. Das betreffe die Verwaltung wie ähnlich gelagerte, technische Bereiche: Auch die großen Lager von Industriebetrieben funktionierten teilweise schon vollkommen digitalisiert.

Der Aussage, dass für jeden wegfallenden Job ein neuer entstehe, stehe er skeptisch gegenüber: „In meiner Heimat Süddeutschland haben wir nahezu Vollbeschäftigung“, erklärte der Experte. Doch die meisten „neuen“ Jobs entstünden im Niedriglohnsektor, etwa im Sicherheitsgewerbe. Daher müssten auch die sozialen Weichen entsprechend gestellt werden, vom Kampf um adäquate Arbeits- und Lohnbedingungen, Rentenreformen und vielem mehr. Um die Mittel dafür zu erhalten, müssten auch auf europäischer Ebene einheitliche Lösungen gefunden werden, etwa das Prinzip, dass auch dort Steuern bezahlt würden, wo die Umsätze generiert werden. Durch eine flächendeckende Umsetzung müssten dann auch Unternehmen wie Google und Amazon erstmals hierzulande richtig Steuern zahlen. In seinem Vortrag bot er zudem auch spannende Einblicke in die Arbeitsweisen der EU-­Institutionen.

Christian Pieper von der Firma Mohs präsentierte die digitale Technik in der Praxis: Er zeigte den kompletten Weg von der Angebotserstellung über die Materialbestellung bis zur Ausführung und Rechnungsstellung. Technische und kaufmännische Aspekte würden vom System mit vorgegeben, die Effizienz gesteigert und Fehler vermieden. Doch dafür sei jede eingebundene Stelle auch vollkommen gläsern – bis hin zur vorgegebenen Arbeitszeit. Auch das ist Realität im modernen Mittelstand.

Granseuer selbst stellte den Teilnehmern den Bereich Crowdsourcing und Click­working vor: Dabei werden Gesamtprojekte in kleinste Arbeitsschritte aufgeteilt, die dann über „Arbeitsplattformen“ im Netz an selbstständige Auftragnehmer vergeben werden. „Das führt natürlich zu einem starken Preisverfall, etwa wenn hiesige Programmierer, Architekten oder De
si­gner mit Konkurrenten aus Indien oder Bangladesch in den Wettbewerb treten“, so Granseuer. Inwiefern diese „Selbstständigen“ noch ein ausreichendes Einkommen erzielen oder fürs Alter vorsorgen können, sei dann zweifelhaft. Dafür, so erklärte Dr. Bäumler, seien auch Modelle denkbar, bei denen die Auftraggeber zur Abführung angemessener Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich seien.

Die Besucher waren von der Veranstaltung begeistert: „Am meisten hat mich nicht nur beeindruckt, dass die Referenten so gut waren, sondern auch, wie sachkundig die Besucher mitdiskutiert haben“ sagte Hartmut Regenstein. „Da war vieles bei, was einen erschrecken kann. Es wird höchste Zeit, dass diese Themen viel mehr in der Bevölkerung bewusst werden“, sagte Momme Huber. Am Ende waren sich alle einig: Die Bevölkerung muss intensiver aufgeklärt werden, um Druck auf die Politik auszuüben.

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