Zwischen Emotion und Vernunft
Diskutierten die Zukunft von Kirche (v. l.): Ingrid Schülke, Pfarrer Matthias Boensmann, Prälat Thomas Dornseifer, Kirchenvorstand Ludger Becker, Moderatorin Claudia Auffenberg, Christoph Weber und Geschäftsführer Josef Mertens.
Meschede. Ganz im Zeichen des Aufbruchs stand die diesjährige Verbandsversammlung des Gemeindeverbandes Hochsauerland-Waldeck – auch wenn das eigentliche Thema des Abends lautete: „Die Kirche muss im Dorf bleiben.“ Dechant Georg Schröder als Vorsitzender betonte, dass die Ziele für die Zukunft der Kirche schnell formuliert seien: „Trotzdem ist es schwierig, die einzelnen Schritte tatsächlich zu gehen. In jedem Fall kommt es auf jeden Einzelnen von uns an.“
Auf dem Podium diskutierten der stellvertretende Generalvikar Prälat Thomas Dornseifer, Kirchenvorstandsmitglied Ludger Becker aus Bestwig, der Mescheder Bürgermeister Christoph Weber und der Dortmunder Pfarrer Matthias Boensmann die zentralen Fragen zur Zukunft der Kirche.
„Wir brauchen neue Strukturen, die auf vernünftigen Entscheidungen basieren – und die gleichzeitig den Bedürfnissen der Gläubigen vor Ort gerecht werden“, erklärte Prälat Thomas Dornseifer im Hinblick auf das Positionspapier unter dem doppeldeutigen Titel „Die Aufgabe von Gebäuden“, das die pastoralen Räume und Pastoralverbünde als Zusammenschluss mehrerer Kirchengemeinden dazu auffordert, den Bestand von kirchlichen Gebäuden mittel- bis langfristig zu reduzieren. „Das Erzbistum Paderborn ist zu vielschichtig. Jeder pastorale Raum muss selbst entscheiden, welcher Weg für ihn der Richtige ist“, sagte Dornseifer. Das Erzbistum werde sich aber nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern Hilfestellung leisten, wo das notwendig oder gewünscht sei, aber keinen Druck ausüben, „um irgendwelche Entscheidungen herbeizuführen“.
Einigkeit bestand, dass die Gemeinden auch in Zukunft einen Ort brauchten, an dem der Glaube gelebt werden kann. Der Dortmunder Pfarrer Matthias Boensmann betonte, auch in einigen Bereichen der Großstadt sei es schon so, dass Kirche sich nicht zurückziehen dürfe, weil es sonst überhaupt kein Angebot mehr vor Ort gebe. Gleichzeitig gelte es zu verhindern, dass Gemeinden ausbluten, weil das vorhandene Geld ausschließlich zum Erhalt der Gebäude eingesetzt werden müsse: „Oftmals ist die Entscheidung ein schmaler Grat zwischen Emotion und Vernunft.“
Den möglichen Weg in die Zukunft skizzierte Kirchenvorstandsmitglied Ludger Becker aus Bestwig: Seine Gemeinde habe das Pfarrheim aufgeben müssen, weil die Kosten für Betrieb und Sanierung zu hoch gewesen seien. „Der Weg war nicht leicht. Trotzdem können wir jetzt sagen, dass er richtig gewesen ist.“ Die Gemeinde habe unter der Kirche einen passenden Raum gefunden, der alle Voraussetzungen für Gemeindeleben biete. „Mittlerweile wird der Raum auch von Gruppen genutzt, die wir als Kirche lange Zeit nicht erreichen konnten.“
Der Mescheder Bürgermeister Christoph Weber betonte, dass die Kirche so lange im Ort bleiben müsse, wie das in irgendeiner Form möglich sei und Gemeindeleben tatsächlich stattfinde: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, alle Angebote aufrechtzuerhalten.“ Gleichzeitig betonte der Bürgermeister, dass es nach wie vor eine enge Bindung zur Kirche gebe: „Die Kirche in sich ist nicht gefährdet. Es gibt aber neue Anforderungen, auf die man die passenden Antworten finden muss.“ Dieser Anspruch gilt auch für die Gemeindeverbände selbst. In der Verbandsversammlung wurde ein möglicher Zusammenschluss mit dem Gemeindeverband Hellweg und die enge Kooperation mit dem Gemeindeverband Siegerland-Südsauerland vorgestellt, um den Anforderungen stärker als bislang begegnen zu können. „Bei aller Veränderung ist die starke Präsenz vor Ort und die bestmögliche Entlastung der Kirchengemeinden unser oberstes Ziel“, betonte Geschäftsführer Josef Mertens. Nicht ohne Grund gehöre der weitere Ausbau der Unterstützung in den pastoralen Räumen durch die „Außendienstmitarbeiter“ des Gemeindeverbandes zu den unverrückbaren Leitplanken des weiteren Weges. Gleichzeitig betonte Mertens, dass man bei allen Veränderungen die Frohe Botschaft nicht aus den Augen verlieren dürfe: „Wir sprechen zu viel über Schrumpfung – und zu wenig über Gott und die Dinge, die uns als Katholiken wichtig sind. Neben neuen Strukturen brauchen wir auch eine neue Haltung und mehr Mut. Für mich ist es eine zentrale Frage, wozu die Kirche im Erzbistum Paderborn da ist – und worin genau der Auftrag liegt.“
Als Mitglieder des Verbandsausschusses wurden von der Versammlung gewählt: Ludwig Becker (Bestwig), Antonius Bielefeld (Marsberg), Gottfried Birke (Bad Arolsen), Thomas Schäfer (Medebach), Werner Siepe (Schmallenberg) und Detlef Trompeter (Arnsberg).