„Aufeinander hören“
Die Kennenlernreisen des Paderborner Erzbischofs starten im Dekanat Waldeck: Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz besucht Gläubige in Bad Wildungen, Bad Arolsen und Korbach.
Ein heißer Tag neigt sich dem Ende zu. Der erste nach vielen rauen Apriltagen. Im Inneren der St. Marienkirche in Korbach ist es angenehm kühl und ruhig. Rund 150 Menschen haben sich hier versammelt. Sie sind gekommen, um ihren neuen Erzbischof zu erleben. Gebannt lauschen sie den Worten von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz: „Wir müssen aufeinander hören, wie Maria – die Hörende – es getan hat“, appelliert der Paderborner Erzbischof. Hinter ihm und den Gläubigen im Dekanat Waldeck liegt ein langer Tag, an dem beide Seiten viel „aufeinander gehört“ haben.
Rückblick: Es ist 9:30 Uhr. Feierliches Glockengeläut erfüllt den Kirchplatz im nordhessischen Bad Wildungen. Zum Gottesdienst in der St. Liborius Pfarrkirche sind rund 75 Gläubige gekommen. Für sie ist es ein besonderer Tag. Gemeinsam mit seinem Generalvikar Dr. Michael Bredeck ist „ihr“ Erzbischof aus dem 90 Kilometer entfernten Paderborn angereist, um hier bei ihnen in der Diaspora den Auftakt seiner Dekanatsreise zu begehen.
Dieser erste von insgesamt 19 Reisetagen fällt auf den Gedenktag der seligen Pauline von Mallinckrodt, eine Schlüsselfigur für das Paderborner Erzbistum. Vor nunmehr 175 Jahren gründete sie die Kongregation der Schwestern der Christlichen Liebe. Zeit ihres Lebens kümmerte sich die 1881 in Paderborn verstorbene Ordensfrau um die Belange derer, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung am Rande der Gesellschaft standen. Mutter Paulines Lebensmotto: „Nur die Liebe zählt“.
Bevor sich manch einer an die gleichnamige Fernsehshow von Kai Pflaume erinnert fühlt, lenkt Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz den Fokus seiner Predigt zurück auf das Wesentliche: Ihr Lebensmotto sei zeitlos, und stehe für das, was „christliche Liebe“ genannt werde: „Die Liebe, von der Jesus spricht, ist etwas sehr Anspruchsvolles. Denn es geht nicht um eine Liebe zu denjenigen, zu denen ich mich gerade hingezogen fühle“, erklärt der Erzbischof unter den aufmerksamen Blicken der Gläubigen: „Gerade als Kirche ist es unser Auftrag, immer neu über uns selbst hinauszugehen. Papst Franziskus sagt: ‚An die Ränder zu gehen.‘ Es ist unsere Sendung, eine gewisse kirchliche Selbstgenügsamkeit zu überwinden.“
„Aufgeschlossen, authentisch, nahbar“
10:30 Uhr auf dem Kirchplatz. Brütende Mittagssonne. Trotzdem sind rund 40 Gläubige geblieben, um ihren Erzbischof zu treffen. „Aufgeschlossen“, „authentisch“, „nahbar“ – das sind Worte, die sich die Gläubigen immer wieder kopfnickend zusprechen, während der Erzbischof von Tisch zu Tisch zieht, um mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. „Wir haben uns hier sehr auf ihn gefreut und nehmen ihn als zugewandten und angenehmen Menschen wahr“, sagt Carola Schmidt, eine der Gläubigen. „Dass er zuerst zu uns in die Diaspora kommt, zeigt, dass wir ihm am Herzen liegen, dass er offen ist und uns wirklich kennenlernen will“, ergänzt Pfarrer i.R. Christoph Baumgardt.
Herausforderungen kreativ begegnen
11:15 Uhr. Allmählich leert sich der Kirchplatz. Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz und Generalvikar Dr. Michael Bredeck haben sich zurückgezogen, um sich mit hauptamtlich Beschäftigten auszutauschen. Konzentriert berichten rund 20 Waldecker ihrem Erzbischof von Gegebenheiten vor Ort, von täglichen Herausforderungen und von dem, was sie in ihrer Arbeit in der katholischen Kirche antreibt. Schnell wird klar: Das katholische Leben in der Diaspora erfordert eine andere Herangehensweise als jenes im Zentrum von Paderborn.
Die Kleinstadt Bad Arolsen bietet für sich und ihre 29 Ortschaften nur eine katholische Kirche. Sakramente wie die Kommunion oder die Firmung müssten daher zentral ausgerichtet werden. Die räumliche Zentrierung auf nur eine Kirche erschwere Gläubigen auch den regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes. Aus diesem Umstand ist jedoch gleichzeitig ein hoher Zusammenhalt gewachsen, der sich in kreativen Lösungen widerspiegelt: „Wir haben einen Kirchenbus organisiert, mit dem sich die Menschen gemeinsam zu uns auf den Weg machen“, erklärt Diakon Michael Thamm.
Herzstück Ehrenamt
In der Kurstadt Bad Wildungen sei dagegen die Klinikseelsorge ein Schwerpunktthema, erklärt Pfarrer Heinrich Bolte: „Wir sind der zweitgrößte Kur-Standort Deutschlands“, berichtet er stolz: „Bei uns endet die Klinikseelsorge nicht mit der Abreise der Patienten – viele finden hier eine zweite Heimat. Oft kommt es zu erneuten Besuchen oder wir führen die Seelsorge online weiter – quasi eine Internetseelsorge.“ Dechant Bernd Conze, der den Austausch bisweilen nur moderiert, ergreift nun selbst das Wort, um den Paderborner Erzbischof auf das Herzstück des christlichen Lebens im Dekanat Waldeck aufmerksam zu machen: die Ehrenamtlichen. „Es ist erstaunlich, was ehrenamtlich Engagierte in unserem Dekanat auf die Beine stellen, wie sie sich zusammenfinden und zusammenarbeiten.“ Auch die Jugendarbeit gebe Grund zur Zuversicht: „Unsere Jugendlichen sind nicht weniger engagiert als anderenorts. Das zeigte sich auch bei der 72-Stunden-Aktion. Was da los war, macht mich wirklich stolz.“
Dankbarer Austauch
13:30 Uhr. Das Thermometer hat die 25-Grad-Marke geknackt. An der Staumauer des Edersees erwartet der Paderborner Erzbischof Menschen, die ihn ein Stück seines Weges begleiten. Auf diesen Austausch hat sich auch Monica Di Stefano gefreut. Sie ist im Kirchenvorstand der Kirchengemeinde Waldeck. Ihre Kinder sind Messdiener, ihr ältester Sohn Küster in einer nahegelegenen Ortschaft. Kirche nimmt einen großen Platz in ihrem Leben ein. „Dass der Erzbischof sich Zeit nimmt, um uns zu besuchen und sich unseren Anliegen zu öffnen, macht mich dankbar“, erklärt Monica Di Stefano.
Insignien zum Anfassen
15.00 Uhr in Bad Arolsen: Bleche voller Streuselkuchen, Kaffee und Kaltgetränke stehen bereit. Während die Gemeindemitglieder in Bad Arolsen noch ihre Plätze suchen, werden Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz und Generalvikar Dr. Michael Bredeck vor dem Pfarrheim bereits freudig begrüßt. Auch Teresa Anderka und ihre Söhne blicken dem Besuch des Erzbischofs gespannt entgegen. Als sie diesen endlich erspähen können, sind die Kinder jedoch kurz irritiert: „Wo ist denn ihr Bischofsstab?“, fragen sie kritisch nach. Stimmt, zu einem echten Erzbischof gehört auch der Bischofsstab. Sogleich wird überprüft, ob sich die Insignie nicht noch im Gepäck des Bischofs versteckt.
Während Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz dann offiziell in Empfang genommen wird, verbreitet sich im Hintergrund Erleichterung unter den jüngsten Besuchern: Der Bischofsstab ist da und darf sogar von den Kleinsten selbst getragen werden, bevor er seinem Besitzer, Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, übergeben wird. 16.00 Uhr – eine weitere kirchliche Zeremonie steht auf dem Programm. Die Vesper in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist. Für diese hat sich der örtliche Organist eine besondere Überraschung einfallen lassen, die den neuen Paderborner Erzbischof zugleich auf die Probe stellt. Sobald der letzte Ton verklungen ist, stellt Diakon Michael Thamm die entscheidende Frage: „Haben Sie ihn erkannt? Das war der Libori-Tusch.“ Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz lacht nickend.
„Ein eigener Bulli wäre schön“
17.00 Uhr – Im Korbacher Jugendraum wird es eng. Das merkt auch Dekanatshund Goldendoodle Yussuf. Der Raum, den sich die Jugendlichen während der 72-Stunden-Aktion hergerichtet haben, wird heute zum Ort einer ganz besonderen Begegnung. Hier versammeln sich Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz und Generalvikar Dr. Michael Bredeck, um mit den Jugendleitern ins Gespräch zu kommen. Die Jugendlichen lassen ihrem Erzbischof den Vortritt und stellen ihm Fragen zu Lieblingszitaten, Begegnungen mit der Jugend und seiner Meinung zur Liturgie in der Kirche.
Dann ist der Erzbischof an der Reihe. Was möchte er von den Jugendlichen erfahren? Viel – so viel ist sicher. Auf die Frage „Was unternehmt ihr als Gruppe?“, weiß Jugendleiterin Emily ein besonderes Anliegen zu platzieren: „Wir fahren zu Veranstaltungen wie Young Mission. Weil wir alle aus verschiedenen Dörfern kommen und nur wenige schon einen Führerschein haben, wäre ein eigener Bulli schön.“ Auf die forsche Bitte folgt Gekicher, bevor Astrid Lessing, Referentin für Jugend und Familie im Dekanat, erklärt: „Wir liegen mit der Anzahl der Katholiken leider knapp unter der erforderlichen, damit ein Bulli finanziert wird.“ Glücklicherweise können sie weiterhin den Bulli aus Waldeck nutzen, auch wenn das mit einem erhöhten Organisationsaufwand verbunden ist. Ein zu verschmerzendes Manko, das die Diaspora mit sich bringt.
Pflichtbewusstsein wird jedoch auch hier großgeschrieben. So unterbricht Messdiener Peter Hast die Unterhaltung 15 Minuten vor der Marienandacht mit dem Hinweis, dass er sich nun vorbereiten müsse. Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz hat den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden, verabschiedet sich von den Jugendlichen und Dekanatshund Yussuf, um sich ebenso auf die Andacht vorzubereiten.
Entgegen allen Widrigkeiten
18.00 Uhr – die Marienandacht in der St. Marien-Kirche in Korbach beginnt. Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz in seiner Ansprache: „Maria“ sei die Hörende gewesen. So sollten auch wir es ihr gleichtun, aufeinander hören, einander wahrnehmen und aufnehmen. Zugehört hat auch der Erzbischof bei seinem Besuch im Dekanat Waldeck. Mehr als acht Stunden dauert dieser nun schon an. Viele hätten ihm bis hierhin erzählt, was sie bewegt: „Ich spüre, dass hier Menschen sind, die etwas wollen. Menschen, die miteinander etwas teilen wollen. Und das ist nicht leicht angesichts der räumlichen Verstreutheit hier in der Diaspora.“ Umso mehr begeistere ihn die Willenskraft der Gläubigen, ihren Glauben trotz der Widrigkeiten gemeinsam zu leben.
18:30 Uhr. Ausgelassene Stimmung auf dem „Markt der Möglichkeiten“ vor der Kirche. Hier präsentiert sich das Dekanat Waldeck noch einmal in all seinen Facetten. Stände der Jugendlichen, des Orgelbauvereins, der KFD, der Initiative für Sprachkurse und der Ukraine-Hilfe. Ein Highlight: die Bibelerzählwerkstatt. Das alles, die Vielfalt, die er heute bei seinem Besuch in der Diaspora erleben durfte, beeindruckt den Erzbischof. „Den Orten im Dekanat Waldeck nun Menschen und Geschichten zuordnen zu können, erfüllt mich mit wertvollen Erfahrungen“, resümiert er den ersten Tag seiner Reise durch die Dekanate des Erzbistums: „Die ersten Steine im Mosaik ‚Erzbistum Paderborn‘ sind gelegt, ich bin gespannt, wie das in einigen Monaten aussieht.“