Aus dem dunklen Keller ins Rampenlicht
Einkaufen, Leute treffen, Neuigkeiten erfahren – was früher alltäglich war, ist heute mancherorts kaum noch möglich: Der Internethandel hat viele Geschäfte zum Aufgeben gezwungen. In Rüthen hält die Caritas-Konferenz dagegen.
Blank poliert und akkurat aufgereiht stehen die Gläser in der Vitrine: Wein, Likör, Sherry oder Bier – alles da. Das Goldrand-Geschirr im Regal daneben ist ziemlich „retro“, aber mindestens genauso edel. Wesentlich moderner wirkt ein schlicht-elegantes Service eine Etage tiefer. „Schauen Sie sich ruhig um, hier gibt es jede Menge Auswahl“, sagt Walburga Mertens und weist auf die nächsten Regale, wo noch zahllose Gläser und die verschiedensten Geschirre präsentiert werden – indirekt beleuchtet, schön dekoriert. „Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie die Neuerwerbung unterbringen können: Wir haben auch Möbel im Angebot“, fügt sie hinzu.
Da reicht die Auswahl von Tischen und Stühlen bis hin zu Schränken und Kleinmöbeln. „Gutes erhalten, Umwelt schonen, günstig einkaufen“, lautet die PhilosophieWas sich als Mischung zwischen Porzellan- und Möbelgeschäft hier an der Mittleren Straße 7 in Rüthen präsentiert, ist allerdings gar kein Geschäft im üblichen Sinne, sondern ein Projekt der Caritas-Konferenz St. Nikolaus und St. Johannes Rüthen. „aufgemöbelt“ steht draußen über dem Schaufenster, von Caritas ist nicht die Rede. „Wir wollten es etwas anders machen“, erklären Christa Mertens und Hanne Fromme das andere Design: „Caritas klingt für manche zu sehr nach Bedürftigkeit.“
Eine Runderneuerung
Christa Mertens war als Gemeindereferentin für die Caritas-Arbeit zuständig und macht im Ruhestand ehrenamtlich weiter, Hanne Fromme gehört zum Leitungsteam der CKD. An den Start gegangen ist „aufgemöbelt“ bereits im Advent 2020, die offizielle Eröffnung folgte bedingt durch die Pandemie dann im September 2021. „Zuvor gab es über Jahrzehnte einen Keller unter der Turnhalle für gebrauchte Möbel und Haushaltswaren“, erinnert sich Hanne Fromme an ein Umfeld, das wenig attraktiv war. Den Anstoß zur „Runderneuerung“ gaben dann Helga und Dieter Kooke.
Sie waren nach 40 Jahren in Hamburg nach Rüthen zurückgekommen, wollten sich engagieren und hatten Ideen. „Einladend mit schönem Ambiente“ sollte das Nachfolgeprojekt des Möbelkellers werden. „Bei der Suche nach einem passenden Standort hatten wir dann Glück“, blickt Christa Mertens zurück: „Der Eigentümer tut ein gutes Werk, für den Laden in sehr guter Lage zahlen wir nur die Nebenkosten.“ Ein „Sechser im Lotto“ war zudem die Tatsache, dass in den Räumen früher wirklich ein Porzellangeschäft untergebracht war und die Ausstattung mit Regalen und Beleuchtung noch vorhanden war. So stand einer perfekten Präsentation nichts mehr im Wege. Diesen Anspruch haben die Aktiven auch in anderer Hinsicht: Flyer, Internetseite und alles Drumherum sind professionell gestaltet, damit nichts „gebastelt“ wirkt.
Insgesamt zählt die CKD Rüthen rund 80 Aktive, davon 13 Männer. Sie kümmern sich darum, die Möbel abzuholen und für die Präsentation im Geschäft aufzuarbeiten. „Alle dürfen hier einkaufen“, sagt Hildegard von Fürstenberg, die ebenfalls zum achtköpfigen Team im Laden gehört. Niemand muss seine Bedürftigkeit nachweisen. So kommen Menschen mit wenig Geld genauso wie andere, die beim Konsum auf Nachhaltigkeit achten und lieber gebraucht kaufen – ein Trend, der gerade bei jungen Menschen verbreitet ist. Entsprechend ist auch nicht von „Gebrauchtem“, sondern von „schönen Dingen mit Geschichte“ die Rede. Für Christa Mertens ist es wichtig, dabei die Motivation, aus der heraus man sich engagiert, nicht zu vergessen: „Bei der Frage, warum wir das tun, geht es um unseren Anspruch als Christen, füreinander da zu sein und zu sorgen und natürlich auch um Spiritualität.“ Deshalb hat sie den Gedanken, im Geschäft – diesem „Andersort von Kirche“ – auch Gottesdienste zu feiern.
„Füreinander da sein“ – dieser Anspruch wird bei „aufgemöbelt“ auch in anderer Hinsicht verwirklicht: Um einen großen Tisch mitten im Geschäft sitzen Elisabeth Beckmann, Ida Diemel, Christel Albring und Leni Hermes. Angeregt unterhalten sich die vier älteren Damen bei Kaffee und Streuselkuchen. Elisabeth Beckmann kommt regelmäßig. Sie habe zwar ein schönes Zuhause, „aber ich brauche Abwechslung“. „Einsamkeit macht krank“, sagt Ida Diemel, „und dem kann man hier doch prima vorbeugen!“ „Es soll eben nicht nur um das Verkaufen gehen“, erläutert Hanne Fromme, „auch soziale Kontakte sollen hier aufgemöbelt werden.“ Dazu gibt es die unterschiedlichsten Angebote und Veranstaltungen von regelmäßigen Treffen bis zu Nähkursen oder Workshops über „Upcycling“.
Sich nicht als bedürftig outen
Die Tatsache, dass man sich hier nicht als bedürftig outen muss, macht es nach Ansicht von Hanne Fromme für viele Menschen leichter, in den Laden zu kommen. Platz für Neues schaffen, ohne das Alte einfach wegzuwerfen, sondern es einer neuen Verwendung zuführen und es auf diese Weise wertschätzen: Die Idee hinter „aufgemöbelt“ ließe sich auch auf die Arbeit der CKD im Erzbistum Paderborn übertragen, findet Dorothee Schulte vom CKD-Diözesanvorstand: „Vieles ist im Moment im Umbruch, manches muss man auslaufen lassen, damit etwas anderes entstehen kann.“ Der Spagat, das hinzubekommen, ohne verdiente Ehrenamtliche vor den Kopf zu stoßen, sei nicht einfach. „Aber das müssen wir schaffen!“
In das Klagelied, dass das Ehrenamt auf dem Rückzug sei, will man hier nicht einstimmen. Mit Blick auf die zahlreichen „Boomer“, die aktuell und in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen, gebe es ein großes Potenzial an Menschen, die sich engagieren wollten und fit seien, meint Wolfgang Möser vom CKD-Diözesanvorstand. „Passgenaue Angebote“ seien wichtig: „Mit unseren Talentbörsen, die regelmäßig stattfinden, haben wir gute Erfahrungen gemacht.“ Statt Aufgaben zu verteilen oder Vorstandsposten zu vergeben, komme es darauf an, gezielt nach Talenten und Wünschen zu fragen: „Was können sich potenzielle Ehrenamtliche gut vorstellen, was möchten sie auf keinen Fall übernehmen?“
Nicht klagen
Wenn Kirche an gesellschaftlicher Relevanz verliere, dürfe sie sich nicht zurückziehen und klagen, sondern müsse „rausgehen“ und über den eigenen Tellerrand hinausschauen, finden die Frauen. Deshalb bleibt die CKD nicht im „kirchlichen Dunstkreis“: Der Erlös von „aufgemöbelt“ wird jedes Jahr gespendet und geht in erster Linie an Einrichtungen für Kinder und Jugendliche – unabhängig davon, ob diese katholisch sind oder nicht. Walburga Mertens hat in der Zwischenzeit eine Kundin beraten, die Gläser suchte. „Verkaufen lernt man schnell“, meint sie. Einmal in der Woche steht die Rüthenerin für zwei Stunden hinter der Ladentheke. Bei der Preisgestaltung helfen die entsprechenden Gebrauchtbörsen im Internet. Auch wenn alles im Geschäft mit einem Preis ausgezeichnet ist, gibt es einen Verhandlungsspielraum. „Und wenn man sieht, dass die Leute, die vorher um jeden Euro gefeilscht haben, draußen in einen schicken BMW steigen, dann verbucht man das unter Lehrgeld“, erklärt Christa Mertens und lacht.
Stichwort: Caritas-Konferenzen
„Wir sind ein Netzwerk von rund 15 000 Ehrenamtlichen im Erzbistum Paderborn, die vor Ort unterschiedlichen Notlagen entgegenwirken möchten“, heißt es auf der Internetseite der Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn (www.ckd-paderborn.de): „Unsere Hilfe richtet sich vor allem an Senioren, Flüchtlinge, Familien, Menschen mit Behinderungen, arme und kranke Menschen.“ Hier gibt es umfangreiche Informationen zu den Hilfen der CKD und zu den Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren.„aufgemöbelt“ ist auch im Internet zu finden: www.aufgemoebelt-ruethen.deInformationen zu den weiteren Angeboten der CKD in Rüthen: www.ckd-ruethen.de