Austausch und Unterstützung
Seit 1960 setzt sich die Deutsch-Französische St. Liborius-Fraternität für ein Miteinander zwischen Paderborn und Le Mans ein. Entstanden im Geiste der Nachkriegszeit, hat sich die ehemalige St.-Liborius-Priesterbruderschaft stets weiterentwickelt.
Die Erfahrungen der Nachkriegsjahre und erste Kontakte zwischen Priestern aus dem Bistum Le Mans sowie dem Erzbistum Paderborn waren der Antrieb – 1960 gründete sich die St.-Liborius-Priesterbruderschaft. Heute steht dahinter ein eingetragener Verein, der offen ist für alle, „die guten Willens sind“, erklärt Reinhard Bürger. Der Pfarrer im Ruhestand gehört in- zwischen seit 40 Jahren dem Vor- stand an, 16 davon als Vorsitzender.
„Wir wollten etwas tun für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich“, fasst Bürger die damalige Idee zusammen. Das spiegelt sich auch in der Satzung von 1960 wider. Gemeinsames Gebet, Austausch und gegenseitige Unterstützung waren die Grundpfeiler. Da Frankreich ein laizistischer Staat war und ist, gibt es beispielsweise keine Kirchensteuer. Spenden aus Paderborn wurden des- halb unter anderem für ein Altenheim für Priester in Le Mans verwendet.
Das Gebäude wurde um einen Speisesaal sowie einen Aufzug erweitert. „Ab Mitte der 1960er-Jahre gab es dann Studientage zu aktuellen politischen und sozialen Themen“, so Reinhard Bürger, der seit 1975 Mitglied ist. Europa, die Wirtschaft oder die kirchliche Jugendarbeit waren Inhalte der Studientage, die alle zwei Jah- re abwechselnd in Frankreich und Deutschland abgehalten wurden.
„1990 fanden die Studientage dann in Magdeburg statt. Es gab vorher immer einen Tagesausflug an die deutsch-deutsche Grenze. Deshalb lag es nahe, nach Magdeburg zu fahren“, erinnert sich der Pfarrer im Ruhestand. Mit dabei waren auch Meinolf Wacker, inzwischen Pastor in Kamen, sowie der heutige Kardinal Reinhard Marx.
Gerhard Nachwei, der damals das Seelsorgeamt des Bischöflichen Amtes innehatte, sollte einen Vortrag über die aktuelle politische Situation und die Rolle der Kirche halten – das war schwierig. Denn für die Freunde aus Le Mans musste der Text ins Französische übersetzt werden. „Hätten wir die Rede eine Woche vorher gehabt, wäre das kein Problem gewesen.“ Doch Nachwei händigte das Papier erst einen Tag vorher aus. Und das bedeutete eine anstrengende Nachtschicht für die drei Priester. Doch schließlich lag die Übersetzung, verfasst in Handschrift, rechtzeitig vor.
In den 2000er-Jahren entwickelte sich eine neue Form der Begegnung. Die Studientage wurden beendet und die gegenseitigen Besuche zum Juliansfest in Le Mans und zu Libori in Paderborn immer beliebter. Seither werden Reisebusse eingesetzt, die immer gut gefüllt sind. Heute hat die Fraternität gut 200 Mitglieder und eine aktive Jugendarbeit. „Es gibt Vikare, die sich dafür stark- machen“, so Bürger, der sich deshalb keine Sorgen um die Zukunft des Fraternität macht. Die Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg spielen allerdings nur noch eine geringe Rolle. Viele Hoffnungen auf Aussöhnung mit den Nachbarn haben sich mittler- weile erfüllt. Die Feindschaft zwischen beiden Ländern gibt es nicht mehr, Reisen ohne Grenzkontrollen sind längst Realität. Heute seien die Zukunft Europas oder der katholischen Kirche zentrale Themen.
Die Fraternität – auch mit ihrer Jugendabteilung – ist heute aktiv im konkreten Austausch unter den Menschen der beiden Bistümer mit ihren Themen der Zukunft in einem gemeinsamen Europa und der Zukunft der Kirche.
// Wolfgang Maas