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29.01.2025
Das aus Gold und Eisen äußerst filigran gearbeitete Dosenschloss misst nur 1,1 cm x 1,2 cm und muss von einem hochspezialisierten Kunsthandwerker/ Schlosser im provinzialrömischen Gebiet gefertigt worden sein.
Foto / Quelle: LWL /S. Brentführer

Besonderer Fund in Petershagen

Römisches Miniatur-Dosenschloss aus Gold fasziniert Forschende.

Petershagen

Einen besonderen Fund aus römischer Zeit hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Münster präsentiert. „Das nur 1,2 mal 1,1 Zentimeter große goldene Schloss aus dem 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus ist nach aktuellem Forschungsstand wohl einzigartig in Europa – kleiner als die Ein-Euro-Münze aber so viel wertvoller“, sagte Dr. Georg Lunemann, der Direktor des LWL. „Dass wir hier in Westfalen mit so hochkarätigen Funden aufwarten können, begeistert mich“, so Lunemann weiter.

Als der lizenzierte Sondengänger Constantin Fried 2023 bei der LWL-Archäologie für Westfalen in Bielefeld Funde meldete, hielt er für die Fachleute eine Überraschung bereit: In Petershagen-Frille (Kreis Minden-Lübbecke) auf einem Acker hatte er ein wegen seiner Form sogenanntes Dosenschloss aus Gold entdeckt. „Ich konnte es selbst kaum glauben, als ich den Fund in der Hand hielt“, berichtete Fried. „Denn solche römischen Schlösser sind normalerweise viel größer und bestehen aus Eisen oder auch bronzenen Teilen.“

Das römische Miniatur-Dosenschloss, kleiner als eine Ein-Euro-Münze, und seine vergrößerte Rekonstruktion sorgen für große Begeisterung bei Dr. Georg Lunemann, dem Direktor des LWL, und LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Im Hintergrund Dr. Ulrich Lehmann vom Sachgebiet Sondengehen und Magnetangeln und Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe von der Außenstelle Bielefeld, LWL-Archäologie für Westfalen.
Foto / Quelle: LWL/Julia Großekathöfer

Da der Fund äußerlich aber baugleich mit regulären römischen Dosenschlössern ist, waren sich auch die LWL-Expertinnen und  -Experten schnell sicher, dass es sich tatsächlich um die Miniaturausgabe eines solchen Schlosses handelte. „Das Schloss wurde sicher im provinzialrömischen Gebiet hergestellt und kann nach Form, technischem Aufbau und Verzierungsstil in das 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus datiert werden“, sagte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, selbst Archäologin. Diese Schlösser dienten wahrscheinlich dazu, Truhen oder ähnliches zu schützen, ähnlich heutigen Schmuckschatullen.

Nach Westfalen kann das Miniaturschloss auf verschiedenen Wegen gelangt sein, zum Beispiel als Handels- oder Raubgut. „Vielleicht hat ein Angehöriger einer einheimischen Elite das exquisite Kleinod bei seiner Rückkehr aus dem römischen Militärdienst als Andenken oder Geschenk mit zurück in die Heimat gebracht“, sagte Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie. Sicher war das Miniaturschloss dort ein spektakuläres Objekt, egal, ob es noch funktionierte, denn auch defekt hätte es beispielsweise noch als kurioses, aber kostbares Schmuckstück getragen werden können.

„Das goldene Miniatur-Dosenschloss steht in Europa bisher völlig allein da und ist der bisher nördlichste Fund eines Dosenschlosses in Deutschland“, betonte Rind die Relevanz des Fundes. „War es eine Einzelanfertigung oder wurden ähnliche kostbare Miniaturen nur bisher nicht gefunden? Diese und weitere Fragen werden uns noch weiter beschäftigen.“

Durch den in Messing und Stahl im Maßstab 4:1 erstellten Nachbau des Dosenschlosses ließ sich die handwerkliche Leistung bei der Anfertigung des winzigen Dosenschlosses annähernd nachvollziehen (Rekonstruktion: LWL- /Eugen Müsch).
Foto / Quelle: LWL /Stefan Brentführer

Für das Gehäuse des über 1.600 Jahre alten Schlosses, dessen Schlüssel und Kette fehlen, wurden zwei zylinderförmige Bleche oben und unten mit Deckeln verschlossen und mit drei Nieten gesichert. Das äußere Blech ist mit zwei umlaufenden Reihen gegenübergestellter Durchbrüche fein verziert. Weil bei der ersten genaueren Betrachtung des Stücks in der Restaurierungswerkstatt des LWL ein Ketten-Endglied und ein verrosteter eiserner Kern im Inneren zu erkennen war, stellte sich den Fachleuten die Frage, ob das Schloss trotz seiner geringen Größe einen funktionstüchtigen Mechanismus hatte.

Um das herauszufinden, setzten die Forschenden eine bisher in der Archäologie selten genutzte Untersuchungsmethode ein. Denn normale Röntgenaufnahmen lieferten zunächst keine brauchbaren Hinweise. „Auch eine 3D-Röntgen-Computertomografie konnte aufgrund der hohen Dichte der goldenen Schlosshülse nur die ebenfalls aus Gold bestehenden Nieten und das Kettenendglied im Inneren zeigen“, erläuterte Rind. Daher suchte man nach einer anderen Methode, um dem Innenleben des Schlosses auf die Spur zu kommen.

Die Lösung war eine „3D-Neutronen-Computertomografie“ (CT): „Solche CT-Untersuchungen haben wir bereits häufiger im archäologischen Kontext angewendet, insbesondere an metallischen Objekten. Hier bot sich eine auch für uns spannende Möglichkeit, die Methode interdisziplinär zu gebrauchen, mit tollen Ergebnissen“, so Dr. David Mannes vom Paul Scherrer Institut (PSI) in Villingen (Schweiz), der die Messung zusammen mit seinem Kollegen Dr. Eberhard Lehmann durchgeführt hat.

Die Neutronencomputertomografie zeigt alle Einzelheiten vom Aufbau des Dosenschlosses.
Foto / Quelle: Paul-Scherrer-Institut/Villigen [CH]/ David Mannes

Die Bildqualität des Neutronen-CT bedeutete für das Forscherteam den Schlüssel zum Verständnis des eisernen Mechanismus im Miniaturschloss: Die Schnittbilder zeigen einen Rahmen mit Feder und mutmaßlicher Führungsschiene, einen Riegel, eine Grundplatte sowie einen Dorn. „Sie zeigten auch, dass die Mechanik zwar weitgehend vollständig, aber beschädigt ist, denn offensichtlich hatte man seinerzeit in dem Schloss herumgestochert, wohl um es aufzubrechen oder um eine Blockade zu beheben“, weiß der Finder Constantin Fried, der sich über die fortschreitenden Untersuchungen seines bisher bedeutendsten Fundes auf dem Laufenden hielt.

„Trotz der Schäden ließen sich die Funktion des Mechanismus und der verlorene Schlüssel gut rekonstruieren, denn Form und Maße der Bauteile ließen Schlüsse zu. Aber auch Vergleichsfunde halfen hier weiter“, erklärte Rind. Ein Restaurator der LWL-Archäologie hat einen voll funktionstüchtigen Nachbau des Schlosses hergestellt, viermal größer als das Original. Rind: „Mit dem noch steckenden Ketten-Endglied ließ sich für das Schloss außerdem eine Gliederkette rekonstruieren, die mindestens sechs Elemente gehabt haben muss, damit das Schloss funktionierte.“

„Der außergewöhnliche Fund aus Petershagen zeigt die hohe Kunstfertigkeit des provinzialrömischen Kunstschmiede- und Schlosserhandwerks“, so Rüschoff-Parzinger. Zugleich gebe der Fund den LWL-Archäolog:innen neue Hinweise auf die Beziehungen zwischen den einheimischen Eliten in Westfalen und dem Römischen Reich sowie auf die mögliche lokale Bedeutung seines Fundplatzes.

lwl
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