Bischof Meier: Ukrainer haben Optimismus verloren
Fünf Tage hat Bischof Bertram Meier die Ukraine im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz bereist. Von der früheren Zuversicht spürt er nichts mehr.
Nach Einschätzung des Augsburger Bischofs Bertram Meier hat sich die Stimmung in der Ukraine mit Blick auf den Ausgang des Krieges deutlich verschlechtert. „Vor zwei Jahren waren die Leute siegessicher. Es herrschte die Haltung: Wir lassen uns nicht in die Knie zwingen und verteidigen unser Vaterland“, sagte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Heute ist die Stimmung gedrückt. Den Menschen ist die schwierige militärische Lage in der Ostukraine mit ihren verhärteten Fronten sehr bewusst.“
Meier hat das Land von Samstag bis Mittwoch besucht. Bereits im Juni 2022, wenige Monate nach dem russischen Angriff, war er als Abgesandter der katholischen Kirche in Deutschland in die Ukraine gereist.
Auch das Verhältnis zwischen den Ukrainern und Präsident Selenskyj sieht Meier stark abgekühlt. „Von der früheren Verehrung für ihn merkt man heute nicht mehr viel. Ich hörte zwar keine laute Kritik am Präsidenten; aber zwischen den Zeilen wurde deutlich, dass Selenskyjs Nimbus als Volksheld verblasst“, so der Bischof. Es werde wahrgenommen, dass Selenskyj auf der internationalen Bühne an Unterstützung einbüße. „Aus seinen Bitten um Waffenhilfe ist ein Fordern geworden.“
Es gibt noch Entschlossenheit
Kriegsmüdigkeit sei ihm bei seinen Treffen in Kiew und Lviv (Lemberg) aber nicht begegnet, so der Weltkirche-Bischof weiter. „Es gibt schon noch diese Entschlossenheit: ‚Wir machen weiter, wir kämpfen weiter.'“ Aber gleichzeitig sei ein Bewusstsein um die deutlich verschlechterte Gesamtlage verbreitet.“ Für jeden sei erkennbar, dass der Ukraine Waffen und Munition ausgehen und es immer weniger Rekruten gebe.
Angesprochen auf den Verhandlungsappell von Papst Franziskus im März sagte Meier: „Kein vernünftiger Mensch kann in dieser Situation des Leidens und der militärischen Unterlegenheit sagen: Wir lehnen Verhandlungen generell ab.“ Zugleich sei klar, dass Russland den völkerrechtswidrigen Krieg begonnen habe und die Ukrainer für ihr Land und ihre Unabhängigkeit kämpfen wollten. Deutschland und Europa hätten die Pflicht, die Freiheit der bedrängten Ukraine zu unterstützen. „Aber im Krieg sollte auch die Möglichkeit des Gesprächs immer in Erwägung gezogen werden.“