„Der Mensch ist wichtiger als Geld“
Karl-Josef Laumann ist der wohl bekannteste Sozialpolitiker der CDU. Leiten lässt er sich von der katholischen Soziallehre. Politiker wie ihn gibt es nicht mehr oft.
Kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr. Der nordrhein-westfälische Landtag tritt zu seiner letzten Sitzung vor dem Fest zusammen. Es geht um die Frage, wie sich Kommunen und Bürger an Windparks beteiligen können. Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann von der CDU vertritt in der Debatte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. Er liest eine vorbereitete Rede ab. Zum Ende blickt er vom Papier auf und schaut ins Plenum. „Das war in diesem Jahr sicherlich meine letzte Rede“, sagt Laumann. „Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten. Ich freue mich riesig, dass Christus geboren wurde. Denn das ist für uns Menschen ein Zeichen, das unverzichtbar ist und nur gute Werte hat. An eines muss man aber auch denken: Wenn er nicht geboren wäre, gäbe es keine CDU.“ Unter Gejohle und Beifall und mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht verlässt Laumann das Rednerpult.
Diese Szene ist typisch für ihn: Sie zeigt seinen Glauben, seine Treue zur Partei, seinen Humor und sein rhetorisches Talent.
Dass der 67-Jährige bereits in der dritten Wahlperiode Minister einer NRW-Landesregierung ist, wurde ihm keineswegs in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Landwirtes wuchs Laumann in der Bauernschaft Birgte im Münsterland auf. 1973 begann er eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. 17 Jahre arbeitete Laumann in diesem Beruf. Eine Herkunft, die er nie vergessen hat. „Wenn ich mich in meinem Ministerium um eine Stelle beworben hätte, mit meiner Ausbildung, die hätten sich hier kaputt gelacht und meinen Brief zurückgeschickt“, sagte Laumann einmal der Zeitung „Die Zeit“.
Im Münsterland seiner Kindheit war der katholische Glaube selbstverständlich. Diese Frömmigkeit hat sich Laumann erhalten. „Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich ein sehr religiöser Mensch bin“, sagt er. „Aber deswegen bin ich kein besserer Mensch.“ In seinen Reden finden sich immer wieder Anspielungen auf Religion und Kirche. Etwa bei einem Grünkohlessen im Frühjahr in Niedersachsen: „Wenn du in der Demokratie die Mehrheit hast, kannst du alles ändern – außer die Zehn Gebote.“
„Ich gehe gerne zur Kirche“
Nun, im Interview in seinem Büro, sagt er: „Einen Tag, an dem ich nicht an den lieben Gott denke, gibt es nicht. Ich gehe auch gerne zur Kirche.“ Die wichtigste Botschaft für Laumann: Der Mensch ist Ebenbild Gottes. „Gottvater hat nun mal seinen Sohn als Mensch auf diese Erde geschickt und nicht als etwas anderes“, sagt er in seiner klaren und schnörkellosen Sprache. Für ihn hat diese Botschaft Konsequenzen: „Der Mensch ist einfach wichtiger als die Sache und das Geld.“
Schon als Jugendlicher engagierte sich Laumann in der CDU, später auch in der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). Deren Gründer Wilhelm Emmanuel von Ketteler wirkte im 19. Jahrhundert als Pfarrer in Hopsten, 20 Kilometer von Laumanns Geburts- und Wohnort entfernt. Deshalb begegnete Laumann schon früh der christlichen Soziallehre. Er sagt, sie sei heute noch wie eine Betriebsanleitung für ihn als Minister: „Kettler ist es gelungen, Eigentum, Freiheit und Eigenverantwortung in einen geistigen Zusammenhang zu bringen mit Nächstenliebe und Solidarität.“
Laumann trat in der CDU für einen Mindestlohn ein, als andere diesen als Teufelszeug brandmarkten. Heute „politisiere“ die SPD ihn und wolle die Höhe politisch festlegen, kritisiert Laumann: „Auch wenn die Mindestlohnkommission bisher keinen guten Job gemacht hat: Es ist grundsätzlich schon gut, wenn die Sozialpartner das machen.“ Eine Mischung aus Solidarität und Eigenverantwortung ist für Laumann das Kernelement der CDU-Sozialpolitik. Staatliche Hilfe müsse vor allem das Ziel haben, Hilfsbedürftigkeit zu überwinden.
In seiner Partei gehört Laumann nicht zum Mainstream, Haltungen von Parteifreunden kritisiert er auch mal. „Wenn wir über den Leistungsgedanken reden, wäre mir wichtig, dass deutlich wird, dass der Fleiß eines Menschen sich nicht am Gehaltszettel messen lässt“, sagt er. „Wer eine Sparkasse leitet, der verdient sehr viel Geld. Aber wer morgens um 5 Uhr aufsteht und die Sparkasse sauber macht, ist auch fleißig.“
Laumann sieht sich als Korrektiv in seiner Partei: „In einer Zeit, wo in der Union womöglich Wirtschaftsinteressen noch mehr an Bedeutung gewinnen und die Balance zu den sozialen Belangen in Schieflage geraten kann, habe ich mir gesagt: Das ist mir jetzt egal, ich kandidiere als stellvertretender CDU-Vorsitzender.“ Mit dem besten Ergebnis aller Kandidaten wurde Laumann in den Parteivorstand gewählt.
„Ein bisschen abgeschoben“
Seit mehr als 30 Jahren ist Laumann hauptberuflicher Politiker. Auch hinter vorgehaltener Hand bekommt man keine bösen Geschichten über ihn zu hören. Wenn er um Mehrheiten ringt, schafft er das offenbar ohne Intrigen. Mehrfach in seiner Karriere stellte er sich Kampfabstimmungen.
Nach der Wahlniederlage der CDU in NRW 2012 wechselte er als Patienten- und Pflegebeauftragter der Bundesregierung nach Berlin. „Da fühlte man sich schon ein bisschen abgeschoben. Man hätte es auch Aktion Abendsonne nennen können.“ Doch Laumann kam wieder. Und wurde 2017 erneut Minister in Düsseldorf. Gut möglich, dass das nicht die letzte Station für ihn ist. Sollte die CDU nach einem Wahlsieg das Arbeitsministerium in Berlin für sich reklamieren, wäre Laumann ein Kandidat.