Noch zu spüren: Die Folgen des Kolonialismus
„Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“ heißt eine eine Ausstellung des LWL, die noch bis zum 26. Oktober 2025 in der Zeche Zollern in Dortmund zu sehen ist.
„Was hat Kolonialismus heute noch mit uns zu tun?“ Diese Frage liest jeder Besucher und jede Besucherin gleich zu Beginn des Rundgangs durch die Ausstellung „Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“. Zu leichtfertig sollte man nicht mit „Nichts“ antworten, obwohl die deutsche Kolonialzeit offiziell bereits 1919 endete.
„Schokolade gibt es noch heute“, sagt Zola Wiegand M’Pembele, die gemeinsam mit Phyllis Quartey und Kuratorin Julia Bursa das Begleitheft entwickelt hat und Führungen in der Ausstellung leitet.
Und es gibt auch heute noch Besen und Usambaraveilchen. Beides ist in der Ausstellung, die auf 600 Quadratmetern Fläche 250 Exponate zeigt, eine interaktive Karte der Erinnerungsorte, 30 Hörstationen sowie künstlerische Interventionen bietet, vertreten. „Die Veilchen stammen ursprünglich aus dem heutigen Tansania, bevor sie ihren Siegeszug auf deutschen Fensterbänken antraten“, erklärt Kuratorin Dr. Barbara Frey.
Und die Borsten der Besen bestehen aus der Pflanzenfaser Piassava, die Unternehmer ab 1845 aus Venezuela und Brasilien importierten. Verarbeitet wurde das Material dann in Deutschland und wieder in die Kolonien exportiert. Die Menschen dort verdienten daran so gut wie nichts, Industrielle auch aus Westfalen sicherten sich so ihren Wohlstand. Die Kolonien wirtschaftlich ausbeuten wollte auch Friedrich von Romberg aus Hemer. Er ging in die Geschichte ein als „Sklavenhändler aus dem Sauerland“ – und als Wohltäter für seine Heimatstadt. Ein Film und Dokumente belegen beides.
Eine Abteilung ist den christlichen Kirchen gewidmet. Katholische Orden unterhielten Missionsmuseen. Auch religiöse Gegenstände aus Afrika, die Geistliche außer Landes schafften, waren hier zu sehen. Die Erlöse gingen in die Missionsarbeit, ebenso wie Spenden aus den Kirchen. Hier standen häufig Sammelkästen, die künstlerisch gestaltet wurden. Ein solcher ist auf Zollern zu sehen. Ein dunkelhäutiger Junge in weißem Gewand kniet dort, dankt quasi für die Unterstützung. „Das prägte das Bild von Afrikanern“, sagt Dr. Frey. Einfache Menschen, die nichts dringender brauchen als die Hilfe der überlegenen Europäer – ein fatales Klischee.
Die Evangelische Kirche in Westfalen machte sogar einen regelrechten Wettbewerb aus der Unterstützung. 10 Pfennig sollte jeder Jugendliche, der zur Konfirmation ging, für ein Missionsboot in der Südsee spenden. Der Erfolg war enorm. „Das Boot sank allerdings nach einem Jahr und so wurde erneut zu Spenden aufgerufen.“ Diesmal kam sogar noch mehr Geld zusammen.
Es gibt auch einen Raum, mit dem Zola Wiegand M’Pembele und Phyllis Quartey „sehr große Schwierigkeiten“ haben. Zu sehen sind vermeintlich harmlose Spiele, Bücher und Comics. „Tim im Kongo“ aus der Tim-und-Struppi-Reihe etwa. Oder Pippi Langstrumpf. „Das Buch kam bei meinen Eltern nicht ins Haus“, sagt Zola Wiegand M’Pembele mit Nachdruck. Es geht um die Benennung der Menschen, denen Pippis Vater ein König war.
Auch das ist ein Anliegen der Ausstellung – den Blick von Schwarzen auf den Kolonialismus, aber auch den heutigen Alltagsrassismus zu beleuchten. Ein gar nicht so banales Beispiel: In der Ausstellung ist Federschmuck zu sehen. „Dafür mussten junge Menschen Prüfungen bestehen“, so Zola Wiegand M’Pembele. Heißt: Diesen Schmuck bekam man nicht einfach, er bedeutet etwas. Und deshalb sei es unangemessen, sich so im Karneval zu verkleiden. „Da muss es doch etwas anderes geben. Als Verkleidung muss man sich nicht etwas nehmen, was anderen heilig ist“, so Wiegand M’Pembele, die als Kölnerin selbst gerne Karneval feiert.
Nach dem Rundgang wird klar: Der Kolonialismus war im Alltag der Menschen in Westfalen allgegenwärtig. Er war Thema in der Schule, es gab Vereine, die die Bewegung unterstützten und weit verbreitete Zeitschriften veröffentlichten. Es gab die Kolonialwarenhändler und Industrielle, die auf Kosten der Afrikaner reich wurden. Das mag Vergangenheit sein, aber auch der Rassismus im heutigen Alltag basiert auf den damaligen Entwicklungen. „Kolonialismus ohne Rassismus gibt es nicht“, betont Zola Wiegand M’Pembele.
Das war auch die Motivation des LWL, sich im Themenjahr „POWR!“ mit dem postkolonialen Westfalen-Lippe zu beschäftigen. Der Landschaftsverband stehe für Vielfalt und dafür, dass jeder Mensch seinen Platz in der Gesellschaft bekommen müsse. Dies stellte LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann bei der Ausstellungseröffnung klar.
Info
Die Ausstellung im LWL-Museum Zeche Zollern, Grubenweg 5 in Dortmund, hat bis zum 26. Oktober 2025 dienstags bis sonntags jeweils von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Bezahlt werden muss der reguläre Museumseintritt für die Zeche Zollern (5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro). Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren haben dauerhaft freien Eintritt. Tickets können ausschließlich vor Ort im Museum gekauft werden. Eine Reservierung im Voraus ist nicht notwendig. Gefördert wird die Ausstellung von der LWL-Kulturstiftung, dem NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft sowie der Landeszentrale für politische Bildung.www.zeche-zollern.lwl.org/dasistkolonial