Graciele de Oliveira Moreira (2. v. l.) und Vitoria Mayara Alves de Lima (2. v. r.) haben ihr Praktikum in Paderborn fast abgeschlossen. Beide sind Mitglieder der von Johannes Niggemeier (r.) gegründeten Brasilieninitiative AVICRES. Konrad J. Haase (l.) ist ebenfalls bei AVICRES aktiv.
Foto / Quelle: Andreas Wiedenhaus

Ein Austausch, von dem alle profitieren

Zwei junge brasilianische Frauen der Partnerschaftsinitiative AVICRES haben ein einjähriges Praktikum im Paderborner Johannisstift absolviert. Sie sind die ersten AVICRES-­Praktikantinnen, die nach Deutschland gekommen sind.

Paderborn
Von Andreas Wiedenhaus

Das Jahr ist wirklich schnell vergangen und wir haben viel gelernt!“ Graciele de Oliveira Moreira und Vitoria Mayara Alves de Lima sind sich einig, dass sie während ihres Praktikums nicht nur Einblicke in den deutschen Krankenhausbetrieb bekommen haben: „Ich bin selbstbewusster geworden und habe viele ­Herausforderungen gemeistert“, sagt Graciele und Vitoria nickt.Ein Jahr in einem fremden Land. Das erfordert von jungen Menschen Anfang 20 einiges an Mut.

Doch unvorbereitet waren Vitoria und Graciele nicht nach Deutschland gekommen. Beide gehören seit rund zehn Jahren zu ­AVICRES, der 1991 vom Paderborner Theologen Johannes Niggemeier in Brasilien und ein Jahr später in Deutschland gegründeten Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, solidarisch für die etwas zu tun, die in dem südamerikanischen Land keine Lobby haben. Die beiden jungen Frauen haben vor dem Abflug nach Deutschland bei ­AVICRES unter anderem einen Berufsvorbereitungskurs absolviert. Wohnen konnten die beiden in Paderborn bei einer Familie, die ebenfalls zu ­AVICRES gehört.

Austausch soll belebt werden

Die Organisation lag beim Verein „mundus Eine Welt“, der in Kooperation mit dem BDKJ-­Diözesanverband und dem Erzbistum Paderborn Freiwilligendienste im Ausland organisiert. Durch die Teilnahme am „mundus“-­Programm war es für ­AVICRES jetzt zum ersten Mal möglich, zwei Praktikantinnen aus Südamerika nach Deutschland zu schicken. „Das konnte die brasilianische ­AVICRES vorher nicht finanzieren“, sagt Johannes Niggemeier. Bisher waren immer nur kurze Besuche der ­brasilianischen AVICRES-­Mitglieder in Deutschland möglich. „Dabei lag der Fokus auf Besuchen bei den ­deutschen Partnern und der Vorstellung der Projekte. Jetzt ergeben sich für beide Seiten ganz neue Möglichkeiten.“
Die beiden jungen Brasilianerinnen nehmen nicht nur vieles an Erfahrungen mit in ihre Heimat, sie haben auch eine Menge mitgebracht – davon ist Johannes Niggemeier überzeugt: „Wir sind ebenso belohnt worden.“ Der Theologe vertritt schon seit seinem ersten Kontakt mit der in Südamerika entstandenen Befreiungstheologie die Ansicht, dass Deutschland und Europa eigentlich von dort aus missioniert werden müssten. Für Niggemeier ist das positive Fazit des Praktikums außerdem ein Anreiz, den Austausch in der Gegenrichtung wieder anzukurbeln.

Den brasilianischen Sommer vermisst

Konrad J. Haase hat selbst vor einigen Jahren ein AVICRES-­Praktikum in Brasilien gemacht und die beiden Praktikantinnen in ihrer ersten Zeit in Paderborn als Dolmetscher unterstützt. Auch ihm ist es ein wichtiges Anliegen, dass wieder deutsche AVICRES-­Praktikanten nach Brasilien gehen: „Die Bereitschaft dazu hat in den letzten Jahren nachgelassen; zum Beispiel, weil junge Menschen heute schneller ins Studium wollen.“ Und nicht zuletzt Corona habe seine Spuren hinterlassen.Die Rückreise der beiden nach Brasilien steht kurz bevor. Sie werden die Zeit in Deutschland in guter Erinnerung behalten, sind sie sich einig: „Wir haben viele Kontakte geknüpft und eine Menge gelernt.“ Jetzt freuen sie sich auf ihre Familien, die sie während des vergangenen Jahres am meisten vermisst haben.

Auch das brasilianische Essen gehört dazu. „Und das Wetter“, sagt Graciela beim Blick aus dem Fenster. Der deutsche Sommer 2024 zeigt sich gerade wieder von seiner kühlen Seite. „In Brasilien ist es immer warm!“ Da möchten die beiden nicht tauschen – auch wenn sie gern an die Schneemänner denken, die sie im Winter bauen konnten. Bald beginnt für die beiden Frauen eine neue spannende Lebensphase: Vitoria will ein Studium im Bereich Verwaltung aufnehmen, Graciele wird zur Feuerwehr gehen. Das hatte sie schon vor dem Deutschland-­Trip geplant: „Ich möchte einen Beruf haben, in dem ich Menschen direkt helfen kann!“

Hintergrund

Der Name ­AVICRES ist eine portugiesische Abkürzung. Sie bedeutet: „Associação Vida no Crescimento e na Solidariedade“, übersetzt: „Gemeinschaft für das Leben, damit es wachse in Solidarität“. ­AVICRES besteht aus der brasilianischen Organisation AVICRES in Nova Iguaçu (Großraum Rio de Janeiro) und der dazugehörenden deutschen Partnerorganisation „Brasilieninitiative ­AVICRES e. V.“ mit Sitz in Paderborn. Die Projekte der brasilianischen ­AVICRES konzentrieren sich auf die Armenviertel im Raum der Millionenstadt Nova Iguaçu sowie der benachbarten Städte Belford Roxo und ­Mesquita bei Rio de Janeiro. Zu den Schwerpunkten der Arbeit gehören unter anderem die Straßenkinderproblematik, Erziehungs- und Gesundheitsarbeit, der Bildungsbereich sowie der Einsatz für Menschenrechte. www.avicres.de

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