Ein historisches Ereignis
Angehende Radiologen „durchleuchten“ 850-jährigen Patienten und tragen zur Erforschung eines Kulturdenkmals bei.
Er ist etwa 135 Zentimeter groß und für seine rund 850 Jahre noch ziemlich rüstig: Die Rede ist von einem Jesus-Korpus, der jüngst aus der Oelinghauser Klosterkirche im Zuge des Jubiläums 850 Jahre Kloster Oelinghausen zur „Untersuchung“ in die Klinik für Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Klinikums Hochsauerland transportiert wurde. Dort nahmen sich Auszubildende der Fachrichtung Medizinische Technologin / Medizinischer Technologe für Radiologie (MTR) des seltenen Patienten an. Die wissenschaftliche Referentin für praktische Denkmalpflege der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Dr.-Ing. Bettina Heine-Hippler, hatte den Besuch mit der hochromanischen Figur aus der Zeit um 1150 mit dem Chefarzt der Klinik, Dr. med. Alexander Ranft, und seinen Auszubildenden verabredet.
Hochromanische Figur aus der Zeit um 1150
„Wir wissen, dass der über 850 Jahre alte Korpus bereits eine bewegte Geschichte hinter sich hat und im Sauerland einzigartig ist“, beschreibt Denkmalpflegerin Dr.-Ing. Bettina Heine-Hippler. Aus dem Jahr 1921 gibt es die Rechnung eines Neheimer Schreinermeisters, der den Korpus unter anderem gebeizt und poliert hat. Vor allem aber die heutige Haltung der Arme und die Befestigung am alten romanischen Kreuz aus der Oelinghauser Klosterkirche gaben der LWL-Forscherin sowie Freundeskreis und Gemeindeteam noch viele Fragen auf. Diese zu klären war nun die spannende Herausforderung u. a. für Annika Hoffmann, Luca Pace und Dimitrios Vasilopoulos, alle Auszubildende der Fachrichtung Medizinische Technologin / Medizinischer Technologe für Radiologie im ersten Lehrjahr, die die Röntgenuntersuchung vornahmen. „Durch diesen Fall wurden unsere Auszubildenden mit ungewöhnlichen Fragen konfrontiert, die im Rahmen der Ausbildung jedoch eine wichtige Bedeutung haben“, sagt Chefarzt Dr. Alexander Ranft.
Azubis nahmen Untersuchung vor
Die Röntgenbilder aus dem Untersuchungsraum im Notfall- und Intensivzentrum in Arnsberg-Hüsten wurden direkt auf die Bildschirme der Leitzentrale übertragen, wo sie von Dr.-Ing. Heine-Hippler und von Chefarzt Dr. Ranft analysiert wurden: Metallnägel, aber auch hölzerne Verbindungsstücke zu den Extremitäten des „Patienten“ wurden mit den hochauflösenden Aufnahmen deutlich und ermöglichten so eine zeitliche Einordnung der Restaurierungen, da die Verwendung von Metallnägeln und Holz zu unterschiedlichen Epochen stattgefunden hat. „Mindestens ein Arm ist im Laufe der Jahre an der Figur reponiert, also in eine andere Lage gebracht worden“, sieht der Chefarzt auf den Bildern sofort. „Ich bin von den Möglichkeiten der modernen Bildgebung wirklich begeistert“, freut sich die Denkmalpflegerin. Die Röntgenbilder zeigen, dass Reparaturen an beiden Armen der Figur erfolgt sind und alte Holzdübel dazu verwendet wurden. Und nicht nur das – auch die Verwendung unterschiedlicher Metallnägel, die z. T. geschmiedet worden sind, wurde über die Bildbefunde belegt. Die Untersuchungen förderten zudem die Erkenntnis zutage, dass die Jesus-Figur einst farbig gestaltet war. „Wir haben es hier mit einem total spannenden Stück zu tun, dem wir dank der Unterstützung des Klinikums zerstörungsfrei bereits weitere Geheimnisse entlocken können“, begeistert sich Heine-Hippler. Und auch die Ganzkörper-Röntgenaufnahme aus der Klinik kann jetzt zu Kartierungszwecken an der Figur perfekt genutzt werden.
Interessantes historisches Ereignis
„Das ist sehr spannend und ein wirklich historisches Ereignis“, freut sich Azubi Luca Pace, „ich glaube nicht, dass wir einen älteren Patienten untersuchen werden!“ Mit den für die weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen auf einer CD gesicherten wichtigen Aufnahmen konnte der ungewöhnliche Patient schnell wieder entlassen werden. „Das hat man wirklich nicht alle Tage“, sagt Dimitrios Vasilopoulos über den spannenden Ausbildungstag, „es ist schön, dass wir Auszubildende der Fachrichtung Medizinische Technologin / Medizinischer Technologe für Radiologie einen Beitrag zur Erforschung eines regional bedeutenden Kulturdenkmals leisten konnten!“