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Ein wichtiger politischer Akteur
Susanne Föller möchte weltkirchliches Handeln im Erzbistum sichtbar machen und neue lokale Handlungsangebote schaffen.
Frau Föller, was zeichnet die weltkirchliche Arbeit im Erzbistum aus?
Als Team Weltkirche im Erzbischöflichen Generalvikariat mit der integrierten missio-Diözesanstelle sind wir u. a. für die Bildungsarbeit verantwortlich. Wir verantworten die internationalen Freiwilligendienste und organisieren interkulturelle Begegnungen. Dazu gehört, eng mit den Hilfswerken zusammenzuarbeiten, Begegnungsreisen von Gästen aus dem Globalen Süden zu ermöglichen und Kontakte zu Initiativen aus dem weltkirchlichen Bereich zu pflegen. Die finanzielle Projektförderung durch das Erzbistum ist bei Weihbischof Matthias König verortet. Auch das Thema Spiritualität ist wichtig: Wenn wir auf die Weltkirche schauen, dann können wir auch für unsere eigene Spiritualität und Kirchenentwicklung viel lernen.
Sie wollen lokale Handlungsangebote schaffen? Was heißt das?
Darunter verstehen wir Mitmachangebote. Gerade die Hilfswerke bieten vieles an. Ziel ist es, solche Angebote in die Fläche zu bringen, damit sich die Gläubigen beteiligen können. Dieses Jahr haben wir das Thema „Würde“ in den Fokus gerückt, auf das sich auch die Hilfswerke in ihren Kampagnen beziehen.
Einzelpersonen und Gruppen können sich also lokal beteiligen?
Das ist die Idee: Auch Gemeinden können uns anfragen und wir helfen dabei, Angebote für ihre Vorhaben zu schaffen. Zentraler Aspekt ist immer, dass das Thema Weltkirche im Mittelpunkt steht.
Wie gelingt es, weltkirchliche Themen auf die lokale Ebene zu transportieren?
Mit Blick auf das Thema „Würde“ haben wir in Zusammenarbeit mit der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung die Königsfiguren von Ralf Knoblauch ausgeliehen und setzen diese in der Bildungsarbeit ein. Sie wirken scheinbar bescheiden, doch ihre Würde zeigt sich im Verborgenen. Zudem bieten wir Aktionsmaterialien wie Ausleihboxen an, die dazu einladen, sich mit dem Thema Würde und Weltkirche – auch kreativ – auseinanderzusetzen. Als Weltkirche-Team möchten wir aufzeigen, wie sich Christen weltweit dafür einsetzen, Menschen zu stärken, denen ihre Würde abgesprochen wird. Die kirchlichen Hilfswerke stellen uns dazu beeindruckende Geschichten und mutige Persönlichkeiten vor.
Haben Sie einen Überblick über die weltkirchlichen Initiativen?
Vor 15 Jahren gab es eine Abfrage in den Dekanaten, um zu sehen, wie das Engagement vor Ort aussieht. Daraus ist eine Broschüre entstanden. Seitdem hat sich vieles verändert: Das Engagement hat sich verlagert von einem innerkirchlichen Engagement – das in der Gemeinde angesiedelt war – hin zu einem gesamtgesellschaftlichen Engagement. Es gibt Initiativen auf vielen Ebenen, etwa die Steuerungsgruppe „Faire Gemeinde“. Auch an Schulen und in Jugendverbänden wird weltkirchliche Arbeit betrieben. Das gilt auch mit Blick auf das Thema Schöpfungsverantwortung. Daher ist es schwierig, eine Übersicht zu bekommen. Ursprünglich war die Fairtrade-Bewegung innerkirchlich verortet. Als Kirche haben wir lange Zeit eine Vorreiterrolle eingenommen, jetzt ist das ein gesamtgesellschaftliches Thema. In jedem Supermarkt finden sich fair gehandelte Produkte. Wir erleben, dass Eine-Welt-Gruppen aufgelöst werden. Das ist schade, doch sie haben dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft sich mit den Themen Schöpfungsverantwortung und globale Gerechtigkeit beschäftigt.
Wo kann es Kirche gelingen, wieder eine Vorreiterrolle einzunehmen?
Uns ist es wichtig, dass Kirche weiterhin ein politischer Akteur ist. Als Erzbistum haben wir uns u. a. in die Initiative Lieferkettengesetz eingebracht und uns gemeinsam mit anderen für ein europäisches Lieferkettengesetz starkgemacht, das im letzten Jahr verabschiedet wurde. Wir unterstützen solche Initiativen ideell, personell und finanziell. Ich sehe unsere Aufgabe darin, gesellschaftliche Entwicklungen im Blick zu haben, um uns mit unseren christlichen Werten in aktuelle Debatten einzubringen.
Unsere Welt ist von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Wo kann Kirche da mit ihren Werten noch Akzente setzen?
Kirche ist nach wie vor ein wichtiger Akteur, der wahrgenommen wird und dessen Stimme eine gesellschaftliche Bedeutung hat. Die Stimme der Kirche müssen wir nutzen, um uns einzubringen. Trotzdem müssen wir permanent schauen, warum wir uns für etwas einsetzen. Alle Christen weltweit beziehen sich auf dasselbe Fundament: auf die Bibel, auf Jesu Wirken und damit auf gemeinsame christliche Werte. Es ist unsere Verantwortung, unsere kirchliche Perspektive in der Gesellschaft zu vertreten.
Mit Blick auf die Kleinteiligkeit der Initiativen, welche Vor- und Nachteile sehen Sie?
Wir haben viele Zielgruppen, die wir ansprechen müssen. Eine Besonderheit: Früher haben sich die Menschen für ein Ehrenamt entschieden und sich über einen langen Zeitraum eingebracht. Das hat sich verändert. Viele der jüngeren Menschen engagieren sich nur punktuell. Das erschwert uns die Ansprache und die Koordination. Daher ist es komplizierter, passgenaue Angebote zu schaffen. Wir versuchen, die Initiativen über verschiedene mediale Kanäle miteinander zu vernetzen. Newsletter sind eine Form, die Ansprache über die sozialen Medien sind eine andere. Wichtig ist uns bei alldem der persönliche Kontakt.
Gibt es konkrete Ideen, diese vielen Initiativen zusammenzubringen?
Das ist nicht so einfach. Auf Gemeindeebene gibt es häufig Strukturen und Projekte, deren Anknüpfungspunkt eine konkrete Person ist, die im Globalen Süden unterwegs ist oder war und sich einem bestimmten Projekt verpflichtet fühlt. Der persönliche Bezug ist in solchen Fällen ein wichtiges Fundament für das Engagement. Das erschwert eine Bündelung der Initiativen. Doch je nach Kontext kann eine Bündelung auch sinnvoll sein. Ich denke an die internationalen Freiwilligendienste, die jetzt zentral über den Verein „mundus – eine Welt“ koordiniert werden. Wir bündeln dort Ressourcen und begleiten die Freiwilligen in Vor- und Nachbereitung sowie während des Einsatzes, was eine Erleichterung für die einzelnen Initiativen mit sich bringt.
Die Verknüpfung mit einer Person kann dazu führen, dass sich Initiativen auflösen. Begleiten Sie solche Prozesse?
Bisher noch nicht, es ist aber denkbar, dass diese Aufgaben auf uns zukommen. Ich möchte den Blick auf die Hilfswerke lenken, denn Projektförderungen können auch darüber beantragt werden. Diejenigen, die sich finanziell engagieren, finden dort sinnvolle Projekte. Wir müssen auch an eine Umschichtung von Hilfsmitteln denken.
Umschichtung klingt richtig, doch in der Projektförderung ist Vertrauen wichtig. Gibt es eine Art TÜV, mit dem Sinn und Zweck überprüft werden?
Es gibt verschiedene Zertifizierungen für Organisationen, die Spenden für bestimmte Zwecke anwerben. Die sind verlässlich. Es gibt auch kleine Projekte, die nicht unbedingt über ein bestimmtes Spendensiegel laufen. In solchen Fällen sind wir ansprechbar und stellen Kontakte zu denen her, die in den Orten und Projekten arbeiten.
Einige betrachten die Entwicklungshilfe als Fluch, andere als Segen. Nicht jede Förderung ist zielgerichtet und trotzdem gibt es den Drang zu helfen.
Ich sehe beide Wortbestandteile von „Entwicklungshilfe“ kritisch. „Entwicklung“ suggeriert, dass es von einem Punkt zu einem anderen hingehen muss. Und wenn ich diejenige bin, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, dann komme ich meist in die Position, die zu sein, die definiert, wohin die Entwicklung gehen soll. Das Wort auf eine reine Hilfe zu beschränken, suggeriert auch ein Machtverhältnis. Uns ist es bei der Projektförderung wichtig, dass so ein Machtverhältnis nicht zementiert wird. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und Projekte fördern, die vor Ort entstanden sind. Wir sagen nicht, eure Pastoral hat so oder so auszusehen. Und wir geben kein Geld, damit A, B oder C passiert, sondern für Projekte, die wirklich in den Gegebenheiten im Globalen Süden sinnvoll sind. Letztlich geht es darum, dass durch die Kontakte sowohl unsere Partner als auch wir als Menschen und Christen wachsen. Anders gesagt: „Entwicklung“ bezieht sich auf den Globalen Norden genauso wie auf den Globalen Süden.
Der Glaube wird weltweit anders gelebt. Wie definiert das Erzbistum den Begriff Weltkirche?
Weltkirche fußt auf unterschiedlichen Säulen. Wir verstehen sie als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft. Oft wird der Begriff nur mit Blick auf Rom definiert. Aber Weltkirche ist mehr, nämlich die globale Gemeinschaft, die uns verbindet und in der wir unseren Glauben in unterschiedlichen kulturellen Kontexten leben, aber eben doch mit bestimmten Werten gemeinsam unterwegs sind.