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Eine Region im Wandel
Paderborner Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz besucht Gläubige zwischen Lippe und Ruhr im Dekanat Unna.
Seine Erkundungs- und Kennenlern-Reise durch das Erzbistum Paderborn führt den Paderborner Erzbischof jetzt in das Dekanat Unna: Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz besucht am Donnerstag (27. Februar 2025) Gläubige zwischen Lippe und Ruhr, von Lünen über Kamen nach Unna und Schwerte. Rund 79.000 katholische Christinnen und Christen leben aktuell in dieser Region. Am Abend sagt er: „Heute den ganzen Tag unterwegs. Geschlurft wie die biblischen Jünger von Emmaus sind wir nicht, wir haben uns auch nicht dahin geschleppt – aber gehend – pilgernd – waren wir miteinander im Gespräch und haben Erfahrungen miteinander geteilt.“
Und plötzlich ging die Sonne auf
Der Tag beginnt mit leichtem Nieselregen. Am Fuß der Halde Großes Holz in Bergkamen trifft eine kleine Gruppe Erzbischof Dr. Bentz und dessen Generalvikar Monsignore Dr. Michael Bredeck sowie Thomas Klöter, den Leiter des Bereichs Pastorale Dienste im Erzbischöflichen Generalvikariat. Über Schotter- und Waldwege geht es hinauf zur Aussichtsplattform. Mit dabei sind die Mitglieder des Teams des Dekanates Unna, Dechant Paul Mandelkow, der stellvertretende Dechant Christian Laubhold, Dekanatsreferent Ludger Büngener, die Dekanatsreferentin für Jugend und Familie Stefanie Middelhove, Jugendseelsorger Markus Brinkmann und Caritaskoordinatorin Silvia Engemann. Es soll ein geistlicher Weg werden, die Emmauserzählung aus der Bibel ist die Richtschnur. Wie geplant bleibt der Erzbischof abwechselnd mit einem Mitglied des Dekanatsteams etwas hinter der Gruppe zurück, nimmt sich Zeit für Einzelgespräche.
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Viele Siedlungen
Oben auf der Aussichtsplattform angekommen – 150 Meter über Meereshöhe –, reißt der Himmel auf und die Sonne scheint. Dekanatsreferent Büngener zeigt in die Ferne. Teilweise sieht das Ruhrgebiet von hier oben noch so aus wie früher: Kühltürme dampfen und auf dem großen Werksgelände zur Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe der Bayer AG rauchen die Schornsteine. Der Blick fällt aber auch Richtung Münsterland, auf bewaldete Höhen und vor allem immer wieder auf kleine und mittelgroße Siedlungsflecken. Viele eingemeindete, früher eigenständige Dörfer seien prägend für die Region, erläutert Ludger Büngener. Außerdem berichtet der Dekanatsreferent, dass Katholikinnen und Katholiken hier erst an vierter Stelle zu nennen sind, wenn es um Religionen geht. Die größte Gruppe der Bevölkerung sei nicht religiös gebunden, dann folgen die evangelischen und dann die muslimischen Gläubigen. Die Katholische Kirche in der Minderheit, das sei hier schon lange Realität.
„Kathedrale der Arbeit“
Eine weitere Realität im Ruhrgebiet ist der Strukturwandel nach dem Ende von Kohleförderung und Stahlproduktion. Die Relikte finden sich noch an vielen Orten auf der „Route der Industriekultur“. Dort ist die zweite Station der Dekanatsreise des Paderborner Erzbischofs: der Förderturm Königsborn IV in Bönen. Dort wartet die nun größere Gruppe der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den vier Pastoralen Räumen, „Unna Fröndenberg Holzwickede“, Lünen, Schwerte und „Kamen, Bergkamen, Bönen“.
Im Inneren des 71 Meter hohen umbauten Förderturms begrüßt Martin Teumert vom örtlichen Förderverein die Gäste. Farbiges Licht hebt die Industriekulisse eindrucksvoll hervor und lässt sie als „Kathedrale der Arbeit“ erscheinen, deren Historie Martin Teumert den Besucherinnen und Besuchern erläutert. Im Anschluss treffen sich die Hauptamtlichen im Veranstaltungsraum im oberen Stockwerk des Industriedenkmals. Eine weitere Weg-Etappe. Nun geht es in Tischgruppen um die Fragen: Was ist mein guter Grund zu glauben? Was trägt mich? Was trägt Früchte? Was schmerzt, weil es nicht mehr ist? Wohin führt der Schmerz?
„Jesus geht mit“
Die Überlegungen zu diesen Fragen fließen am Abend ein in die dritte und letzte Station dieses Tages, den Akademieabend mit zahlreichen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen aus dem Dekanat Unna in der Katholischen Akademie Schwerte. Dieser beginnt mit einem Abendgebet in der Kapelle. In seiner Ansprache greift Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz die biblische Emmauserzählung noch einmal auf: „Sie spiegelt auch den Weg der pilgernden Kirche wider – unseren Weg als Christinnen und Christen inmitten der Zeit, der Umbrüche, der Verunsicherungen, der gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen. Unser Weg in einer Zeit, in der der Glaube uninteressant geworden ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerung.“ Die „Antwort“ sei, mitzugehen, einander zuzuhören und gemeinsam auf Gott zu hören: „Jesus drängt sich uns nicht auf. Jesus geht mit. Aber er ist nie aufdringlich“, betont Erzbischof Dr. Bentz.
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Offener Dialog
Ums Zuhören und teilweise fehlende Gemeinsamkeit ging es bei der Vorstellung der vier Pastoralen Räume im Dekanat Unna durch Ehrenamtliche. Hier wurden insbesondere die Herausforderungen benannt, mit denen sich die Ehrenamtlichen konfrontiert sehen, aber ebenso wurde beschrieben, was gut läuft und Zukunft hat.
Überrascht zeigte sich Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz im Hinblick auf die von den ehrenamtlich Engagierten beschriebenen Krisen der kirchengemeindlichen Gremien, insbesondere darüber, dass es in der Hälfte der Pfarreien keinen Pfarrgemeinderat mehr gebe, da sich dafür keine Mitwirkenden gefunden hätten. Wenn sich für Gremien keine Engagierten mehr finden, müsse man nach den Ursachen fragen, warum das so sei und beispielsweise Konflikte lösen, die Ehrenamtliche von einer Mitarbeit abhalten würden, betonte der Paderborner Erzbischof. Einige Ehrenamtliche hatten von Konflikten mit der jeweiligen Leitung berichtet und mehrere ein „Kirchturmsdenken“ in den Gemeinden beklagt.
Die Ehrenamtlichen der Kirchengemeinden berichteten aber auch von mehreren positiven Initiativen, wie beispielsweise dem Angebot „Kirche und Kino“, der „Friedensbank“, einem Gesprächsangebot auf einen katholischen Friedhof, oder den „Versorgungsschränken“ für Bedürftige an inzwischen drei Standorten.
Was die kirchlichen Angebote in der Fläche betreffe, erklärt Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, dass es nicht mehr alles überall geben könne. Vielmehr müsse es „Knotenpunkte kirchlicher Präsenz“ statt einer flächendeckenden Versorgung mit Angeboten geben. So, wie an diesem Abend, möchte er dazu weiterhin einen offenen Dialog mit Ehren- und Hauptamtlichen führen, betont der Paderborner Erzbischof zum Abschluss seiner Erkundungs- und Kennenlernreise im Dekanat Unna.