4 Min.
12.03.2025
„Wasser ist Leben, schütze es“, steht auf dem Plakat mit der eine Mutter mit ihrer Tochter am vergifteten Fluss Rimac protestiert.
Foto / Quelle: Adveniat/Achim Pohl

Eine Schule bringt in Lima die Wüste zum Blühe

Trinkwasser ist in den Armenvierteln von Lima Mangelware. Der Kampf um sauberes Wasser steht für die Menschen in Carapongo im Mittelpunkt ihres Lebens – nicht nur am UN-Weltwassertag am 22. März.

Lima

Die Menschen in Carapongo leiden unter extremem Wassermangel. Und wenn der Fluss Rimac Wasser führt, dann ist es verschmutzt und vergiftet. Der Ort am Stadtrand von Lima liegt wie die gesamte peruanischen Hauptstadt mitten in der Wüste. Ursprünglich haben in dem kleinen Bauerndorf die Einwohner mit dem Flusswasser Gemüse angebaut und in der Hauptstadt verkauft. Doch während des Bürgerkriegs in den 1980er-Jahren flohen Zehntausende vor der Gewalt im Hochland an die Küste und bauten in Carapongo behelfsmäßige Hütten aus Sperrholz und Wellblech: ohne Strom, ohne Wasser, ohne Müllabfuhr, ohne Kanalisation.

Daran hat sich bis heute wenig geändert. Viele holen ihr Trinkwasser aus dem Fluss, obwohl andere dort ihre Motorräder waschen und Firmen ihr Abwasser entsorgen. Diese soziale und ökologische Katastrophe hat sich im Laufe der Jahre zugespitzt. Heute ist der Rimac, der bei Lima in den Pazifik mündet, zusätzlich mit Pestiziden aus den Monokulturen der Export-Landwirtschaft und Schwermetallen aus dem Bergbau verseucht. Ab und zu schillert der Fluss in bunten Farben oder schäumt. Es ist ein toxischer Cocktail.

Schülerinnen und Schüler haben auf dem Schulgelände Gärten angelegt und bringen die Wüste zum Blühen.
Foto / Quelle: Adveniat/Achim Pohl

„Laut unabhängiger Studien werden die staatlichen Grenzwerte für manche Schwermetalle im Rimac um bis zu 200 Prozent überschritten“, erzählt Elisabeth Huamán von Grupo Andes. Die katholische Basisorganisation, die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird, hat sich immer mehr auf Umweltthemen spezialisiert. Und das hat viel mit der 40- jährigen Elisabeth Huamán zu tun. Die zweifache Mutter lebt selbst in Carapongo – und leidet unter der Verschmutzung: dem Müll, der nicht abgeholt und vom Wind über den ganzen Ort verteilt wird, dem Staub der vielen nichtasphaltierten Straßen, der die Augen reizt und sich auf die Lungen setzt, dem Fluss, der bei Niedrigwasser eine stinkende Kloake ist und bei Hochwasser die Straßen überschwemmt, und vor allem dem Wassermangel.Es regnet selten im Großraum Lima – im Jahresdurchschnitt fallen nur 109 Millimeter Niederschlag. In Berlin regnet es fast siebenmal so viel.

Einen Wasseranschluss haben die wenigsten Häuser in Carapongo. Die meisten Menschen leben in Hütten an Berghängen und müssen ihr Wasser kaufen, in Flaschen oder von Tankwagen. Das ist nicht nur mühsam, sondern doppelt so teuer wie das Trinkwasser aus der Leitung. Laut offiziellen Studien verbrauchen Familien in Lima, die nicht an das öffentliche Trinkwassernetz angeschlossen sind, etwa 5.000 Liter im Monat. Familien mit Anschluss ans öffentliche Trinkwassernetz dreimal mehr.

Ein Wasseranschluss fehlte bis vor kurzem selbst in der staatlichen Schule in Carapongo, die 1.800 Schülerinnen und Schüler vom Erstklässler bis zur Abiturientin besuchen. Beim Bau vor 50 Jahren wurde der einfach „vergessen“. Manchmal versprach ein Lokalpolitiker den Wasseranschluss – doch dann versickerte das Projekt in der korrupten Bürokratie. Ab und zu schickte die Gemeinde einen Zisternenwagen vorbei. Aber das reichte natürlich nicht. „Ich hatte im Klassenzimmer neben dem Klo Unterricht. Das stank bestialisch nach Kot und Urin und war eine Zumutung“, erzählt Grundschullehrerin Rosmery Cueto.

Der Staub der nichtasphaltierten Straßen reizt die Augen und setzt sich auf die Lungen der Kinder und Erwachsenen.
Foto / Quelle: Adveniat/Achim Pohl

Bis Elisabeth Huamán ein Umweltprojekt entwarf: Mülltrennung und Schulgärten, verbunden mit Umwelt-Workshops für Lehrerinnen und Schüler. Adveniat sagte die Finanzierung zu und die Vizedirektorin war Feuer und Flamme – denn das trostlose Ambiente missfiel ihr. Sie schickte die Lehrerinnen und Lehrer zum Workshop und mobilisierte Eltern und Schüler, gemeinsam Schulgärten anzulegen. Jede Klasse bekam ein Eckchen Wüste, das sie selbst gestalten durfte.

Grupo Andes stellte Kompost, Samen und Setzlinge und stand beim Anlegen mit Rat und Tat zur Seite. Heute grünt und blüht es an der Schule, Mangobäumchen stehen neben Rosen, Zwiebeln neben Sukkulenten. Dazwischen liegen Steine, die als Marienkäfer angemalt wurden, und aus einem alten Autoreifen blickt keck ein Löwenmäulchen.

„Pflanzen sind wie eine Therapie“, beobachtet Vizedirektorin Maruja Baldeon. Die Kinder seien rücksichtsvoller, sie selbst viel entspannter. „Unglaublich, wie viel ein paar Pflanzen verändern können.“ Aber das war längst nicht alles. Durch die Gärten motiviert, sammeln Eltern, Schüler und Lehrkräfte nun regelmäßig Müll aus dem Rimac-Fluss.

Mitte 2024 protestierten sie dann gemeinsam vor dem Rathaus. Elisabeth Huamán hatte die Hauptstadtpresse informiert, sodass die katastrophalen hygienischen Zustände in der Schule öffentlich wurden. Am Tag danach kamen gleich mehrere Politiker und nur wenige Wochen später hatte die Schule ihren Wasseranschluss. Nun stinkt es nicht mehr in den Toiletten, die Kinder können sich regelmäßig die Hände waschen, und das Pflanzengießen ist auch einfacher. Durch die Protestaktion wurde die Schule mit ihrem Gartenprojekt im ganzen Viertel bekannt. Bei Elisabeth Huamán fragen andere Schulen und Nachbarschaftsvereine an, die auch die Wüste zum Blühen bringen möchten.

Dank der Hilfe von Adveniat hat sie inzwischen Unterstützung von einem Agronomen, aber selbst zu zweit kommen die beiden kaum nach. Elisabeth Huamán ist ihrem Traum, ganz Carapongo in eine grüne Oase zu verwandeln, jedenfalls ein ganzes Stück nähergekommen.

von Sandra Weiss

Zur Sache

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.200 Projekte mit rund 31 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen