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09.01.2025
Die Hauptansicht des ehemaligen Stiftsdamenhauses von Norden.
Foto / Quelle: LWL/Anke Kuhrmann

Entdeckung in Hohenholte

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zeichnet das Wohnhaus Krummer Timpen 12 in Havixbeck-Hohenholte (Kreis Coesfeld) als Denkmal des Monats Januar aus.

Havixbeck

Das ehemalige Stiftsdamenhaus birgt eine spannende und bis vor Kurzem unbekannte Hausgeschichte, die nun vom LWL-Denkmalfachamt wiederentdeckt wurde. Die Gemeinde Havixbeck stellte das Gebäude daraufhin unter Denkmalschutz.

2023 haben LWL-Denkmalexpertinnen und -experten das Bauwerk gefügekundlich untersucht, das durch einige Veränderungen des 20. Jahrhunderts auf den ersten Blick jünger erscheint, als es ist. „Die Gefache des Fachwerks und ganze Fassadenpartien wurden mit einem zementhaltigen Kellenputz versehen, außerdem wurden ein Stall und ein Wintergarten mit Balkon angebaut“, erklärt LWL-Bauforscher Frank Högg. „Doch das steile Dach, die sichtbare Fachwerkkonstruktion im Oberstock sowie der aufwändig gestaltete Kamin in der großen Diele ließen ein sehr altes Gebäude vermuten.“ Die folgenden Untersuchungen offenbarten dann auch, dass es sich bei dem Haus Krummer Timpen 12 um eines der letzten erhaltenen Konventsgebäude des einst in Hohenholte ansässigen Damenstiftes handelt. Außerdem stellte sich heraus, dass es nicht wie bisher angenommen im 18. Jahrhundert, sondern bereits im 16. Jahrhundert erbaut wurde.

Die Diele mit Sandsteinkamin.
Foto / Quelle: LWL/Anke Kuhrmann

„Bisher hatte die Forschung die Äbtissin Helena Elisabeth von Stael zu Sutthausen als Bauherrin angenommen, die im 18. Jahrhundert im Besitz der Kurie war“, schildert LWL-Denkmalpflegerin Dr. Anke Kuhrmann. „Tatsächlich aber wurde das Haus bereits im 16. Jahrhundert erbaut, um 1589, für die Stiftsdame Christine von Stevening, die von 1590 bis 1620 das Amt der Äbtissin innehatte.“ Verschiedene Indizien belegen dies: Zum einen wurde eine dendrochronologische Untersuchung der Hölzer des Hausgerüsts vorgenommen. Die Ergebnisse belegen, dass das Holz frühestmöglich 1581/82 geschlagen worden ist. Darüber hinaus entdeckten die Fachleute die Baunachricht von der Vollendung des Hauses – ein bauforscherischer Glücksfall. In der archivalischen Überlieferung findet sich der Hinweis, dass im Zuge der Erbteilung der Eheleute Johann von Stevening und Catharina Bock im Dezember 1588 das Haus für ihre Tochter Christine von Stevening fertiggestellt wurde.

„Ein besonders aufschlussreiches und eindeutiges Indiz für die Bauherrinnenschaft ist zudem die Feuerstelle in der großen Diele“, erklärt Kuhrmann. „Der von Karyatiden genannten Figuren getragene, in Sandstein gearbeitete Kaminsims ist als Wappenfries ausgebildet. Es handelt sich hierbei um die heraldische ‚Ahnenprobe‘ Christine von Stevenings.“ Das bedeutet: Die acht Familienwappen ihrer Urgroßeltern dienen als Beweis ihrer adeligen Abstammung.

Kaminfries mit Ahnenprobe der Stiftsdame und Äbtissin Christine von Stevening. Die acht Wappen bilden die Familien der Urgroßeltern ab.
Foto / Quelle: LWL/Anke Kuhrmann

Aus Sicht der Bauforschung bietet das Haus wertvolle Einblicke in alte Handwerkskunst: „Mit seinem über 400 Jahre alten Hausgerüst ist das Haus eine seltene Quelle für die Konstruktionsweisen und Gefügetechniken der frühen Neuzeit im Münsterland“, so Högg. Für die Bauforscher ist ablesbar, dass das über quadratischem Grundriss errichtete, sechs Gebinde lange Dielenhaus mit vorkragendem Oberstock und steilem Walmdach bereits um 1730 um ein Fach nach Norden verlängert wurde. Viele bauliche Elemente sind noch original erhalten, so in mehreren Gebinden die großen gekehlten Kopfbänder, die vertikale und horizontale Balken verbinden, und im Bereich des Anbaus aus dem 18. Jahrhundert sowohl die bauzeitlichen Kopfbänder als auch die einst am Außenbau sichtbaren Zierknaggen (kleine geschnitzte Holzvorsprünge).

Auch künftig wird das Haus, das sich in dritter Generation im Besitz der heutigen Eigentümerfamilie befindet, mehreren Generationen ein Zuhause bieten und zugleich die Ortsgeschichte Hohenholtes lebendig halten. Derzeit wird es denkmalgerecht saniert.

lwl

Hintergrund: Damenstifte in Westfalen-Lippe

Zum Zeitpunkt der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert war das Stift Hohenholte eines von 27 Damenstiften in Westfalen-Lippe. 1811 wurde es aufgehoben und zur Domäne umgenutzt. 1859 wurde die selbständige Pfarrei Hohenholte gegründet. Die Stiftsgebäude gingen durch Brand, Abriss und Umbau weitgehend verloren. Die Stiftskurie am Krummen Timpen ist als eines der letzten baulichen Zeugnisse des Stifts ein bedeutendes Zeugnis für die Ortsgeschichte Hohenholtes. Sie zählt nicht nur zu den ältesten Bauten des Ortes, sie ist zudem einer der ältesten erhaltenen Konventsbauten seiner Art westfalen- und bundesweit.

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