
Frau Müller, die Migrantin
Einblick in Migrationserfahrungen – Lesung mit Evelyne Waithira Müller.
Großes Interesse an der Lesung mit Evelyne Waithira Müller in der Buchhandlung Kafka & Co: rund 50 Zuhörer füllten die Stuhlreihen in der Detmolder Buchhandlung. Eingeladen hatte die Evangelische Erwachsenenbildung in Kooperation mit Kafka & Co. Die in Kenia geborene Autorin stellte ihr 2024 im Bonifatius Verlag erschienenes Buch „Frau Müller, die Migrantin – wie Deutschland und ich uns aneinander gewöhnt haben“ vor und kam mit den Zuhörern ins Gespräch.
Evelyne Waithira Müller lebt seit 2006 in Deutschland. Ihre Erfahrungen schildert sie ebenso lebendig wie erhellend. Da geht es darum, wie sie sich an ihre neue Heimat gewöhnt hat, aber auch um ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus und das Gefühl von Einsamkeit. Die Autorin und Religionspsychologin ist überzeugt: „Eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland ist möglich!“
Als 20-Jährige zog sie nach Großbritannien, diente fünf Jahre in der britischen Armee und kam durch ihren Militärdienst nach Gütersloh. Als die Briten ihren Standort aufgaben, entschied sie sich – der Liebe wegen – in Deutschland zu bleiben und heiratete. Der Beginn des neuen Lebensabschnitts war mit vielen Herausforderungen verbunden: Sprachbarrieren, Kulturschock, Einsamkeit und Alltagsrassismus prägten die ersten Jahre in Deutschland.
Besseres Verständnis für ein gelungenes Miteinander
Evelyne Waithira Müller schilderte authentisch, wie schwer es war, in Lippe Fuß zu fassen und wie oft sie sich als Außenseiterin fühlte. In ihrem Buch beschreibt sie diese Erfahrungen mit einer guten Portion Humor. Ihr Ziel sei es, ein besseres Verständnis für ein gelungenes Miteinander zu schaffen. So berichtete sie etwa, wie unhöflich sie es zunächst empfand, eine Einladung mit einem Nein auszuschlagen, wie ihr Mann es öfters tat. In Kenia gebe es kein klares Nein, man würde eher um den heißen Brei herumreden, um den Einladenden nicht zu verletzen. Ein Lob dagegen falle in Kenia viel stärker aus.
Aber auch Alltagsrassismus begegnete ihr immer wieder. Zum Beispiel, wenn Leute besonders betont mit ihr redeten, ihre Stimme „mehr als gewöhnlich“ anhoben, „als würde ich unter einem Hörproblem leiden, während sie gleichzeitig langsam sprachen und jedes Wort betonten, als ob ich eine eingeschränkte Aufnahmefähigkeit hätte und nicht verstehen würde, wenn sie normal sprachen.“
Zudem sei Einsamkeit in den ersten Jahren ihr ständiger Begleiter gewesen. Kenia habe eine kollektive Kultur mit Großfamilien, während hierzulande eine individualistische Kultur vorherrsche.
Die Lesung bot nicht nur einen literarischen Einblick, sondern entwickelte sich unter der Moderation von Bildungsreferentin Anja Halatscheff zu einem offenen Gespräch über Integration, Vorurteile und die Bedeutung von Sprache. Viele nutzten die Gelegenheit, um ihre eigenen Gedanken und Fragen einzubringen. „Der Blick auf Deutschland aus der Perspektive einer Migrantin ist erhellend und hilft, das eigene Verhalten zu hinterfragen“, meinte eine Teilnehmerin. Diskutiert wurde unter anderem, welche gesellschaftlichen Veränderungen nötig sind, um die Integration zu erleichtern. Anja Halatscheff ermutigte abschließend, Menschen nicht nach ihrer Herkunft in Gruppen zusammenzufassen, sondern jeweils die individuelle Person mit Respekt in den Blick zu nehmen und gemeinsam voneinander zu lernen.