Foto / Quelle: Patrick Kleibold

Gottes Gegenwart wird sichtbar

Früher wurden in vielen Klöstern Hostien gebacken, heute betreiben die Karmelitinnen in Witten eine der letzten Hostienbäckerein im Erzbistum Paderborn.

Text: Andreas Wiedenhaus // Fotos: Patrick Kleibold
Witten

Wenn Ende dieses Monats Fronleichnam gefeiert wird, dann hat dieses Hochfest für die Karmelitinnen in Witten noch einmal eine ganz besondere Bedeutung, wie Priorin Sr. Anna Maria erklärt: „An diesem Tag wird das Ergebnis unserer Hände Arbeit gefeiert – die Hostie, die durch die Wandlung durch den Priester bei der Eucharistiefeier zum Leib Christi verwandelt wird. Wir backen die Hostien im Auftrag der Kirche, damit Gottes Gegenwart in der Gestalt des Brotes unter den Menschen ,sichtbar‘ werden kann. Dadurch sind wir mit vielen Menschen verbunden.“ Die Schwestern in Witten betreiben die letzte Hostienbäckerei im Erzbistum Paderborn.

Aktuell ist dort viel zu tun. „Von Beginn der Fastenzeit bis Fronleichnam“ gebe es viele Bestellungen, erläutert die Priorin. Nicht zuletzt, weil es die Zeit der Erstkommunionen sei. Über den Sommer sei es dann ruhiger. Sr. Anna Maria: „Vor Allerheiligen wird es dann wieder mehr; ebenso im Advent.“ Sr. Anna Maria arbeitet seit ihrem Eintritt in den Wittener Karmel im Jahr 1980 in der Bäckerei.

Hostien-Backautomat

„Früher wurden die Hostien mit dem Handeisen gebacken, das war sehr anstrengend“, erinnert sie sich. 1991 erfolgte dann der erste Schritt in Richtung Automatisierung, als eine gebrauchte Maschine angeschafft wurde. Die aktuelle Anlage stammt aus dem Jahr 2000. Hersteller solcher Hostien-Backautomaten ist die Firma Kissing in Menden, die sich über Jahrzehnte zu einem Spezialisten für solche Anlagen entwickelt hat. „Kundendienst und Wartung funktionieren sehr gut“, freut sich die Priorin. Reparatur- oder Ausfallzeiten kann sich das kleine Kloster nämlich nicht leisten, schließlich ist die Hostienproduktion ein zentrales wirtschaftliches Standbein für die Schwestern, und das seit 1957, als im Kloster die ersten Hostien gebacken wurden.

Zwei grundsätzliche Arten von Hostien werden heute hergestellt: die bekannten weißen und die sogenannten Brothostien. Sie sind leicht braun, was daran liegt, dass sie bei rund 180 Grad gebacken werden, während die Backtemperatur bei den weißen Hostien 160 Grad beträgt. Hinzu kommen die Priesterhostien und besonders große, mit Motiven verzierte Hostien. Und bei solchen Symbolhostien werden auch die alten Handeisen noch einmal benutzt. Allerdings werden diese besonderen Hostien je nach Bestellung gefertigt und nicht regelmäßig gebacken.

Die Stückzahlen an sich sind allerdings beeindruckend: Im vergangenen Jahr haben fast 3,5 Millionen kleine Hostien und über 137 000 Priesterhostien das Wittener Karmel verlassen. Laut Schwester Anna Maria umfasst die Kundenkartei ungefähr 1 000 Adressen: „Viele von ihnen sind unsere langjährigen Kunden aus unserem Erzbistum, darunter auch seit 30 Jahren der Hohe Dom. Und nachdem die Abtei der Benediktinerinnen in Rietberg-Varensell die Hostienbäckerei geschlossen hat, sind noch einige dazugekommen.“ Von Berlin bis Passau werden die Hostien versandt, die Priesterhostien mit Symbolen auch nach Österreich.

Handwerkliche Fähigkeiten

Gebacken wird je nach konkreter Auftragslage ein- bis zweimal in der Woche. Und trotz der Maschinen ist die Arbeit auch heute noch anstrengend. Es ist laut in der Bäckerei und natürlich heiß. Aber auch wenn sie manchmal ins Schwitzen kommen: Die Freude an dem, was sie tun, ist den Schwestern anzusehen. Aktuell sind neben der Priorin Sr. Margarita, Sr. Maria, Sr. Immanuela und die Aspirantin Petra dort beschäftigt.

„Die Schwestern müssen über die entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten verfügen; man darf keine Angst vor Maschinen haben“, fasst Sr. Anna Maria die Anforderungen zusammen, die man mitbringen muss, um in der Hostienbäckerei zu arbeiten. Mit einem kurzen Satz und einem Augenzwinkern bringt sie das „Anforderungsprofil“ auf den Punkt: „Man muss es können und Kraft, Ausdauer und Gefühl für die Arbeit haben!“

Das eigentliche Backrezept an sich klingt erst einmal unkompliziert: Nur Weizenmehl und Wasser werden miteinander vermischt. Das Brot ist „ungesäuert“ und entsprechend muss es nicht „gehen“, wie bei anderen Brotrezepten mit Hefe oder Sauerteig. Das hängt mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten zusammen, als nur ungesäuertes Brot gebacken wurde, weil alles schnell gehen musste. „Das Brot muss aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein, sodass keine Gefahr der Verderbnis besteht“, heißt es im entsprechenden Passus im Kirchenrecht.

„Einfach“ ist es laut Sr. Anna Maria aber doch nicht: „Der Teig muss immer frisch zubereitet werden und dann eine gewisse Zeit ruhen, damit er die entsprechende Konsistenz hat.“ Denn auch Hostien, so die Schwester, sollen ja den richtigen Geschmack haben: „Es hört sich nicht schwierig an, und gerade deshalb muss alles passen und korrekt sein!“

Genau bemessene Teigmenge

Ein Schlauch pumpt den Teig in den Backautomaten und gießt ihn in exakt bemessenen Portionen zeitgenau auf die zwölf heißen Backeisen. Nach dem Durchlauf öffnet sich das Backeisen automatisch und gibt die frisch gebackene Hostienplatte frei. Der Backvorgang an sich dauert nicht lange. Die rechteckigen dünnen Platten werden anschließend schon einmal grob vorsortiert und dann für eine Zeit in einem Raum mit 80 Prozent Luftfeuchtigkeit gelagert. Denn wenn sie zu trocken und überhaupt nicht biegsam sind, können sie den nächsten Arbeitsgang nicht unbeschadet überstehen: Aus übereinander geschichteten Platten werden an einer speziellen Maschine die runden Hostien ausgestanzt.

Sorgfalt und Konzentration

Nach dem anschließenden Trocknungsvorgang geht es in die Sortierung. Hostien, die nicht richtig rund sind oder sonstige Beschädigungen aufweisen, werden ausgesondert. Danach folgt das Verpacken und schließlich der Versand. Beim Zuschauen sieht man die Routine, die sich die Schwestern zum Teil über Jahrzehnten angeeignet haben: Jeder Handgriff sitzt und alles läuft sprichwörtlich „wie am Schnürchen“ – mit großer Sorgfalt und Konzentration. Mancher Arbeitsgang mag monoton wirken, doch auch das tut der Freude an der Arbeit keinen Abbruch: „Alle wissen, dass hier etwas ganz Besonderes entsteht; und daran beteiligt zu sein, ist ein Privileg“, sagt Sr. Anna Maria: „Auch nach so vielen Jahren bewegt mich diese Tätigkeit immer wieder aufs Neue, weil sie schön und sinnvoll ist. Wir sehen sie als unseren ganz eigenen Auftrag an.“

Dem Brot, das im Wittener Karmel der Karmelitinnen gebacken wird, kommt in der Eucharistiefeier die zentrale Rolle zu. Bis zur Wandlung ist es aber eben auch ein Lebensmittel, mit dem respektvoll umgegangen werden muss, denn es fallen in der Produktion ja auch Reste an – beim Ausstechen und schließlich auch beim Sortieren. Auch dafür haben die Schwestern eine gute Lösung gefunden: Alles wird gesammelt und regelmäßig an einen Streichelzoo geliefert.

Die dünnen Brotplatten werden in einem Raum mit hoher Luftfeuchtigkeit gelagert, damit sie flexibel werden und beim Ausstanzen nicht brechen.

Foto / Quelle: Patrick Kleibold

Hintergrund

Das Wort Hostie ist vom lateinischen „Hostia“ (Opfergabe) abgeleitet. Ursprünglich handelte es sich dabei wohl um ganz normales Brot, das von den Gläubigen zur Feier mitgebracht wurde. Der Brauch, bei der Eucharistiefeier spezielle Oblaten aus Weizenmehl und Wasser zu verwenden, entwickelte sich in der westlichen Kirche seit dem 8./9. Jahrhundert. Am 2. Donnerstag nach Pfingsten feiert die katholische Kirche Fronleichnam. Das Wort „Fronleichnam“ leitet sich von der mittelhochdeutschen Bezeichnung für „des Herren Leib“ ab. Offiziell heißt der Festtag „Hochfest des Leibes und des Blutes Christi“. In festlichen Prozessionen wird in vielen Gemeinden die Mons­tranz mit dem Leib Christi durch die Straßen getragen. Denn an diesem Tag feiert die katholische Kirche die Einsetzung der Eucharistie, also der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu.

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