Schwester Elrike mit Gudrun Peters, die zusammen mit Elisabeth Montag die Nachfolge der Vincentinerin antreten wird. Das Foto zeigt die Geschenke, die dieses Jahr an die Teilnehmer der Feier verteilt wurden.
Foto / Quelle: Karl-Martin Flüter

Grüßen, wie jeden anderen auch

Em Advent werden vorweihnachtliche Feste für Menschen gefeiert, die am Rand der Gesellschaft stehen. Ordensleute haben diese Feiern ins Leben gerufen. Eine von ihnen ist die Vincentinerin Schwester Elrike.inleitung

Paderborn

Das Krippenspiel sollte beginnen. Doch noch fehlte der Hauptdarsteller. Schließlich kam die Nachricht: „Josef kommt heute nicht, er ist im Gefängnis.“ Spontan entschieden Schauspieler und Publikum, das nur eine einspringen könnte: Schwester Elrike. Die hatte auf jeden Fall genug Vorwissen.

Die Vincentinerin Schwester Elrike Tyws hat nicht nur Josef gespielt, auch sonst hat sie viele Aufgaben in ihrer Arbeit für die „Schwestern und Brüder am Rand“ übernommen. So schnell kann sie nichts mehr überraschen.

1987 luden Ordensgemeinschaften zum ersten Mal Menschen in schwierigen Lebenslagen zu Feiern ein, die während Libori und im Advent stattfinden. Schon damals war Schwester Elrike daran beteiligt. Die Teilnahme der Ordensgemeinschaften ist im Lauf der Jahrzehnte zurückgegangen, doch einige Vertreter der Orden sind wie Schwester Elrike schon lange dabei, etwa Schwester Thoma von den Schwestern der christlichen Liebe und der Salesianerpater Bernd.

„Die Armen sind unsere Herren, sie sind unsere Könige“

1977 war Schwester Elrike Tyws nach Paderborn gekommen. Durch die Libori- und später Weihnachtsfeiern lernte sie die Menschen in der Stadt kennen, die aus vielen Gründen an den Rand der Gesellschaft gerückt sind. Schwester Elrike gehört zu denen, die auch im Alltag für diese Gruppe da war. Ihre Inspiration fand sie bei dem Priester Wilhelm Jürgens, bis 1998 Pfarrer der Marktgemeinde, der in der kalten Jahreszeit obdachlose Menschen im Heizungskeller der Marktkirche unterbrachte. Hatte nicht schon der Gründer ihres Ordens, Vincenz von Paul, gefordert: „Die Armen sind unsere Herren, sie sind unsere Könige. Man muss ihnen gehorchen.“

Im Lauf der Jahre wurde Schwester Elrike zu einer wichtigen Ansprechpartnerin für die, die sonst keine Ansprechpartner haben. Sie sammelte Spenden und richtete ein Warenlager ein, aus dem sie bei Bedarf Menschen schnell mit warmen Sachen oder anderen wichtigen Dingen des Lebens versorgen konnte. Wer mit ihr durch die Stadt geht, kann sich überzeugen, wie bekannt und beliebt sie ist. Immer wieder wird sie angesprochen, mal mit der Bitte um Schuhe, dann nur um mitzuteilen, dass ein gemeinsamer Bekannter wieder gesund ist.

Auch im „Gasthaus“ in der Heiersstraße will sich Schwester Elrike weiter einbringen. Diese Anlaufstelle wird durch Spenden finanziert und vom Metropolitan­kapitel und Dom­propst Joachim Göbel unterstützt. Zuerst aber muss Schwester Elrike noch etwas Geduld aufbringen. Die äußerst rüstige und geistig wache 90-­Jährige wartet auf eine Knieoperation. So lange muss sie mit einer eingeschränkten Mobilität leben – trotz des Alters etwas Ungewohntes für die agile Frau, die man ohne Weiteres viel jünger einschätzen würde.

Schon seit vierzig Jahren setzt die Vincentinerin sich für die Menschen am Rand ein. Eine Aufnahme aus den Anfangstagen.
Foto / Quelle: Privat

„Die Menschen wahrnehmen, darauf kommt es an“

Vielleicht hat sie die Zusammenarbeit mit den Menschen vom Rand jung gehalten. Dort muss man offen und flexibel bleiben. Der Josef im Gefängnis ist längst nicht das einzige außerordentliche Ereignis, an das sich Schwester Elrike erinnern kann – zu denen auch viele traurige gehören. Sie hat erlebt, dass Familien, die sie betreute, zerfielen. Aber die Kinder dieser Familien kommen bis heute zu ihr und sind freudig bewegt, wenn sie die Schwester treffen.

Fragt man Schwester Elrike, was die Gemeinschaft für Menschen tun könne, die im Alltag als Wohnungslose, Alkoholiker, Unangepasste oder „Penner“ diskriminiert werden, dann hat sie eine einfache Antwort: „Grüßen, wie jeden anderen Menschen auch.“ Auch denen, die in der Innenstadt sammeln, gehe es gar nicht so sehr ums Geld, sondern um Beachtung. Die Menschen wahrnehmen, darauf kommt es an, sagt Schwester Elrike: „Das ist genauso wichtig wie die Spenden und Geschenke in der Weihnachtszeit.“

Karl-Martin Flüter

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