Konzern Kirche
Mitbestimmen, mitgestalten, mitentscheiden – zur Europawahl betonten die Partien, wie wichtig engagierte Menschen für die Demokratie sind. Doch das gilt auch auf einer anderen Ebene, wie der Tag der Mitarbeitervertretungen (MAV) zeigte.
Drei Referenten beleuchteten bei der Veranstaltung, die die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Erzbistum Paderborn (DiAG MAV) organisierte, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln.
Martin Schenk, Vorsitzender der DiAG MAV, begann mit einer auf den ersten Blick provokanten These: „Auch die Kirche ist ein Konzern mit einer professionellen Organisationsstruktur. Kirchliche Unternehmen müssen sich am Markt behaupten.“ Um erfolgreich zu sein, schließen sich Krankenhäuser, Senioren- und Jugendeinrichtungen, Hospize sowie Kindertagesstätten zusammen. Lang war die Liste der gGmbHs im Erzbistum, die Schenk vorlas. „Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.“
Für die Mitarbeitervertretungen hat das Konsequenzen, viele verschwinden, weil sich größere Einheiten bilden. Die benötigen dann weniger MAVen. Und auch die Zahl der sogenannten Servicegesellschaften, die sich etwa um das Catering oder die Raumpflege in Einrichtungen kümmern, steige. Diese decken die MAV nicht ab. Kompliziert werde es auch, wenn etwa Krankenhäuser aus kommunaler oder evangelischer Trägerschaft übernommen werden. Dann wirken mehrere Tarifmodelle nebeneinander.
Martin Schenk appellierte an die rund 450 Anwesenden, ihre Einrichtungen aus der Sicht eines Mitarbeitervertreters und nicht als Angestellte zu sehen. „Der wichtigste Punkt liegt in uns selbst.“ Gebe es beispielsweise kein eigenes Büro oder einen abschließbaren Schrank, müsse dies angesprochen werden.
Strategien entwickeln
Aus Sicht eines Arbeitsrechtlers bewertete dann Dr. Norbert Gescher den Konzern Kirche. „Unternehmertum ist nichts Böses, aber es soll soziales Unternehmertum sein.“ Seiner Erfahrung nach bekommen MAVen selten alle Informationen über anstehende Veränderungen wie Zukäufe. Oft werde dann argumentiert: „Sie wollen das doch jetzt nicht blockieren?“ Dies müssten die Mitglieder der MAVen sich aber nicht bieten lassen. „Entwickeln Sie Strategien, entwickeln Sie Ziele“, so der Jurist.
Dr. Jonas Hagedorn, Juniorprofessor für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, erläuterte schließlich das Konzept der „Baumolschen Kostenkrankheit“. Beispiel Autoindustrie: Bei Ford im Jahre 1913 war Fließbandarbeit Standard. „Bei Tesla arbeiten heute viel weniger Menschen an einem Auto“, betonte der Wissenschaftler. Dies ermöglichen Maschinen und Roboter, die Effizienz steige. „Bei der sozialen Interaktionsarbeit ist der Technikeinsatz dagegen sehr schwierig.“ Dennoch steigen in der Pflege oder der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – das ist mit der sozialen Interaktionsarbeit gemeint – die Kosten.
„Das Lohnniveau muss angehoben werden, sonst finden sich keine Mitarbeiter“, machte Dr. Hagedorn deutlich. Diese Steigerungen müsse das System schultern, es entstehe die „Kostenkrankheit“. Für die Pflege bedeutet das, dass etwa Aufgaben von Angehörigen übernommen werden oder Menschen mit geringerer Qualifikation eingestellt werden – eben, um Geld zu sparen. Um dies zu verhindern, seien die MAVen gefragt.
Wolfgang Maas