“Liebe ist ein Tuwort“
Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz besucht das Dekanat Herford-Minden. Seine Dekanatsreise führt nach Minden, Porta Westfalica und Lübbecke.
Endlich lässt der Regen nach. Der Himmel über dem Dekanat Herford-Minden klart auf. Nach und nach eröffnet die Aussichtsplattform am Kaiser-Wilhelm-Denkmal einen einzigartigen Blick über das weitläufige Dekanat. Während der Tag im Dekanat Herford-Minden voranschreitet, gewinnt auch Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz einen immer umfassenderen Blick auf die Chancen und Herausforderungen vor Ort.
Es ist wenige Minuten vor zehn. Die AnsprechBar, ein dreirädriges Fahrzeug, das als mobile Kirche dient, steht gefüllt mit frischem Kaffee parat. Einige letzte Handgriffe noch und das Team des Dekanats Herford-Minden ist bereit. Der Besuch aus Paderborn kann kommen. Gesagt, getan. Die Besucher treffen ein. Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz wird heute von Generalvikar Dr. Michael Bredeck und Weihbischof Josef Holtkotte begleitet.
Das flächengrößte Dekanat im Erzbistum
Mit mehr als 1.600 Quadratkilometern in vier Pastoralverbünden ist das Dekanat Herford-Minden das flächengrößte im Erzbistum Paderborn. Das Dekanat, das die Kreise Herford und Minden-Lübbecke umfasst, ist das Zuhause von rund 570.000 Menschen. Nur 8,9 Prozent von ihnen sind katholisch. Weite Wege, die Zentralisierung kirchlicher Orte und immer mehr vakante Stellen: Das Dekanat Herford-Minden steht vor den Herausforderungen, denen viele kirchliche Räumen in der Diaspora gegenüberstehen. Herausforderungen, aus denen sich auch Chancen ergeben können. Eine davon ist die lebendige Ökumene. Im Dekanat Herford-Minden wird diese vor allem in Form gemeinsamer Formate wie Pilger- und Begegnungsreisen gestaltet, berichtet Dekanatsreferent Martin Decking.
Auch die Jugendarbeit stößt in der katholischen Diaspora oftmals an ihre Grenzen, weiß Philipp Ashton. Als Referent für Jugend und Familie ist die Arbeit mit der jungen Generation eine Herzensangelegenheit für ihn. Wenngleich die Angebote für Jugendliche in ihrer Menge nicht mit denen der evangelischen Kirche vor Ort mithalten können, gibt es sie – kleiner und punktueller, aber angetrieben von der gleichen Leidenschaft wie anderenorts. Entscheidend ist immer der persönliche Austausch. Für Philipp Ashton ist der regelmäßige Besuch von lokalen Jugendfreizeiten daher ein Muss.
Mindens „Highland Cathedral“
Dass das Dekanat Herford-Minden nicht nur aus Daten, Zahlen und Fakten besteht, wird spätestens beim Besuch des Doms zu Minden deutlich. Der Dom war einst die Bischofskirche des Bistums Minden. Als dieses jedoch um die Zeit des Westfälischen Friedens aufgehoben wurde, wurde aus dem Dom eine Pfarrkirche, die 1859 schließlich zur heutigen Propstei-Kirche erhoben wurde.
Es ist ein einzigartiger Moment, als die Paderborner Delegation gegen zwölf Uhr den Dom betritt. Wo zuvor Stille herrschte, erfüllt nun das Orgelspiel von Domorganist Peter Wagner den Dom. Zu den Klängen von „Highland Cathedral“ lassen die Paderborner das ehrwürdige Bauwerk, das sowohl das romanische Mindener Kreuz aus dem frühen 12. Jahrhundert als auch eine Nachbildung der Goldenen Tafel beherbergt, auf sich wirken. Ein Moment, um innezuhalten, an einem ereignisreichen Tag, der schon kurze Zeit später mit dem nächsten Programmpunkt lockt.
Hoch oben auf dem Wittekindsberg in 268 Metern wartet „Kaiser Wilhelm“ schon auf die Paderborner Besucher. Während Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz und seine Mitreisenden draußen auf der Aussichtsplattform noch einen geografischen Überblick über das große Dekanat erhalten, bietet das anschließende Mittagessen Gelegenheit, sich einander auch persönlich weiter anzunähern und hinzuhören, was die Menschen im Dekanat bewegt.
Verlässliche Ankerpunkte
Es ist kurz nach halb drei. Die Dekanatspastoralkonferenz hat sich nach hinten verschoben. Nicht unüblich und eher ein Erfahrungswert der Dekanatsreisen – wo Menschen in regem Austausch sind, geraten Zeitpläne an ihre Grenzen. Im Gemeindehaus St. Baptist Lübbecke angekommen, ist die Freude angesichts des Besuchs des Erzbischofs und seiner Begleiter dennoch ungebrochen. Die vielen Hauptamtlichen, die heute gekommen sind, haben ihrem neuen Erzbischof einiges zu berichten.
So sind die großen Entfernungen in der Diaspora auch unter den Hauptamtlichen ein Thema. Gerade für junge Menschen seien die weiten Wege zu Veranstaltungen oft nicht leistbar, gibt Pastor Carsten Adolfs zu bedenken. Die Diaspora, weiß Gemeindereferentin Svenja Kuschke, werde überdies viel stärker von Ausnahmesituationen wie Corona getroffen. Messdienerarbeit, Kirchenbesucher, Sternsingeraktionen – all das sei seit der Pandemie nur langsam wieder angelaufen. Positiv sei jedoch die gute Zusammenarbeit in der Ökumene, die von gegenseitiger Neugierde geprägt sei.
Verlässliche Ankerpunkte – für Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz kommt es genau darauf an. „Wir brauchen verlässliche Orte“, erklärt der Erzbischof: „Wir brauchen etwas, das verlässlich ist, damit sich in neuer Weise ein Stück lokale Kirche bilden kann.“ Wo diese Orte sein können, und wie viele gebraucht werden – diese Fragen gelte es über die Zeit hinweg zu beantworten.
Das Gebot der Liebe
Es ist 17 Uhr. Während sich die Wolken über Lübbecke zusammenziehen, sind die Gläubigen in der St. Baptist Kirche gelassen. Sie haben sich im Gotteshaus versammelt, um gemeinsam mit Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz die Eucharistie-Feier zu begehen. Haupt- und Ehrenamtliche sind gekommen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Gläubige aus den verschiedenen Ortschaften, die diese besonderen Momente mit Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz zelebrieren wollen. Gemeinsamkeit und die Liebe zueinander – diese Werte bestimmen auch den heutigen Gottesdienst. In seiner Predigt greift Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz den Gedenktag des heiligen Aloisius auf. Aloisius habe sein Leben und Wirken der Liebe zu Gott und den Menschen gewidmet. Aufopferungsvoll kümmerte er sich vor allem um die Kranken, deren Schutzheiliger er noch heute ist. Bei der Pflege Pesterkrankter infizierte er sich und starb schließlich mit gerade einmal 23 Jahren.
Ein Leben, geprägt von Nächstenliebe, das sich, so Erzbischof Bentz, unter ein Zitat von Büchner-Preisträger Arnold Stadler fassen lasse: „Das Wichtigste in der Heiligen Schrift ist die Liebe, das Liebesgebot. Das hält alles zusammen … und was ist Liebe? – Ich glaube, es ist ein Tuwort.“ Wir alle seien Täter des Wortes, erklärt der Erzbischof: „Liebe ist ein Tuwort! Glaube ist ein Tuwort! … Ich muss etwas tun, ich darf etwas tun, weil ich selbst geliebt bin.“ Dabei zähle nicht das Viele, das wir tun, sondern, aus welcher Haltung heraus wir es tun. „Liebe ist ein Tuwort! – das gilt für die Gottesliebe. Das gilt für die Nächstenliebe. Und für die Liebe der Welt und zur Schöpfung“, erklärt Erzbischof Dr. Bentz weiter. Die Liebe schlafe ein, würden wir nichts dafür tun. Liebe sei Arbeit. Immer. Arbeit vor allem an uns selbst, erinnert der Erzbischof.
„Kirche ist Zuhause“
Der Tag im Dekanat Herford-Minden neigt sich langsam dem Ende zu. Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz hat bereits viele Eindrücke sammeln können. Jetzt fehlt nur noch eines: der Austausch mit den ehrenamtlich Engagierten. Hierzu hat sich das Dekanatsteam um Dechant Gerald Haringhaus und Dekanatsreferent Martin Decking etwas Besonderes einfallen lassen. Ein offener Austausch an Stehtischen, die nach Zugehörigkeit zum jeweiligen Ehrenamt sortiert sind, soll dem Erzbischof und den Ehrenamtlichen die Möglichkeit geben, sich besser kennenzulernen. Auch Florian Dreier ist heute in das Gemeindehaus St. Johannes Baptist gekommen, um mit dem Erzbischof ins Gespräch zu kommen. Nach dem Austausch ist er zufrieden: „Der Erzbischof hat sich unsere Anliegen angehört. Er war interessiert und nahbar – hat sich nach Problemen erkundigt und gemeinsam über Lösungen nachgedacht. Natürlich sind diese nicht auf die Schnelle in einem kurzen Gespräch gefunden. Dennoch war es ein wertvoller Austausch.“ Florian Dreier engagiert sich vor allem in der Messdienerarbeit. Er studiert angewandte Theologie und für ihn vermitteln Glaube und Kirche ein Gefühl von Heimat: „Kirche ist für mich ein Zuhause“, sagt der Student.
Die Kirchenmusikerin Silke Biermann aus Espelkamp hat ebenso die Möglichkeit genutzt, mit dem Erzbischof zu sprechen. Sie leitet einen Chor von acht Leuten, ist gut vernetzt in den vier Pastoralverbünden. Mit dem Erzbischof habe sie über die Herausforderungen gesprochen, denen die Kirchenmusik im Dekanat Herford-Minden gegenüberstehe. So gebe es nur eine Organistin. Der Rest müsse ehrenamtlich aufgefangen werden. Ihr Fazit aus dem Gespräch ist hoffungsvoll: „Der Erzbischof hat uns ermutigt, dranzubleiben und das Kleine zu schätzen. Nicht nach den großen Dingen zu gucken. Wenn es nur acht Leute sind, sind es nur acht Leute – aber: Es sind acht Leute“, berichtet die Musikerin. Das Engagement in der Kirchenmusik sei für sie ein Weg, ihren Glauben auszudrücken, Menschen mitzunehmen und Herzen anzurühren, kurzum: „Durch die Lieder gelingt es uns, das Evangelium zu verkünden“, erklärt Silke Biermann. (pdp)