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09.04.2024
Ein Physiotherapeut macht mit einer Seniorin Übungen für die Kniegelenke zuhause in einer Wohnung in Bonn.
Foto / Quelle: Julia Steinbrecht/KNA

Studie: Babyboomer setzen Pflege massiv unter Druck

Es werden nicht nur immer mehr Bundesbürger pflegebedürftig. Es gehen auch bald viele Pflegekräfte in Rente.

Bonn

Die Babyboomer werden die Situation der Pflege in Deutschland massiv verändern. Nicht nur, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Auch bei den professionell Pflegenden scheiden bald viele aus dem Arbeitsleben aus. Das bedroht die Versorgung älterer Menschen stark. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) wichtige Zahlen und Entwicklungen zur Pflege in Deutschland.

Wie entwickelt sich die Zahl der Pflegebedürftigen?

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt: Erhielten 2003 etwas mehr als 2 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung, sind es derzeit mehr als fünf Millionen. Hintergrund sind die Alterung der Gesellschaft, aber auch Reformen der Pflegeversicherung, die zu mehr Leistungsempfängern führten. Bis 2055 dürfte die Zahl nach Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes auf mehr als 7 Millionen ansteigen. Die Krankenkasse DAK geht nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie davon aus, dass in den nächsten 25 Jahren rund 2,3 Millionen Menschen mehr als heute auf pflegerische Unterstützung angewiesen sein werden.

Eine Pflegerin schiebt einen Mann im Rollstuhl in einem Caritas-Seniorenheim in Gießen.
Foto / Quelle: Harald Oppitz/KNA

Wie viele Personen werden zu Hause versorgt, und welchen Anteil hat die stationäre Versorgung im Heim?

Etwa fünf von sechs Pflegebedürftigen (84 Prozent oder 4,17 Millionen) wurden Ende 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 2,55 Millionen überwiegend durch Angehörige und Freunde gepflegt. Weitere 1,05 Millionen lebten ebenfalls in Privathaushalten und wurden zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste versorgt. Rund ein Sechstel der Pflegebedürftigen (16 Prozent oder 0,79 Millionen) wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut. Die Zahl der teilstationär – also etwa in Tages- oder Nachtpflege – versorgten Pflegebedürftigen hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verzehnfacht auf 135.800.

Wie viele Menschen arbeiten in der Altenpflege?

Insgesamt rund 1,14 Millionen Menschen. Zum Jahresende 2021 waren in Deutschland 442.900 Personen bei ambulanten Pflegeeinrichtungen beschäftigt. Das waren 134 Prozent mehr als Ende 2001. Auch die Zahl der Beschäftigten in Pflegeheimen nahm binnen 20 Jahren zu, wenn auch nicht so deutlich. Sie stieg um 71 Prozent auf 814.000 Personen 2021.

Handelt es sich dabei um Vollzeit-Beschäftigungen?

Im Vergleich zu anderen Bereichen ist die Teilzeitquote im Pflegebereich überdurchschnittlich hoch: Bei den ambulanten Diensten lag sie bei 68,1 Prozent, in Pflegeheimen bei 63,3 Prozent. Über alle Wirtschaftszweige hinweg arbeiteten nach Ergebnissen des Mikrozensus im Jahr 2021 nur 30 Prozent der abhängig Beschäftigten in Teilzeit.

Ein Pfleger spielt mit Daniel Gasper in einer Behindertenwerkstätte der Lebenshilfe in Bornheim.
Foto / Quelle: Harald Oppitz/KNA

Schon jetzt ist immer wieder ist von Personalnot in der Pflege die Rede. Lässt sich das mit Zahlen belegen?

Im Jahresdurchschnitt 2021/2022 war laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft eine Fachkräftelücke von 18.279 Pflegefachpersonen in der Altenpflege und 16.839 in der Gesundheits- und Krankenpflege zu verzeichnen – also insgesamt: 35.118 vakante Stellen. Und schon heute dauert es 230 Tage, bis die Stelle einer Krankenpflegefachkraft besetzt werden kann, 210 Tage für die Stellenbesetzung einer Altenpflegefachkraft. Die Krankenkasse Barmer hat ausrechnen lassen, dass bis 2030 mehr als 180.000 Pflegekräfte allein in der Altenpflege fehlen werden.

Auch ein großer Teil der Pflegekräfte gehört zu den Babyboomern und beendet bald das Arbeitsleben. Wie wirkt sich das aus?

Von den derzeit rund 1,14 Millionen professionell Pflegenden in Deutschland erreichen mehr als 249.500 laut DAK-Studie in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter; das sind 21,9 Prozent. In jedem Bundesland müssen dann um die 20 Prozent des Personals ersetzt werden – der Bedarf variiert zwischen 19,7 Prozent in Sachsen und 26,5 Prozent in Bremen. In einzelnen Bundesländern werden noch in diesem Jahrzehnt Kipppunkte erreicht, an denen deutlich mehr Pflegende in den Ruhestand gehen als Nachwuchskräfte in den Beruf einsteigen. In Bremen und Bayern wird dies Berechnungen des Forschungsinstituts AGP Sozialforschung zufolge bereits in 2029 der Fall sein.

Eine Pflegerin hält die Hände einer Bewohnerin, am in einem Caritas-Seniorenheim in Gießen.
Foto / Quelle: Harald Oppitz/KNA

Wie soll der Personalmangel in der Pflege behoben werden?

Experten setzen auf die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, verstärkte Werbung für die Pflegeausbildung und Attraktivitätssteigerungen im Pflegeberuf, damit Teilzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit aufstocken und Pflegekräfte in den Beruf zurückkehren. Nach einer 2022 veröffentlichten Studie der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung können sich die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen – sofern sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Das würde hochgerechnet bedeuten: Mindestens 300.000, aber möglicherweise bis zu 600.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden zusätzlich zur Verfügung.

Mehr Ausbildungsplätze in der Pflege könnten helfen: Wie hat sich die Situation dort entwickelt?

Zuletzt haben sich wieder mehr Menschen in Deutschland für eine Pflegeausbildung entschieden. Laut Statistischem Bundesamt befanden sich zum Jahresende 2023 insgesamt 147.000 Personen in der Ausbildung zum Beruf der Pflegefachfrau beziehungsweise des Pflegefachmanns. Davon haben 53.900 ihre Ausbildung im Jahr 2023 begonnen. Gegenüber dem Vorjahr waren das 3 Prozent oder 1.800 mehr neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (2022: 52.100 Neuverträge).

(KNA)
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