Über 300 Veranstaltungen zu "Postkolonialem Westfalen-Lippe"
Die LWL-Kulturstiftung zieht positive Bilanz zum Themenjahr 2024.
Mit mehr als 300 Veranstaltungen in 34 Städten und breiter öffentlicher Resonanz ging das Themenjahr „POWR! Postkoloniales Westfalen-Lippe“ der LWL-Kulturstiftung 2024 zu Ende. Das Jahr sollte für koloniale Geschichte und postkoloniale Strukturen im heutigen Alltag in der Region Westfalen-Lippe sensibilisieren und einen Dialog über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fördern.
Die Kulturstiftung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) unterstützte 22 Kulturprojekte in Westfalen-Lippe mit insgesamt rund 1,5 Millionen Euro. Über 20.000 Besucherinnen und Besucher nahmen an den Veranstaltungen teil, mehr als 130.000 Interessierte besuchten die Sonder- und Wanderausstellungen – von Führungen in städtischen Oberzentren bis hin zu Workshops im ländlichen Bereich und digitalen Formaten.
Durch Vernetzung von Kulturinstitutionen, Bildungseinrichtungen, Vereinen und Kunstschaffenden der Freien Szene wurde ein vielseitiges und partizipatives Programm realisiert, so die LWL-Kulturstiftung. Das habe zum Gespräch zwischen Generationen und Kulturen eingeladen und zur aktiven Beteiligung der Bevölkerung an zahlreichen Formaten im urbanen und ländlichen Raum geführt, so die positive Bilanz. Die Kampagne zu „POWR! Postkoloniales Westfalen-Lippe“ habe mit ihrem Design in kraftvollen und frischen Farben Schlagkraft, Aktion und Gegenwärtigkeit signalisiert und das Programm über das Jahr hinweg sichtbar gemacht.
POWR! bot mit einer breiten Palette kultureller Angebote vielfältige Zugänge zur kolonialen Vergangenheit und ihren Auswirkungen in der Region. Im Mittelpunkt des Themenjahres 2024 stand die große Sonderausstellung „Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“ im LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund, die noch bis 26. Oktober zu sehen ist. Weitere Ausstellungen wie etwa „Macheten, Tabak, Edelsteine – Koloniale Spuren in Handwerk und Gewerbe“ im LWL-Freilichtmuseum Hagen luden dazu ein, mehr zur kolonialen Geschichte Westfalen-Lippes und seiner wirtschaftlichen Verflechtungen zu Kolonialherrschaften zu lernen. 130.000 Besucherinnen und Besucher folgten diesen Einladungen bisher.
Der Direktor des LWL und Vorstandvorsitzende der LWL-Kulturstiftung, Dr. Georg Lunemann: „Insbesondere das Miteinander von großen etablierten Kulturorten und kleineren Vereinen und Initiativen hat das Themenjahr bereichert. Gemeinsam zeigten sie, wie die Vielfalt der Region ein Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann. In dieser Vernetzung liegt eine Stärke unserer Förderschwerpunkte.“
So setzte das Musical „GEMUSICAL“ von Physical Theatre Netzwerk e.V. aus Essen in Koproduktion mit dem Performance-Kollektiv „notsopretty“ aus Bochum die Geschichte der Kartoffel in Szene und erzählte von der Kolonialgeschichte vieler Lebensmittel. Mit Kaffeezeremonien etwa im Rahmen von „HOW TO DECOLONIZE HEIMAT“ informierte Grünbau GmbH aus Dortmund über die kolonialen Verbindungen des Alltagsgenussmittels und sensibilisierte für einen fairen Konsum. Fünf Wanderausstellungen, zahlreiche Workshops und Diskussionsreihen luden die Bevölkerung zum Austausch und zu aktiver Beteiligung ein.
Auch digitale Formate fanden Anklang: Die Podcast-Serie „#POWR“ von Claudia Linzel (‚Die Leichtigkeit der Kunst‘) in Zusammenarbeit mit der LWL-Kulturstiftung und dem LWL begleitete das Themenjahr mit dreizehn Folgen, in denen Projektverantwortliche sowie Personen aus Wissenschaft und Kulturpolitik ihre Perspektiven und zum Teil persönlichen Erfahrungen aus der Projektarbeit verdeutlichten.
Im Audio-Feature „Westfalia – Westfalen und der Kolonialismus“ blickte das LWL-Medienzentrum für Westfalen ausgehend von der Geschichte eines Kolonisten aus Münster auf Fragen der Gegenwart, beispielsweise wie globaler Handel gerechter gestaltet werden kann. Publiziert über gängige Streamingdienste erreichten die Podcasts mehr als 14.000 Aufrufe.
Für eine „Digitale Quellensammlung für Kultur- und Bildungsarbeit“ durchforstete die Fernuniversität Hagen die örtlichen Archive und ergänzt damit bestehende Datenbanken um wissenschaftlich aufgearbeitete Hintergrundinformationen zu 100 historischen Schriftquellen, Bildern und Objekten aus kolonialen Kontexten der Region.
Der Verein jetztzeit e.V. macht im Rahmen des Projektes „Decolonize Ostwestfalen-Lippe“ mit einer digitalen Karte koloniale Denkmäler in Ostwestfalen-Lippe sichtbar und setzt darin Impulse zu einem zeitgemäßen Umgang mit ihnen. Das innovative Format des Serious Game „Rohstoffe, Regionen, Reichtum. Ein unfaires Spiel?“ im LWL-Museum Zeche Nachtigall in Witten lud dazu ein, mit einem Spiel als Gruppe mehr über die globale Verteilung von Rohstoffen und deren postkoloniale Hintergründe zu erfahren.
Die Projektmacherinnen und -macher ziehen eine positive Bilanz: Mehrheitlich sind sie zufrieden mit dem Ziel, eine breite Öffentlichkeit zum Thema Postkolonialismus multiperspektivisch zu informieren und zu sensibilisieren. Die Mischung aus generationsübergreifenden Formaten und der gezielten Ansprache verschiedener gesellschaftlicher Gruppen wie Kinder und Familien, Schülerinnen und Schüler habe für hohe Besuchendenzahlen und angeregte, interessierte und respektvolle Diskussionen gesorgt. Teilnehmende lobten das Themenjahr als bereichernd und bewusstseinsbildend und berichteten, dass viele Veranstaltungen noch lange nachklangen und -wirkten.
„In diesen Rückmeldungen von Besuchenden, Teilnehmenden und von der wissenschaftlichen Fachwelt sehen wir uns darin bestätigt, dass auch komplexe Themen in Kulturangeboten aufgefächert und zeitgemäß vermittelt werden können“, so Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin und Vorstandsmitglied der LWL-Kulturstiftung. „POWR! hat das eindrucksvoll gezeigt und damit weit über die Verbandsregion hinaus in die Kulturlandschaft gewirkt.“
Die Fachwelt der deutschen Museumslandschaft und des Wissenschaftsbetriebs in der Kolonialismus-Forschung habe bei Tagungen und Netzwerktreffen den innovativen Ansatz und die intensive Vernetzung als wegweisend im deutschen Kulturbereich gewürdigt. Auch Berichte in regionalen und Fachmedien sowie die digitale Präsenz hätten die Sichtbarkeit verstärkt und zu einem öffentlichen Diskurs beigetragen.
Diskussionsabende, Vorträge sowie partizipative Angebote luden zum Dialog ein. Interessierte Nachfragen bei Veranstaltungen, Kommentare in Gästebüchern aber auch in den Sozialen Medien trugen dazu bei, sich tradierten Seh- und Lesegewohnheiten zur Kolonialgeschichte aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. Im September 2023 zog eine Negativ-Kampagne in den Sozialen Medien Aufmerksamkeit auf die Ausstellungswerkstatt „Das ist kolonial“ im LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund. Als Reaktion darauf veranstaltete die LWL-Kulturabteilung im Oktober 2024 gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat, dem Deutschen Museumsbund, dem Institut für Museumsforschung, ICOM Deutschland, dem Museumsverband NRW und dem Landschaftsverband Rheinland im Herbst 2024 eine zweitägige Tagung zum Thema „Haltung zeigen, Demokratie verteidigen!“.
Einige Veranstaltungen und Ausstellungen finden auch 2025 statt, andere Angebote lassen sich langfristig online abrufen. Das Musical „GEMUSICAL“ von Physical Theatre Netzwerk e.V. ist ein letztes Mal am 21. und 22. Februar im Kulturhaus Thealozzi in Bochum zu sehen. Neben der Ausstellung „Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“ im LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund (bis 26. Oktober) lässt sich auch die Schau „Preußen auf See. Auf schwankenden Planken“ des LWL-Preußenmuseums Minden noch bis 18. Mai besuchen.
Außerdem wurde die Sonderausstellung „KÖRPER:SPRACHEN“ auf Burg Hülshoff – Center for Literature bis 31. August verlängert. Das Serious Game „Rohstoffe, Regionen, Reichtum. Ein unfaires Spiel?“ ist bis Sommer 2026 im LWL-Museum Zeche Nachtigall erlebbar. Eine Auflistung aller Projekte, aktueller Veranstaltungen und Online-Angebote bietet weiterhin die Internetseite: https://www.powr2024.de.
Neues Themanjahr
Anfang 2025 ist der dritte Förderschwerpunkt der LWL-Kulturstiftung an den Start gegangen. 44 Projekte von Kulturschaffenden, Vereinen und Institutionen beleuchten in ihren Veranstaltungen und Angeboten verschiedene Ereignisse und Persönlichkeiten, die Westfalens Geschichte geprägt haben, und setzen mit aktuellen künstlerischen Positionen Impulse für gegenwärtige und künftige Herausforderungen der Region. Dabei geht es um Selbst- und Fremdwahrnehmung, Identität, Herkunft, Zugehörigkeit sowie Lebensgefühl und Zukunft. Die Ausstellung „775 – Westfalen“ im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt ab dem 16. Mai als zentrales Projekt zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein. Das Kulturprogramm zum Jubiläumsjahr 2025 „1250 Jahre Westfalen“ steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost fördert das Kulturprogramm im Rahmen ausgewählter Projekte in Münster und im Kreis Warendorf. https://www.1250jahrewestfalen.de