Überregional bedeutend
Der Prozessionsweg in Telgte ist das Denkmal des Monats.
Mitten im Grünen, nahe der Bundesstraße 51, liegt ein überregional bedeutendes Zeugnis der Religionsgeschichte: Der Prozessionsweg zwischen Münster und Telgte ist Denkmal des Monats Oktober des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Erst im Juli 2024 hatte das Oberverwaltungsgericht NRW den Denkmalschutz für einen etwa einen Kilometer langen Wegabschnitt auf der Telgter Heide bestätigt. LWL-Gartendenkmalpfleger Dr. Christof Baier freut sich über die Entscheidung: „Mit seinem Verlauf, seiner wegebaulichen Substanz, seiner Gestaltung als Allee und mit seinen Doppelbildstöcken erzählt der Prozessionsweg anschaulich und eindrucksvoll von einer über 300-jährigen religiösen Praxis.“
Der Kunsthistoriker hat sich intensiv mit der Geschichte des Gartendenkmals beschäftigt: „Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Wallfahrt zum Gnadenbild der ‚Schmerzhaften Mutter von Telgte‘ neugestaltet. Das seit dem Mittelalter verehrte Gnadenbild bekam eine eigene Kapelle. Zeitgleich wurde der von Münster nach Telgte führende Prozessionsweg aufwendig ausgebaut.“ Die Neuinszenierung des Telgter Gnadenbildes war Teil einer gegenreformatorischen Strategie, wie Baier ausführt: „Aus einer lokalen Marienverehrung wurde eine überregionale Wallfahrt“.
Schnurgerade Abschnitte
Rund 380 Personen aus den umliegenden Orten halfen bei der Anlage des dammartigen Fußwegs, den der fürstbischöfliche Chefingenieur Bernhard Spoede in der Telgter Heide abstecken ließ. Er verläuft in schnurgeraden Abschnitten und wird – dem Charakter einer Allee entsprechend – durch Baumreihen begleitet. „Die heute noch in großen Abschnitten beidseits an den Rändern des Weges stehenden Linden ersetzten um 1895 eine erste Bepflanzung mit Fichten“, weiß Baier.
Gewidmet sei der Prozessionsweg den sieben schmerzhaften und den sieben glorreichen Mysterien Mariens. „Eine solche ‚Via Matrisâ¿¿ ist das Gegenstück zu einem Kreuzweg, der die letzten Ereignisse im Leben von Jesus Christus thematisiert. Die Konzeption stammte von dem Jesuiten Johannes Blanckenfort, damals Rektor des Jesuitenkollegs Münster (Paulinum) und Domprediger“, erläutert Baier.
Die fünf Stationen in Form von barocken Bildstöcken sind mit Reliefs und Inschriften geschmückt, die den „andächtigen Wandersmann“ direkt ansprechen. Sie stehen bis heute nicht am Wegesrand, sondern unübersehbar mitten im Weg. So begegnen Pilger:innen auf dem Weg von Münster nach Telgte unausweichlich die „Sieben Schmerzen Mariens“ und auf dem Rückweg die „Sieben Freuden Mariens“. Die Doppelbildstöcke wurden 1777/78 neu angefertigt, gehen aber auf die zwischen 1658 und 1663 aufgestellten Stationen zurück.
Gegenreformation im Münsterland
Baier weiß um die besondere Bedeutung des historischen Wegs: „Der Prozessionsweg veranschaulicht, dass die Pilgerreise zu heiligen Orten wie dem Telgter Gnadenbild ein Wesensmerkmal auch der christlichen Religion ist. Darüber hinaus erzählt er eindrucksvoll von der Gegenreformation im Münsterland. Er bezeugt den Versuch der kirchlichen Obrigkeit, eine katholische Neuprägung der Religionsausübung in Telgte, Münster und im ganzen Bistum zu bewirken. Gestaltet und damit neu geordnet wurden mit dem Ausbau des Weges die Wallfahrtsprozession von Münster zum Telgter Gnadenbild, aber auch das Erlebnis des einzelnen Pilgers und damit die individuelle Religionsausübung. So macht der Prozessionsweg noch heute eine jahrhundertelange religiöse Praxis erlebbar.“
Hintergrund
Wenige Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges hatte Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen ab 1654 die Gnadenkapelle für das schon damals seit langer Zeit verehrte „uhralte miraculöse Telgtsche Vesperbild“ errichten lassen. Nur ein Jahr nach deren Weihe begann 1658 der bis 1663 abgeschlossene Bau des Weges zwischen Münster und Telgte als Prozessionsweg.