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30.07.2024
Gebannt verfolgen die Gläubigen den Gottesdienst auch auf den zahlreichen Leinwänden, die im Dom aufgestellt sind.
Foto / Quelle: Isabella Maria Struck / Erzbistum Paderborn

Vielfalt in den Blick nehmen

Hunderte Frauen zelebrieren den „Festgottesdienst mit den Frauen“ im Paderborner Dom und tauschen ihre Glaubenserfahrungen aus.

Paderborn

Die Libori-Woche nimmt ihren Lauf: Am Montagvormittag läutet der Gottesdienst im Paderborner Dom den traditionellen Tag der Frauen ein. Generalvikar Dr. Michael Bredeck steht einem prall gefüllten Dom gegenüber, als er die zahlreichen Gläubigen begrüßt. Viele von ihnen tragen ein weißes Kleidungsstück und haben damit den Wusch des kfd-Diözesanleitungsteams erfüllt, das ein Zeichen für die geschwisterliche Verbundenheit hinsichtlich gewünschter Veränderungen in der Kirche setzen will.

Der Libori-Montag ist traditionell den Frauen gewidmet. Unter dem Motto „Frauen – Freude – Frieden“ feierte Generalvikar Dr. Michael Bredeck gemeinsam mit mehreren Hundert Gläubigen den „Festgottesdienst mit den Frauen“ im Paderborner Dom. Gestaltet wurde dieser vom Katholischen Deutschen Frauenbund und den Caritaskonferenzen im Erzbistum Paderborn. Unter der musikalischen Leitung von Alfons Haselhorst sorgte der Chor newFACES St. Michael Oerlinghausen außerdem für eine stimmungsvolles Musikerlebnis. 

Freude, die von innen kommt

Das Motto für den diesjährigen „Festgottesdienst mit den Frauen“ sei nicht zufällig entstanden, erklären Dr. Anne Deter, Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes in der Diözese Paderborn, und Renate Loeser, Vorsitzende der Caritas Konferenzen in der Region Delbrück, zur Einführung in den Gottesdienst. Vielmehr habe die Nähe der Namenstage des Heiligen Liborius und der Heiligen Maria von Magdala sie zur Wahl des Dreierbildes „Frauen – Freude – Frieden“ inspiriert: „Wir Frauen nehmen eine zentrale Rolle in unserer Welt und in unserer Kirche ein. Nicht selten sind es wir Frauen, die Freude und Frieden in unsere Familie und in die Gemeinschaften tragen. Eine Freude, die von innen kommt. Eine Freude die kraftvolles Zeugnis unseres Glaubens ist. Eine Freude, die Frieden stiftet“, sind sich die beiden Frauen sicher. 

„Glaubenstradition ist wandelbar“

Die Predigt anlässlich des Festgottesdienstes mit den Frauen bestand aus zwei Impulsen, gestaltet von Generalvikar Dr. Michael Bredeck und Dr. Annegret Meyer. Im ersten Impuls kommt Dr. Annegret Meyer zu Wort. Sie leitet die Abteilung „Glauben im Dialog“ im Erzbischöflichen Generalvikariat. Außerdem engagiert sie sich im Katholischen Deutschen Frauenbund, der sie schon zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn maßgeblich geprägt habe. 

Mit Blick auf biblische Frauengestalten kommt Dr. Annegret Meyer ebenso auf Maria Magdalena zu sprechen. Keine unbedeutende Figur für Paderborn, erklärt die Theologin, so habe der Libori-Markt bis ins 19. Jahrhundert hinein den Titel Magdalenen-Markt getragen. Maria Magdalena sei zunächst als „Apostelin der Apostel“ bezeichnet worden. Dann erfuhr ihre Person jedoch eine neue Wertung: „Sie wurde direkt und indirekt mit namenlosen biblischen Frauengestalten – Sünderin, Prostituierte – bzw. anderen Marien identifiziert. Damit wurde ihr Ruf, wenn nicht ruiniert, so doch wirksam patriarchal eingehegt. Ihre Rolle als erste Auferstehungszeugin, als Jüngerin in nächster Nähe zu Jesus selbst fiel damit unter den Tisch“, erklärt Dr. Annegret Meyer. Das zeige: „Glaubenstradition ist wandelbar.“ 2016 sei sie durch Papst Franziskus offiziell zur Apostelin der Apostel erklärt. Der 22. Juli – seither ein Festtag, nicht nur ein Gedenktag. Meyer stellt angesichts dieses Wandels die Frage: „Wann wird diese Erkenntnis-Linie von 2016 weiter ausgezogen, um die Diskriminierung von Frauen, was das Ausleben ihrer je eigenen Berufung angeht, zu beenden?“

Der Dom ist an diesem Libori-Montag gut besucht. Zahlreiche Gläubige sind gekommen, um den Festgottesdienst mit den Frauen zu feiern.
Foto / Quelle: Isabella Maria Struck / Erzbistum Paderborn

„Ein demütiges und großzügiges Miteinander“

Im Evangelium nach Lukas ist es Jesus, der einer Diskussion seiner Jünger darüber, wer von ihnen am wichtigsten sei, die Frage entgegnet, wen sie für bedeutsamer hielten – den am Tisch, der bedient oder den, der bedient wird. Sicher sei es der, der bedient würde. Und doch bekennt Jesus: „Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.“ Eine zentrale Aussage, erklärt Dr. Annegret Meyer. Jesus oute sich hier als Care-Person, wie wir neudeutsch sagen. Er sei einer von denjenigen, die Care-Arbeit übernehmen – mit ihrer ganzen Existenz. „Lassen Sie dieses Bild kurz auf sich wirken – alle, die Sie heute als Engagierte der Caritaskonferenzen, der Frauenverbände, die Sie als Familienmanagerinnen, als Alleinerziehende, als pflegende Angehörige da sind. ‚Ich bin unter euch wie die Person, die bedient. Ich bin wie ihr‘“, zitiert die Theologin. Dabei sei die Wertung von Care-Arbeit damals nicht anders als heute. Wer am Tisch sitzt, sei „oben“, die anderen „unten“, weiß Meyer. Dennoch richte sich die Kritik Jesu nicht nur gegen die Männer: „Jesus fordert hier nicht nur die Männer auf, ihre Hahnenkämpfe zu hinterfragen, sondern richtet sich auch gegen das Konkurrenzgehabe unter Frauen(-verbänden).“ Dr. Annegret Meyer ist sich sicher: „Das führt für mich in ein demütiges und großzügiges Miteinander.“

Moderator der Unterschiedlichkeiten

Auch Generalvikar Dr. Michael Bredeck schildert seine Gedanken zum Evangelium in einem Predigtimpuls. Dieses Evangelium begleite ihn schon über viele Jahre hinweg während der Libori-Woche. Es sei mehr als ein nur ein bloßer Zufall, ist sich Generalvikar Dr. Michael Bredeck sicher, dass in dieser Festwoche, die von festlicher Liturgie geprägt sei, ein Evangelium verkündet werde, das zu Demut und Großzügigkeit gleichermaßen aufrufe. Diesem Ruf nachzukommen, sei nicht immer einfach, erklärt der Generalvikar: „Als Mann, als Priester und als Ihr Generalvikar spüre ich, wie es sicher viele andere in ihrer jeweiligen Verantwortung spüren, dass es keinesfalls ein Spaziergang ist, großzügig im Sinne Jesus zu agieren.“ In der Kirche gebe es viele unterschiedliche Meinungen darüber, was persönlicher Glaube sei und wie er sich zeige. „Ein Mensch wie ich muss diese Unterschiedlichkeiten in gewisser Weise moderieren, sie stückweit verstehbar machen und gleichzeitig im Gespräch mit denjenigen bleiben, die vielleicht selbst nicht miteinander sprechen.“ Trotz aller Unterschiedlichkeiten sei es die Kirche, die Menschen einen Raum gibt, zu wachsen, ihre Potenziale zu nutzen, ihre Fähigkeiten – ihre Charismen, Talente und Gaben – einzubringen. „Hier zu unterstützen, und die Rahmenbedingungen zu schaffen – das ist auch eine Form der Demut“, erklärt Generalvikar Dr. Michael Bredeck. 

Glaubenserfahrungen im Austausch

In den Kirchenbänken werden die Predigtimpulse von Dr. Annegret Meyer und Generalvikar Dr. Michael Bredeck von einem regen Austausch über die Auslegung des heutigen Evangeliums gefolgt. Anschließend erhalten einige Frauen Gelegenheit, ihre Deutung mit den Gläubigen vor Ort zu teilen. Erneut ist es die Figur der Maria Magdalena, die sie bewegt. Nicht zuletzt aufgrund der Gefahren, denen sich Maria Magdalena ausgesetzt habe, um Jesus beizustehen. Sie sei ein großes Vorbild für die Frauen in der Kirche, ist sich Dr. Maria Flachsbarth, Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, sicher. 

Lena Topp, Diözesanvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, appelliert mit Blick auf die Figur der Maria Magdalena an die Anwesenden, auch die eigene Biografie zu hinterfragen, wenn es darum geht, dass Frauen, die laut sind, die mutig sind, die nach vorne gehen, eben dafür abgestempelt werden. Weiterhin fragt sich Lena Topp, wenn sie an das heutige Evangelium denkt: „Mit wem sitze ich eigentlich am Tisch?“ Eine Frage, die den Umgang mit Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit in den Blick nehmen soll. 

(pdp)

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