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12.06.2024
Foto / Quelle: Patrick Kleibold

Wie Bonifatius den Heiden zu Leibe rückte

In Thüringen gibt’s was zu feiern – wenn man es mit den historischen Belegen nicht ganz so genau nimmt. Fakt ist, dass der Promi-Missionar Bonifatius dort ab etwa 724 die Christianisierung wesentlich vorantrieb.

Erfurt

Hoch über dem kleinen Thüringer Örtchen Altenbergen ragt auf dem Johannisberg der „Candelaber“ empor: ein etwa neun Meter hoher Sandsteinleuchter mit einer mächtigen goldenen Flamme. Sie soll das Erstrahlen des christlichen Glaubens symbolisieren. Das 1811 eingeweihte Monument erinnert an ein viel weiter zurückliegendes Ereignis: Auf dem Berg soll der berühmte Missionar Bonifatius, auch bekannt als „Apostel der Deutschen“, im Jahr 724 die erste christliche Taufkapelle Thüringens gegründet haben.

1.300 Jahre später erinnert die örtliche evangelische Kirchengemeinde mit einer Festwoche an das Jubiläum. Sie startet am 23. Juni mit einem Gottesdienst mit Landesbischof Friedrich Kramer am Fuße des „Candelaber“. Allerdings: Historisch gilt es inzwischen als recht zweifelhaft, ob Bonifatius tatsächlich 724 dort eine Kapelle errichtet hat.

Die Forschung geht eher davon aus, dass im 11. Jahrhundert Ludwig mit dem Barte, der Stammvater der Thüringer Landgrafen, dort die Johanniskirche bauen ließ. Erzbischof Bardo von Mainz weihte 1042 den Bau und taufte dort Ludwigs erstgeborenen Sohn, der später als Ludwig der Springer und Erbauer der Wartburg in die Geschichte einging.

Gründer des Bistums Erfurt

Die erste belegte christliche Bau-Initiative Bonifatius‘ in Thüringen liegt zeitlich und örtlich allerdings nah dran: Um 724/725 hat er nur zehn Kilometer von Altenbergen entfernt in Ohrdruf das erste Kloster der Region und ein wichtiges geistliches Zentrum gegründet. Unstrittig ist, dass Bonifatius, der 673 als Winfried in der englischen Grafschaft Wessex zur Welt kam, wesentlich die Christianisierung Thüringens vorantrieb, unter anderem durch die Gründung des Bistums Erfurt 742 und zahlreiche Klostergründungen; quasi eines seiner Markenzeichen.Doch er war längst nicht der erste Missionar hier. Erste Anzeichen lassen sich bereits im fünften Jahrhundert im Zuge der Völkerwanderung finden. Der Erfurter Kirchenhistoriker Josef Pilvousek erläutert: „Die Christianisierung Mitteldeutschlands ist kein einmaliger Vorgang, sondern bildet einen mit Rückschlägen ablaufenden Prozess von fast 300 Jahren.“

Als Bonifatius 719 erstmals nach Thüringen kam, habe er schon teilweise organisiertes Christentum angetroffen. Ab 724/725 habe er dann die Grundlagen für eine weitere Ausbreitung und Vertiefung des Christentums in Thüringen gelegt. Neben ungetauften Heiden gab es laut Pilvousek einen massiven heidnisch-christlichen Synkretismus, eine Mischform aus alter und neuer Religion. Statt Missionierung sei es daher in Thüringen in beträchtlichem Maß um eine „Verchristlichung“ der längst Getauften gegangen.

Fällen der Götter-Eiche

Zu den bekanntesten Missions-Geschichten rund um Bonifatius zählt das Fällen einer Eiche im hessischen Geismar um 723. Der Baum war dem mächtigen heidnischen Wetter-Gott Donar geweiht. Bonifatius legt mit kräftigen Hieben die Axt an – und zum Erstaunen der Heiden fiel der Baum ohne jegliche Konsequenzen um. Seitdem galt das Fällen der Donareiche als schlagkräftiger Beweis für die Machtlosigkeit der heidnischen Götter. Im Erfurter Rathaussaal hat der Historienmaler Peter Janssen die Szene 1882 auf einen imposanten Bonifatius-Wandbildzyklus gebannt.

Trotz vieler Sagen und Legenden, die sich um sein Wirken ranken, weiß man über kaum eine Person aus dem frühen Mittelalter so viel Konkretes wie über Bonifatius. Über 150 seiner Briefe an Verwandte, Herrscher und Päpste sind erhalten. Darin klingen immer wieder auch Angst und Verzweiflung an. „Bonifatius lässt sich tief ins Herz und ins Denken schauen“, fasste es der inzwischen gestorbene Münsteraner Kirchenhistoriker Arnold Angenendt zusammen.

Mission nicht erfüllt

Bonifatius habe Grundlagen für das die Völker übergreifende fränkische Reich Karls des Großen und damit für das sogenannte christliche Abendland gelegt, so Angenendt. Aber dennoch: „Bonifatius ist mit dem Empfinden gestorben, absolut erfolglos gewesen zu sein. Mit 40 Jahren ist er als Angelsachse aus England fortgezogen, um seine Stammesgenossen, die Sachsen, zu missionieren. Doch er ist nie nach Sachsen gekommen, hat stattdessen bei Thüringern, Friesen und Hessen missioniert. Mit über 80 Jahren musste er sich sagen, dass er seine eigentliche Mission nicht erfüllt hatte.“

Im Jahr 754 unternahm der betagte Bonifatius noch einmal eine Missionsreise zu den heidnischen Friesen. Wo er bereits 40 Jahre zuvor gescheitert war, wurde er zusammen mit seinem Tross erschlagen. Seine sterblichen Überreste sind in der Krypta des Fuldaer Doms beigesetzt. An seinem Grab versammelt sich alljährlich die Deutsche Bischofskonferenz.

(KNA)
Foto / Quelle: pixabay
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