„Wir müssen mehr absichtslos geben“
Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz diskutiert im Bergkloster Bestwig über Zukunft der Kirche.
„Wir werden nicht mehr alle mitnehmen können“, bekannte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz beim Forum Weltkirche. „Kirche geht raus. Wohin? Mit wem? Wen spricht sie noch an?“ Diese Fragen diskutierte der Paderborner Erzbischof mit Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow, Schulsozialarbeiterin Melanie Schmitz und Sophie Rüther von dem Projekt „Augen auf!“.
Erzbischof Dr. Bentz hat mittlerweile 17 der 19 Dekanate seines Bistums besucht und dabei völlig unterschiedliche Räume kennengelernt. In Dortmund sehe der Bedarf ganz anders aus als im Sauerland, aber überall sehe er ganz viel Engagement, neue Räume für die Kirche zu erschließen. Die Frage sei: Wie nehmen wir so viele wie möglich mit? Und: Wofür steht Kirche?
Im Dortmunder Norden, einem Gebiet mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil, betreibt die Caritas einen Treffpunkt für junge Frauen, die sich dort treffen können, ohne für etwas vereinnahmt zu werden. Die, die dort hinkommen, gestalten auf ihre Weise Kirche, sagte Erzbischof Dr. Bentz. „Wir müssen aber auch sehen, dass wir viele Milieus verloren haben.“ Die Jugendpastoral erreiche Jugend aus Bildungsmilieus, das Bildungsprekariat erreiche sie nicht mehr.
Noch schwieriger werde es dort, wo Räume weniger und Distanzen größer werden, wie im Sauerland. Man könne die Frage stellen, ob die Kirche oder die Kita wichtiger sei. Schließe die Kirche eine Kita, springe möglicherweise der Staat ein. Werde eine Kirche geschlossen, ziehe das meist viele Kirchenaustritte nach sich, so der Paderborner Erzbischof. Das schränke dann die Möglichkeiten weiter ein. Im Dorf sei die Kirche eben auch ein Identifikationsmerkmal. „Wir haben auch schon überlegt“, sagte Erzbischof Dr. Bentz, „die Kita in die Kirche zu verlegen.“
Wohin geht Kirche?
Dass Räume anders genutzt werden müssen, betrifft auch die Ordensgemeinschaften, deren Mitglieder stetig weniger werden. Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow berichtete von einer neuen Nutzung des Bergklosters Heiligenstadt. Die Schwestern sind in Heiligenstadt weniger geworden, das Kloster wurde langsam zu groß. Man habe gemeinsam beraten, wie man mit der Situation umgehe. Schließlich haben die Schwestern entschieden, eine Etage an eine Wohngemeinschaft für geistig beeinträchtigte Menschen zu vermieten. Andernorts, in Mosambik, machen sich die Schwestern in kleinen Gruppen auf den Weg in abgelegene Gemeinden, in denen nur selten ein Priester ist. Dort bleiben sie für ein paar Wochen, feiern Gottesdienste und sind einfach für die Menschen da.
Dort und in Deutschland steht das Engagement der Schwestern unter der Überschrift „Damit Leben gelingt“. Das gelte für Schulen wie für Senioreneinrichtungen. „Man muss nicht immer vom lieben Gott reden“, so Dikow. Die Jugendhilfeeinrichtung Manege in Berlin biete ihren Jugendlichen zum Beispiel an, einen „Wohnungsführerschein“ zu machen. Der helfe durchaus, in Berlin eine Wohnung zu finden.
Zurzeit sei die Kirche in einem großen Lernprozess darüber, was die Rolle von Kirche und Glauben in einer säkularen Gesellschaft sei, stellte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz fest. „Wer wird das Gesicht der Kirche sein, wenn die hauptamtlichen Mitarbeiter weniger werden? Es werden mehr Ehrenamtliche und Freiwillige sein.“
„Wir müssen Charismen sehen, ernst nehmen und wirken lassen“, sagte der Paderborner Erzbischof und räumte ein: „Wer bin ich, dass ich zu sagen habe, welches Charisma da wirkt?“ In diesem Sinne müsse man junge Menschen ermutigen, das Gesicht der Kirche zu sein. „Menschen, die erfahren haben, dass Kirche ihnen geholfen hat, werden darüber nicht schweigen“, zeigte sich Erzbischof Dr. Bentz überzeugt.
Im Erzbistum Paderborn gibt es einen Innovationsfonds für pastorale Projekte und der fördert unter anderem zwei Projekte der Mescheder Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer. Die war unter den Gästen des Forums bedankte sich bei der Gelegenheit herzlich für die Kooperation. Sie meinte: „Wir müssen nicht den Besuch des Gottesdienstes in den Vordergrund stellen, sondern den Gedanken von Menschlichkeit und Mitgefühl.“ Der Paderborner Erzbischof stimmte zu: „Menschen spüren, ob wir etwas wollen oder ob wir absichtslos geben. Wir müssen mehr absichtslos geben.“