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28.03.2024
Marcus Hellmann macht als Nachtwächter Führungen durch Soest.
Foto / Quelle: Andreas Wiedenhaus

Wozu sind Sie da, Marcus Hellmann?

Marcus Hellmann macht als Nachtwächter Führungen  durch Soest.

Geschichte kann Menschen faszinieren, wenn man sie ihnen auf die richtige Weise nahebringt. Dann wird Historie lebendig und regt die Fantasie an, statt Langeweile zu erzeugen. Diesen Anspruch möchte ich in meiner Rolle als Soester Nachtwächter bei meinen Führungen in die Tat umsetzen: Die Gäste gehen mit mir auf eine möglichst authentische Zeitreise ins Mittelalter.

Ich bin seit vielen Jahren Soester Stadtführer und habe auch eine Kirchenführer-­Ausbildung absolviert. Nachdem ich selbst eine Führung mit einem Nachtwächter erlebt hatte, habe ich die Idee in meiner Heimatstadt präsentiert und damit direkt offene Türen eingerannt.

Mittlerweile gibt es das Angebot in Soest seit drei Jahren, und alle Führungen sind immer sehr schnell ausgebucht. Eine so alte Stadt bei Nacht zu erleben hat seinen eigenen Charme. Auch die Menschen sind in der Dunkelheit anders gestimmt. Die Atmosphäre in den Gassen zwischen den alten Fachwerkhäusern hat ihren ganz besonderen Reiz, denn in Soest gibt es noch viele echte Zeugnisse der Jahrhunderte. Bei meinen Führungen trage ich ein authentisches Gewand. Auch die richtigen Utensilien gehören unbedingt dazu – Horn, Hellebarde und Laterne.

Ich möchte die Gäste mit der Geschichte unserer Stadt vertraut machen und sie gleichzeitig unterhalten. Das ist für mich kein Widerspruch. Denn Geschichte besteht immer auch aus Geschichten. Solche Erzählungen bleiben viel besser im Gedächtnis als Geschichtszahlen. Allerdings sollte man schon recht sattelfest in der Historie sein. Wichtig ist es zu spüren, wie die Zuhörerinnen und Zuhörer reagieren. Ich spule nie ein Programm nach „Schema F“ ab. Auch Anekdoten spielen eine Rolle, doch würde ich nie in Klamauk abdriften.

„Eine mittelalterliche Stadt in der Dunkelheit war früher ganz anders, als wir uns das heute vorstellen.“

Marcus Hellmann

Eine mittelalterliche Stadt in der Dunkelheit war früher ganz anders, als wir uns das heute vorstellen. Das versuche ich meinen Gästen ebenfalls zu zeigen: Es gab so gut wie kein Licht, nur der Nachtwächter hatte eine Laterne. Die romantischen Vorstellungen, die wir heute mit der guten alten Zeit verbinden, haben mit der damaligen Realität meist nur wenig zu tun. Das gilt insbesondere für das Amt des Nachtwächters. Auch dieser Aspekt spielt bei meinen Führungen eine wichtige Rolle: Nachtwächter hatten keinen leichten Beruf und galten im Mittelalter ähnlich wie Scharfrichter oder Totengräber als unehrenhaft.

Sie mussten bei jedem Wetter unterwegs sein – im Schnitt legten sie pro Nacht 12 bis 20 Kilometer bei ihren Runden zurück. Trotz ihrer verantwortungsvollen Aufgaben – die Stadt vor Verbrechern und Feuer zu schützen – wurden sie sehr schlecht bezahlt. Für ihre Ausrüstung mussten sie außerdem noch selbst aufkommen.

Wenn ich mein Gewand anlege, verkleide ich mich nicht, sondern ich schlüpfe in eine Rolle, die ich so wirklichkeitsnah wie möglich ausfülle. Aus diesem Grund bin ich auch Mitglied der Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren. Diese Gemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, Überliefertes zu bewahren, Brauchtum zu pflegen und Geschichte weiterzugeben.

Aufgezeichnet und fotografiert von Andreas Wiedenhaus

Zur Person

Marcus Hellmann ist 58 Jahre alt und lebt in Soest. Nach seinem Studium in Paderborn arbeitete er unter anderem bei der Nixdorf Computer AG sowie als ­Dozent und Trainer. Heute ist er freiberuflich als Berater im Bereich ­Luftsicherheit und Zoll tätig.

Zukunftsbild

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Eine zentrale Frage des Zukunftsbildes für das Erzbistum Paderborn. ­Wozu bist du da? Diese ­Frage kann sich auch jeder ­Einzelne stellen. Denn die Grundannahme des Zukunftsbildes ist ­eine ­biblische, dass nämlich jeder Mensch berufen ist, dass jede und jeder das eigene Leben als von Gott angenommen betrachten darf, dass es einen Sinn dieses Lebens gibt. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Frage für sich zu beantworten. Wir fragen nach, heute bei Marcus Hellmann. Wozu sind Sie da, Herr Hellmann?

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