Wozu sind Sie da, Schwester Johanna?
Die Franziskanerin Schwester Johanna Harke wohnt und arbeitet in Salzkotten. Im Dom spricht sie darüber, wie sie Glaube und Beruf vereint.
Das Leitbild der Franziskanerinnen, meiner Kongregation, finde ich sehr treffend: „Geborgen im Glauben – nah bei den Menschen“. Ich bin für die Menschen da, auch wenn es sich im ersten Moment so selbstlos und plakativ anhört. Mein Herz hängt an der Medizin und an der Versorgung der Kranken.
Ich bin Ordensschwester und Oberärztin, eine Kombination, die auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich wirkt. Es ist nicht so, dass ich schon als junges Mädchen in einen Orden eintreten wollte. Der Gedanke kam mir erst während meiner Ausbildungszeit zur Krankenschwester und ließ mich nicht mehr los. Ich habe mich schon immer von dieser radikalen Christusnachfolge und engen Bindung zu Gott angezogen gefühlt. Erst habe ich es abgetan, denn ich dachte, das Ordensleben wäre nur etwas „für ganz Fromme“. So arbeitete ich in meinem Beruf weiter, aber der Gedanke war immer präsent – mal näher und mal weiter weg. Mit Mitte dreißig erfüllte ich mir dann einen weiteren Traum: Ich habe mein Abitur am Abendgymnasium nachgeholt, um Medizin in Münster studieren zu können. So kam es, dass ich mit Anfang 40 Ärztin wurde und auch in den Orden der Franziskanerinnen in Salzkotten eingetreten bin.
Mein Glaube und mein Beruf sind fest miteinander verbunden. Zwar falle ich durch mein Ordenskleid auf, möchte aber eine Kollegin unter Kollegen sein. Ich bin Ordensfrau, das ist mein Lebensstand, wie andere verheiratet oder ledig sind. Einmal hörte ich, wie eine ältere Dame am Telefon sagte, dass sie bisher noch keinen Arzt gesehen habe, es würde immer nur eine Schwester kommen und nach ihr sehen. Seitdem stelle ich mich den Patienten immer mit Hausnamen vor, damit sie sehen, dass ich ihre behandelnde Ärztin bin und es zu keinen Missverständnissen kommt.
„Mein Tag beginnt und endet mit Gott.“
Mein Tag beginnt und endet mit Gott. Ich bete morgens oft dafür, dass ich aufmerksam in meinem Beruf bleibe. Das ist kein Automatismus und damit gebe ich die Situation nicht an Gott ab, aber ich habe ein inneres Vertrauen, dass er mich führt – auch wenn ich weiß, dass ich nicht immer alle retten kann. Es gibt Vorfälle, die würden andere als Zufall abtun. Für mich aber sind es Zeichen, dass ich von Gott geleitet werde. So bin ich einmal ohne bestimmten Grund erneut in das Zimmer eines Patienten gegangen und wurde dort von einem Notfall überrascht.
Zum Tagesabschluss beten wir in der Gemeinschaft. Hier lege ich manchmal bewusst und manchmal unbewusst meine Anliegen und Patienten mit hinein. In der Geriatrie geht es um den alten Menschen, und ich sehe es als Verpflichtung und Verantwortung unserer Gesellschaft an, sich um diese Menschen zu kümmern – unabhängig von den ökonomischen Zwängen im Gesundheitssystem. Für mich gehört zur Nächstenliebe aber auch Selbstliebe: Ich bin nicht nur die Gebende, sondern auch die Empfangende. Kraft schöpfe ich immer wieder aus der Gemeinschaft meiner Mitschwestern, denn das Kloster ist meine Wahlheimat und die Menschen hier sind meine Familie.