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27.09.2024
Matthias Micheel ist seit 2018 Persönlicher Referent des Paderborner Erzbischofs.
Foto / Quelle: Patrick Kleibold

Wozu sind Sie da, Herr Micheel?

Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Eine zentrale Frage des Zukunftsbildes für das Erzbistum Paderborn. Wir fragen nach, heute bei Matthias Micheel.

Ich denke, dass es zu allen Zeiten große Herausforderungen an Glauben und Kirche gab. Unsere Zeit ist da nicht katastrophaler als andere. Nur keine falsche Nostalgie. Doch eines hat sich grundlegend verändert: Es wird immer schwieriger, die Gottesfrage wachzuhalten oder irgendwelche metaphysischen Fragestellungen nicht als banal abzutun. Die Frage nach der Kirchlichkeit stellt sich für die Mehrheit in der Gesellschaft ohnehin nicht mehr. Aber was in meinen Augen viel dramatischer ist: dass Gott selber im Leben und Denken nicht vorkommt. Zumindest ein als Person gedachter Gott. Natürlich stellen sich die Grundfragen des Lebens immer noch: Wie gestalte ich mein Leben, welche Hoffnungen habe ich? Oder auch: Was bedeutet mir Freundschaft, Liebe? Als Kirche müssen wir Wege finden, mit den Menschen über diese Fragen im Gespräch zu sein und mit ihnen mitzugehen in Situationen auch des Scheiterns und der Hoffnungslosigkeit. Und zwar in einer Art, die nicht aufdringlich und unernst ist. Und die auch mit dem heutigen Lebensstil konform geht, ohne darin aufzugehen.

Das kann gut gelingen, wenn wir nicht immer nur die ganz hohe Theologie erwarten. Theologen dürfen keine Stubenhocker sein. Und sie sollten auch niederschwellig denken und handeln können. Wir müssen ziemlich gut hinschauen, was und wie Menschen denken, welche Idee vom Leben sie haben. Wir müssen möglichst früh und elementar in der religiösen Bildung ansetzen. Bei den Tageseinrichtungen für Kinder etwa, in den Grundschulen. Da liegt in meinen Augen ein riesiges Potenzial. Ohne Einbeziehung der Eltern und der ganzen Familie wird da nichts gehen. Der erste Ort der religiösen Bildung ist für mich die Familie. Da müssen wir stärker werden. Als Persönlicher Referent des Erzbischofs möchte ich genau daran mitwirken, dass Gott im Bewusstsein der Leute wieder eine größere Rolle spielt. Dass sie spüren, dass vielleicht doch etwas in ihrem Leben fehlt, wenn Gott und Kirche so gar keine Rolle spielen. Ja, was mache ich konkret im Bischofshaus? Ich unterstütze den Erzbischof in seinem Dienst, täglich im Büro, begleite ihn bei Konferenzen und betreibe Netzwerkarbeit zu den Personen, Einrichtungen und Gremien, mit denen er zu tun hat. Diese Aufgabe passt ganz gut zu mir, denke ich, und macht mir extrem viel Freude. Natürlich arbeite ich da meist mehr im Hintergrund. Aber ich möchte auch gar kein Mensch der ersten Reihe sein. Das können andere viel besser.

Wenn ich mich selbst beschreiben müsste, dann würde ich mich als jemanden bezeichnen, der sehr auf Einsicht, Gespräch, Ausgleich und Einbeziehung möglichst vieler setzt. Ich finde es unerträglich, wenn Menschen immer nur polarisieren. Und Arroganz finde ich, ehrlich gesagt, ein absolutes „No-­Go“. Wenn Leute sich für etwas Besseres halten, keine Fragen zulassen und die eigene Position auch nicht annähernd infrage stellen. Einfach absurd! Ich bin daher ganz froh, dass ich mich in diesem Feld immer wieder intensiv mit theologischen und philosophischen Themen beschäftigen kann. Denn so bekomme ich ständig die Chance, über meine eigenen Stärken und Schwächen zu reflektieren. Eine wichtige Frage ist für mich: Wo finden wir als Kirche Zugang zu den Menschen, die unsere Hilfe brauchen? Unsere Einrichtungen und Dienste leisten da enorm viel und brauchen sich nicht zu verstecken. Und dann: Wie kann ich meinen Glauben unaufdringlich vorleben? Wie kann mein Lebensstil zeigen, aus welchen Quellen ich lebe? Dazu gehört auch eine gewisse Form von Freundlichkeit und Heiterkeit. Also dass man nicht ständig übel gelaunt herumläuft. Wozu bin ich also da? Natürlich bin ich in erster Linie für meine Familie da. Für die Menschen, die mir etwas bedeuten und für die ich Verantwortung habe. Aber immer auch das: Ich möchte etwas dazu beitragen, dass Gott zumindest in meinem Umfeld nicht vergessen wird.

// Aufgezeichnet und fotografiert von Patrick Kleibold

Zur Person

Matthias Micheel (57) lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Schlangen. Der studierte Theologe und Sozialarbeiter ist seit 2018 Persönlicher Referent des Paderborner Erzbischofs. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät, beim Diözesan-­Caritasverband in Köln und Paderborn und leitete lange Jahre den Bereich Missionarisch-­diakonische Pastoral im Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken. Zusätzlich zur Tätigkeit als persönlicher Referent des Erzbischofs arbeitet er für das Diözesan-­Bonifatiuswerk.

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